Plötzlich regnete es Zimtsterne von der Kammgarn-Decke

Am Samstagabend nahm die Sängerin Sina die Gäste mit auf eine gemütliche Reise durch ihr Chanson-Universum. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier

«Sina ist einfach phantastisch», schwärmte eine Besucherin kurz vor Konzertbeginn am Samstagabend in der Kammgarn. «Niemand sonst singt so gefühlvoll wie sie.» Die Dame aus dem Publikum sollte recht behalten. Sina war ab dem ersten Song an der Baumgartenstrasse in ihrem Element. Sie brauchte keinen Starkstrom von der E-Gitarre oder ein Gewitter vom Schlagzeuger. Die ehemalige Rocklady mit der Löwenmähne ist mittlerweile 56 Jahre alt und scheint ständig auf einer gemütlichen Wolke zu wandeln. Mit ihrer siebenköpfigen Band nahm die Gäste mit auf eine Reise ins Weltall. Hätten die Astronauten bei der Mondlandung 1969 und beim anschliessenden Spaziergang schon Radio gehört, dann wäre Sinas Musik der perfekte Soundtrack für die Reise im Weltraum gewesen. Ihre Lieder luden zum Träumen ein. Planeten, Kometen, Sonnensysteme und ein ganzes Universum fanden in ihrem Rucksack Platz. Kein Wunder, denn die Walliserin macht seit 1983 Musik und hat bereits 15 Alben herausgebracht. Dabei waren viele Hits, Top-10-Platzierungen und sie gewann renommierte Preise wie beispielsweise den «Prix Walo». Begleitet wurde Sina am Samstagabend von bekannten Namen wie Adrian Stern oder Jean-Pierre von Dach an der Gitarre. Aber auch Gitarrist Martin Buess, Bassist Michael Chylewski, Schlagzeuger Arno Troxler und die Bläserfraktion mit René Mosele an der Posaune und Trompeter Dave Blaser unterstützten die Sängerin tatkräftig. Der Auftritt und die Klänge hatten am Samstagabend etwas Magisches. Obwohl bald der Frühling naht, hatte Sina eine Weihnachtsbäckerei eröffnet, in welcher es plötzlich musikalische Zimtsterne von der Kammgarndecke regnete.

Ihr aktuelles Album «Ziitsammläri» spielte am Samstagabend die Hauptrolle. Sie hatte es während der Corona-Pandemie geschrieben, weil sie aktiv gegen den drohenden kulturellen Stillstand ankämpfen wollte. Einer der schönsten und passendsten neuen Songs ist dabei «Fär wer soll i singu». Ursula Bellwald, wie Sina mit bürgerlichem Namen heisst, erzählt dabei von einem ganz besonderen Freund. Er war mit 40 Jahren an Demenz erkrankt und seine Erinnerungen waren immer mehr Zerfallen. Im Lied schafft es Sina, bei ihm einen Funken Erinnerung aufflackern zu lassen. Ein schönes Statement und eine noch schönere Reminiszenz. Ein guter Kontrast zu diesen besinnlichen Inhalten waren etwa Songs wie «T-Shirt», bei welchem sie ein besonders liebgewonnenes Kleidungsstück besang und es trotz Alterserscheinungen nicht hergeben wollte.  Sina hatte bei «Ziitsammläri» mit verschiedenen bekannten Autoren und Schriftstellern zusammengearbeitet. Beispielsweise mit Franz Hohler oder Sibylle Berg. Sie schrieben ihr die Texte und Sina wandelte sie sodann in ihre einzigartige Musik um. In der Kammgarn flogen Sina am Samstagabend die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer zu. Für einmal war Walliserdeutsch im Kulturclub am Rhein Amtssprache. Der Abend endete genauso harmonisch, wie er begonnen hatte.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 6. März 2023.

Der Soul-Onkel mit der frechen Fliege

Am Mittwoch spielt Ben «L’oncle Soul» in der Kammgarn. Er dreht die Hitparade durch den Soulmixer und will, dass die Leute mit ihm feiern. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Schaffhausen? Ich habe nie davon gehört. Im Internet sahen die Bilder des Städtchens aber ziemlich schön aus», antwortet der Franzose Ben Duterde auf die Frage, ob er schonmal in der Munotstadt gewesen sei. Ben nennt sich «L’oncle Soul» und hat in seinem Studio nicht nur viele Instrumente, sondern auch einen Soulmixer stehen. Gnarls Barkley, «Barby Girl» oder «I kissed a girl” von Katy Perry spielte er schon in fetzigen Soulversionen. Seinen Durchbrauch feierte er aber 2010 mit einer souligen Coverversion des Songs «Seven Nation Army» von den White Stripes.

Überraschung am Konzert

Wer jetzt aber denkt, Ben L’oncle Soul schmücke sich nur mit fremden Federn, liegt ganz falsch. Mit «Red Mango» hat er mittlerweile sein sechstes Album mit vielen eigenen Liedern herausgebracht. «Ich spiele Musik, die von Soul sowie R’n’B inspiriert ist. Besonders die 60er-Jahre haben es mir angetan», erklärt er. Wer aber an schon einmal an einem Auftritt vom Soulonkel war, der stellt überrascht fest: Die Lieder klingen fast nie wie auf dem Album. «Ich liebe es, den Sound meiner Seele und meine aktuelle Stimmung in allen Facetten auszuleben. Ich halte mich nicht an Regeln, sondern spiele die Songs, wie ich mich gerade fühle.» L’oncle Soul kann man klanglich fast schon mit den «Motown Classics» in einen Topf werfen. Er klingt ein bisschen wie Otis Redding, Aretha Franklyn oder Ray Charles. Seine grosse Inspirationsfiguren waren jedoch auch Stevie Wonder und Al Green.

Politik nicht inspirierend

Soul als Musikrichtung entwickelte sich aus der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik Ende der 1950er Jahre. Taktgeber waren Gospel sowie Rhythm and Blues. Die Musik hatte aber nicht nur eine entspannende, sondern in den 1960er-Jahren auch eine wichtige politische Komponente. Soul ist eng verknüpft mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, welche sich gegen die Rassentrennung in den USA wehrte. Aktivisten wie Martin Luther King setzen sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen ein. Die Rede «I have a dream» aus dem Jahr 1963 war damals und heute weltberühmt. Fragt man Ben L’oncle Soul zum Thema Politik, winkt er jedoch ab. «Ich finde Politik für die Musik nicht wirklich inspirierend. Ich bevorzuge die Poesie, die Malerei oder einen Abend mit guten Freunden.» Der Künstler erklärt, dass seine Musik nicht zum Hauptziel habe, die Welt zu verändern. «Ich schreibe Texte, weil ich die Musik liebe und mir das viel zurückgibt. Das genügt mir völlig.» Seine Lieder seien immer emotional. «Das ist das Beste, was dir Musik geben kann.»

Religion und Schokolade

Auf dem neuen Album von Ben L’oncle Soul ist aber dennoch ein Lied, das aufhorchen lässt. Bei «Is it you?» fragt sich der Künstler, ob Gott existieren. «Bei diesem Text schaue ich mich um. Ich sehe Farben, die Natur und sage mir, dass es doch ein Irrsinn sei, dass jemand das alles erschaffen habe. Die Welt ist wunderschön. Und deshalb spielt es gar keine Rolle, ob sie einfach so entstanden ist oder ein Schöpfer dahintersteht. Man soll die Natur einfach geniessen, so wie sie ist.» Ein ganz anderes Lied von Ben Duterde sorgte 2012 übrigens ebenfalls für Furore. Es liess die Zuhörer jedoch auf eine ganz andere Art aufhorchen: Sein Song «Petite Soeur» wurde für den TV-Werbespot von Duplo verwendet.

Neue Sphären

L’oncle Soul macht auf seinem neuen Album nun auch Ausflüge in den Reggae und Rocksteady. Doch seine Basis ist und bleibt Soul sowie R’n’B. Die Coverversion von William Bell namens «I forgot to be your lover» ist dafür ein gutes Beispiel. In den aktuellen Charts ist Ben derzeit der Soulbrother number one. Wenn er in der Kammgarn sodann noch sein Markenzeichen – eine Fliege – trägt, dann wird ihn nichts mehr aufhalten können. «Ich hoffe, die Schaffhauser zeigen Emotionen und haben Lust zu tanzen», freut er sich. «Ich möchte in der Kammgarn jede Menge Spass haben.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 13. Februar.

Poetryslam: Plötzlich rappte der ganze Löwensaal

Am 3. Provinzslam im Löwensaal in Andelfingen texteten, reimten, sangen und überraschten fünf Slammerinnen das Publikum am Laufmeter. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Heute könnt ihr die Regeln in den Müll werfen», freute sich Moderatorin Rahel Fink. Den Gästen im Löwensaal hatte sie noch kurz zuvor die Regeln an einer typischen Poetryslam-Veranstaltung erklärt. Doch beim 3. Provinzslam in Andelfingen handelte es sich eher um eine Poetry-Show als um einen Slam. Unter dem Motto «Sisters of Slam» traten drei Poetinnen und eine Musikerin zusammen mit der Moderatorin auf. «Im Knock-Out-System bei Poetryslams fliegen immer wieder Kandidatinnen und Kandidaten hinaus, von welchen man gerne mehr gehört hätte», erklärte Rahel Fink die Idee der Veranstaltung. «Um dem entgegenzuwirken, werden wir deshalb heute von allen zwei Texte hören und niemand muss von der Bühne.»

Bildlegende:
Der Poetinnenrat mit Sarah Anna Fernbach, Annika Biedermann, Jessy James LaFleur, Rahel Fink und Eva Niedermeier (v.l.n.r.) rockte die Bühne in Andelfingen. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Falten und Spinnen

Nachdem Eva Niedermeier den Anlass mit einem Song eröffnete hatte, startete Rahel Fink in ihrer Doppelfunktion als Moderatorin und Slammerin mit dem ersten Text. Ihre Zeilen trugen den Titel «Falten». Sie erklärte darin den Gästen, dass jedes Gesicht eine Geschichte erzählt. Egal ob vom Nachdenken über die Weltpolitik oder beim provokativen Anlächeln eines SUV-Fahrers, jedes Erlebnis ergibt eine Gesichtsfalte. «Inspiriert für diesen Text wurde ich übrigens dadurch, als ich mein erstes graues Haar fand», berichtete sie lachend. Im Anschluss verblüffte Sarah Anna Fernbach die Zuhörer. Ihr Tempo, ihre Reime, ihre Tiefsinnigkeit und das kreative Sprachspiel zog einem sofort in den Bann. «Wenn du heute sterben würdest, könntest du damit leben?», fragte sie rhetorisch. Sie amüsierte sich darüber, dass Frauen beim Duschen eine Vielzahl von Düften und Aromen benutzen, Männer hingegen einen Allzweckreiniger in einer Mischung aus Stahl, Beton und Natronlauge verwendeten. Seitenhiebe gab es auch gegen den Fitnesskult und man erfuhrt von ihrer Spinnenphobie. «Beim Workout sehe ich aus wie eine Süsskartoffel», gestand sie und beschwerte sich, dass Spinnen 10 Centimeter über ihrem Bett und über ihrem Kopf nichts verloren hätten.

Mehr Drachentöterinnen

Annika Biedermann nahm die Zuhörer mit auf eine philosophische aber auch amüsante Reise durch ihr unaufgeräumtes Wohnzimmer. «Wenn mein Zimmer für dich schon Chaos ist, dann warte, bis du in meinen Kopf schaust», konstatierte sie. «Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich aufgeräumt», sagte sie zuerst, verneinte es jedoch im Verlaufe des Textes. Ihr «Sturm-und-Drang»-Charakter müsse sich emotional und kreativ ausleben. Eine Ordnung wäre dabei hinderlich und anstrengend. Dennoch schlug sie zum Schluss versöhnlich vor, dass man doch gemeinsam aufräumen könnte. «Ich bin hier, um Stress zu machen», versprach schlussendlich Jessy James LaFleur. Sie kritisierte stereotype Rollenbilder im Märchen. Frauen hätten keine Lust darauf, gerettet und erlöst zu werden. «Ich will keinen Stalker, der im ganzen Land meine Füsse sucht, um mir Glasschuhe anzuziehen», nahm sie die Geschichte von Aschenputtel aufs Korn. Sie gestand jedoch ein, dass sie den 100-jährigen Schlaf von Dornröschen manchmal gut gebrauchen könnte. Für sie war klar, dass es in Märchen mehr Drachentöterinnen und mehr Piratinnen brauche. Zudem solle man weibliche Leserinnen dazu animieren, sich auf keinen Fall für einen Mann oder für die Gesellschaft zu verändern. «So wie du bist, ist es richtig», forderte die Slammerin und bilanzierte: «Die nächsten Märchen bestimmen wir selbst und sie sind noch längst nicht fertig geschrieben.» Es folgten weitere schöne, aber auch traurige Lieder von Eva Niedermeier. Die Slammerinnen kritisierten danach die Geheimnistuerei beim Thema Lohn, die Korruption im Fussball oder das Microsoftprogramm Excel. Der 3. Provinzslam war vielfältig und gelungen. Doch das Highlight des Abends war sicherlich der zweite Auftritt von Jessy James LaFleur. Sie inszeniert spontan zusammen mit der Gitarristin einen Rapsong namens «City of Soul». Sie brachte die Besucher dabei zum Mitsingen und Mitklatschen. Ihr Auftritt hatte Power und einen dickem Flow. Die Überraschung war gelungen und sie meinte zum Schluss: «Andelfingen, ich nehme euch mit auf Tour. Ich habe Tränen in den Augen.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 30. Januar.

Horror-Kuh und Westernheld in Barzheim

Beim Theatersport vom Freitag- und Samstagabend in der Kammgarn war das Publikum Regisseur und eine kleine Schaffhauser Gemeinde wurde zum Running-Gag.

Foto: Jeannette Vogel

Einmal im Jahr lädt das Theater Schauwerk in die Kammgarn zum grossen Theatersport-Event. Dabei treten zwei Schauspieler-Teams gegeneinander an, welche im Vorfeld weder Drehbuch noch Inhalt ihrer Stücke kennen. Dies wird vom Publikum bestimmt und die Künstler inszenieren danach ein Kurztheater mit den gewünschten Zutaten. Moderiert wird das Ganze von einem Schiedsrichter und zum Schluss jeder Runde wird abgestimmt mittels roter und blauer Karten, welche Formation kreativer, frecher oder lustiger gespielt hat. Die Veranstaltung ist bei den Schaffhausern sehr beliebt und sorgte für ein ausverkauftes Haus an beiden Abenden mit insgesamt 570 Besuchern. Am Freitagabend traten vom Team «Improphil» aus Luzern Reto Bernhard und Randulf Lindt gegen ihre Herausforderer «Improtheater» aus Konstanz Britta Lutz und Roberto Hirche an. Am Samstagabend gab es einen thematischen Theatersport mit dem Thema Natur. Anlass war das 50-Jahr-Jubiläum des WWF Schaffhausen. Unterstützt wurden die Künstler von der dreiköpfigen Pocket-Band.

Bildlegende: Bollywood-Show in der Kammgarn am Theatersport-Event. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier. Foto: Jeannette Vogel)

Vom Mond in die Kirche
Das erste Spiel am Freitagabend nannte sich «Stop’n’Go», bei welchem von den vier Schauspielern möglichst unterschiedliche Kombinationen und stetig wechselnde Schauplätze und Szenen gefordert waren. Das Publikum gab als Vorgabe, dass die Szene auf dem Mond beginnen sollte, ein Zahnarzt musste vorkommen und jemand musste als Hobby Wrestling-Kampfsport betreiben. Die Szenen nahmen überraschende Wendungen mit Schwangerschaftsgymnastik, einem Reggae-Song, Hantelstemmen im Fitnesscenter und schlussendlich endete die Darbietung mit einem «Ave Maria» in der Kirche.

Barzheim als Highlight
«Für die nächste Szene brauchen wir einen Ort, den man in Schaffhausen kennen müsste», fragte der Moderator. «Rheinfall», «Lindli» und «Barzheim» wurde gerufen. Die Theatertruppe entschied sich für das kleine Dorf Barzheim und musste unter grossem Gelächter der Gäste zunächst eine gewöhnliche Alltagssituation in Barzheim spielen. Diese sollte dann von Hollywood neu verfilmt werden. Das Publikum wünschte sich dafür ein Remake als Horrorfilm, als Bollywood-Tanzfilm und einen Western. Es folgte nun Szenen, wie es sie wohl in Barzheim noch nie gegeben hatte. Eine blutrünstige Kuh zog eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt, eine fröhliche Bollywoodtruppe sang auf dem Marktplatz so mitreissend, dass sogar das Rindvieh die Hüften kreisen liess und zum Schluss lehrte ein Revolverheld die kleine 174-Seelen-Gemeinde das Fürchten. Die Darbietung war so gelungen, dass es viel Zwischenapplaus gab und bereits die erste La-Ola-Welle des Abends. Barzheim entwickelte sich sodann zum Running-Gag und wurde immer wieder einmal humorvoll in die Aufführungen eingebaut.

Laser-Schwert im Kindergarten
Das Highlight am Freitagabend war sicherlich die Runde mit dem Titel «Lieblingsspiel». Luzern brauchte einen Protagonisten für ein Märchen. Komplett in Versform gereimt spielten sie sodann eine romantische Komödie mit einem verwirrten Zwerg und einem zweiköpfigen Drachen, bei welcher ein Burg-Fräulein befreit werden musste. Konstanz hingegen teilte das Team. Roberto erfand zusammen mit dem Publikum eine Story. Britta wartete vor der Türe und musste danach erraten, wie ein Kindergartenlehrer mit einem Laser-Schwert bewaffnet zur Arbeit ging, das ertrinkende Kind im Aquarium jedoch von einer Kaulquappe gerettet wurde. Der Clou dabei, Roberto erzählte ihr die ganze Geschichte auf Kauderwelsch-Russisch und in Zeichensprache. Der Saal kugelte sich vor Lachen und staunte mit offenen Mündern, als Britta tatsächlich die ganze Geschichte erraten konnte. Viele weitere kreative Spiele und sogar eine Zugabe folgten. «Wir hatten zwei hochkarätige Abende und eine super Stimmung», bilanzierte Katharina Furrer vom Schauwerk zum Schluss erfreut.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. Januar 2023.

Der Liftboy verblüffte die Kafka-Fans

Am Dienstag überraschte das Stadttheater Schaffhausen das Publikum, indem der sonst so düstere und traurige Franz Kafka humorvoll inszeniert wurde. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

«Mein Dienst ist lächerlich und kläglich leicht (…), ich weiss nicht, wofür ich Geld bekomme.» Franz Kafkas Klage über seine Anstellung bei der «Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt» konnte man immer auch humorvoll verstehen. Er bezeichnete seinen Beruf als «Brotjob» und fand seine wahre Passion im literarischen Schreiben. Werke wie «Die Verwandlung», bei welchem ein Handelsreisender sich in einen Käfer verwandelt oder «Der Process», bei welchem ein unbekanntes Gericht einen Herrn einer unbekannten Tat beschuldigt, machten den Autor berühmt. Weniger oft auf den Bühnen gespielt wird hingegen das Buch «Amerika (Der Verschollene)», welches am Dienstag im Stadttheater von der Württembergische Landesbühne Esslingen (WLE) aufgeführt wurde. «Bei Kafka leidet man oft als Zuschauer», erklärte Knut Spangenberg beim Theatergespräch vor Vorstellungsbeginn. «Uns gefiel, dass das Buch Amerika für einmal zum Schmunzeln einlädt und ein wenig an Charlie Chaplins Film «Modern Times» mit der Zahnradszene erinnert.» Am Dienstagabend schlitterte der Protagonist Karl Rossmann von einer vertrackten Situation in die nächste. Chaplins Zahnräder waren jedoch nicht aus Metall, sondern zeigten sich als Metapher bei den Mitmenschen von Rossmann. Er schien gefangen in einem Labyrinth von äusseren Zwängen, die er nicht beeinflussen konnte. Die perfekte Beschreibung für die kafkaesken Situationen, in welche Kafkas Figuren immer wieder hineingeraten. Der Protagonist Karl Rossmann hatte eine Affäre mit seinem Kindermädchen und nach ihrer Schwangerschaft flüchtete er nach Amerika. Einerseits aus Angst vor der familiären Schande, andererseits, um keine Alimente zahlen zu müssen. Nur zu gerne hätte er dort einen bürgerlichen Beruf angenommen, doch es wird ihm ein Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine geworfen.

Foto: Jeannette Vogel. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Die Peripetie erreicht das Stück, als seine Karriere als Liftboy in einem Edelhotel scheiterte. Es stellte nicht nur der Wendepunkt in seinem möglichen bürgerlichen Aufstieg dar, sondern war auch ein humoristisches Highlight für Kafka-Kenner. Das telefonische Streitgespräch zwischen der Oberköchin und Rossmanns Vorgesetzten sorgte für ungewohnte hochgezogene Mundwinkel. Das Esslinger Ensemble warf zudem spannende Interpretations-Scheinwerfer auf die Figur des Randständigen Robinson: Vom Saboteur zur moralischen Stütze für Rossmann. Aber auch auf die Schlusszene im «Oklahoma Theater». Kafkas Fragment lässt den Ausgang offen. Auch der Tod Rossmanns scheint denkbar. Am Dienstag jedoch wurde er vom neuen Arbeitgeber endlich mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Humor und Happy End? Absolut untypisch für Franz Kafka. Für den Theaterbesucher jedoch ein überraschendes und spannendes Erlebnis.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten am 19. Januar 2023. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Bierdusche bei der Plattentaufe von „Purple Headspace“

Im „Klub 8“ in Schaffhausen taufte am Freitagabend die Band „Purple Headspace“ ihre neue CD. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Der Abend begann ganz harmlos und endete in einem kochenden Partykessel. Die Schaffhauser Band Purple Headspace hatte in den Klub 8 geladen, um ihre neue Scheibe namens «The art of ruining evertythin» zu taufen. Zuerst füllte sich der Klub 8 verhalten mit Besuchern, doch plötzlich war der Raum voll mit tanzhungrigen Gästen, welche von der Vorband «Kugelwal» deftig aufgemischt wurden. Die Band war wie ein musikalischer Schneepflug, der alles überfuhr, was sich ihm in den Weg stellte. Das Duo war nur mit Bass und Schlagzeug ausgerüstet, doch die zwei Instrumente hatten viel Power und die selbstironischen Songs animierten zum Mitsingen. Besonders ein Lied, bei welchem es um ein Spanferkel ging. Danach erklang das Intro der Filmreihe «Star Trek» und Purple Headspace enterte die Bühne. Das Trio startete mit Gitarre, Bass und Schlagzeug etwas ruhig, doch es braute sich ein Unwetter zusammen und beim dritten Song brach das Gewitter aus. Es donnerte und blitzte heftig. Der Sänger zog das T-Shirt aus und die Leute tanzten wilden Pogo vor der Bühne. Es erklang ein wilder Mix aus Punkrock, Grunge, Psychodelic-Rock und Stonerrock. «Unsere Musik hat extremen Punch und Energie», erklärte Drummer Loris Brütsch. «Wir überraschen gerne und die Songs verlaufen nie 0815-mässig.» Und er sollte recht behalten. Das Gewitter verwandelte sich in einen Tanz-Tornado und erlebte seinen Höhepunkt, als das Trio mit einer Bierdusche die neue Scheibe feierlich tauften. «Es war genial», sagte Dogukan Karatas vom Klub 8 – Team. «Wir möchten unser kulturell vielfältiges Programm zeigen und freuen uns sehr, dass Purple Headspace als erste Band im neuen Club so einen tollen Start aufs Parkett gelegt hat.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Dienstag, 3. Januar 2023.

Wenn der Professor plötzlich Party macht

Die Band «Professor Wouassa» lädt am Freitag zu heissen Afrobeats und setzt damit einen Gegenpunkt zur besinnlichen Weihnachtsstimmung. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

Da würden sich die Studenten wundern, wenn im Vorlesungssaal plötzlich Partystimmung ausbrechen würde. Doch genau diesen Plan verfolgt Professor Wouassa am kommenden Freitagabend. Kollektive Euphorie statt PowerPoint-Folien. Lockeres Zuprosten an der Bar anstelle von prüfungsrelevanten Notizen, die man anfertigen muss. Auf dem Lehrplan stehen keine Vorlesungen und Seminare, sondern lediglich das Wort «Tanzstimmung». Alles in allem ein vielversprechendes Konzept, welches die TapTab-Universität ihren Studenten, äh Pardon, ihren Gästen bieten wird. Am Freitagabend wird nicht gebüffelt, sondern gefeiert.

Wilder musikalischer Mix

Die Band «Professor» Wouassa wurde 2003 in Lausanne gegründet und seither jagt ein Erfolg den nächsten. Mit Afrobeats als Basis und ein wilder Mix aus Ethno-Jazz, Rumba, Salsa, Funk und vielen afrikanischen Musikrichtungen aus Ghana, Sénégal, Kongo und Nigeria ist eines ganz klar: «Wir haben unseren ganz eigenen Musikmix, den man so bei keiner anderen Band auf dem Globus hört», sagt Gilles Dupuis von Professor Wouassa. Die Band spielte bereits an Grossveranstaltungen wie dem Cully Jazz-Festival, dem Paléo Festival oder der Winterthurer Musikfestwochen.

Ewige Liebe und defekte Computer

Doch wie um alles in der Welt kommt man zu einem Bandnamen wie Professor Wouassa? «Da steckt eine witzige Story dahiner», erklärt Gilles Dupuis. «Wir haben in unseren Briefkästen immer wieder Visitenkarten gefunden, auf denen irgendwelche Wunderheiler die ewige Liebe oder unermesslichen Reichtum versprochen haben. Manchmal ging es aber auch um ganz banale Dinge wie die Reparatur von defekten Küchengeräten und Computern. Die Namen auf diesen Visitenkarten waren manchmal sehr dubios und ausgefallen. Eine der Karten war mit Professor Wouassa angeschrieben. Als wir dann einen Bandnamen suchten, fiel uns wieder diese Geschichte ein.» Wer nun aber denkt, in den Songs von Professor Wouassa gehe es ebenfalls nur um die ewige Liebe und um defekte Küchengeräte, der irrt sich glücklicherweise gewaltig. «Wir rufen in unseren Liedern dazu auf, dass die Menschen wieder mehr Rücksicht aufeinander nehmen, dass man teilt, tolerant und offen ist. Kurzum, die Welt soll ein besserer Ort werden», so Gilles Dupuis. «Das ist nicht unbedingt politisch gemeint, denn wir fühlen uns keiner Partei zugehörig. Eine gesunde Portion Gesellschaftskritik haben wir uns aber durchaus auf die Fahnen geschrieben.» Zu finden ist dies beispielsweise beim Song «Confined People», bei welchem ein dicker Afrobeat auf einen feinen und poetischen Text trifft, der ganz dezent aber inhaltsstark die heutige Welt kritisiert.

Songideen beim Soundcheck

Interessant ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Entstehungsweise von Songs der Band. «Wir jammen und improvisieren sehr oft. Dabei kommen wir immer wieder auf Ideen für neue Lieder», erklärt Gilles Dupuis». «Meisten können wir das Jammen auch während dem Soundcheck nicht lassen. Es kommt dabei immer wieder vor, dass uns ein Erlebnis oder eine Begegnung vom Veranstaltungsort inspiriert.» Er könne daher nicht ausschliessen, dass vielleicht auf einer der nächsten Scheiben von Professor Wouassa sogar ein Musikstück sein wird, das von Schaffhausen handelt. Andere Inspirationsquellen sind auch Vorbilder der Band wie etwa Papa Wemba, Manu Dibango oder Fela Kuti und Tony Allen. Das Publikum im TapTab darf also gespannt sein, welches leckere Gericht die Köche von Professor Wouassa servieren werden. «Wir hoffen auf ein zahlreiches Erscheinen und können euch schon jetzt eines versprechen“, freut sich Gilles Dupuis: „Das Konzert wird kein gemütlicher Spaziergang am Genfersee, sondern eher eine tobende Wildwasserfahrt auf dem schäumenden Rheinfall. Das Wasser wird brodeln und die Tanzfläche wird brennen.» Wer danach immer noch Energie hat, für den steht DJ Shalaby an den Turntables bereit.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 19. Dezember.

Jamaikanische Dampflokomotive mit Sonnenbrille

Die Reggea-Dancehall-Queen Tanya Stephens brachte am Samstag Party und coole Vibes in die Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Stimmgewaltig heizte Tanya Stephens ein. (Foto: Hans-Rudolf Werner, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Are you ready?», wollte Tanya Stephens am Samstagabend in der Kammgarn wissen, als sie die Bühne betrat. Laute Jubelschreie schalten ihr entgegen. Das Publikum war bereit für eine deftige Portion Reggaemusik aus Jamaika. Als Vorband hatte NaÏma Bereté eingeheizt. Die One-Woman-Show kam ganz ohne Support und Band nach Schaffhausen. Nur mit Gitarre und sattem Offbeat unterhielt sie das Publikum. Das war oft gemütlich und locker, zwischendurch aber auch mitreissend und cremig wie eine Glace in der Sonne. Mit ihren Songs wie «Strong Woman» wollte sie aber nicht nur unterhalten, sondern sprach auch gesellschaftliche Themen an und machte sich für die Gleichberechtigung stark. Kurz vor 22 Uhr war es sodann Zeit für die Reggae-Queen Tanya Stephens. Mit Sonnenbrille und riesigem Afro eröffnete sie das Konzert und drückte sogleich aufs Gaspedal. Die jamaikanische Dampflokomotive fauchte, zischte und groovte, bis auch der letzte im Saal in Tanzstimmung geriet. Der Partyzug sauste über die Schienen, als ob es einen Weltrekord zu schlagen gäbe. Der einzige Bahnhof hiess Schaffhausen, ansonsten wurde die Fahrt mit vollem Tempo fortgesetzt. «It’s a pleasure to be here», freute sich die Musikerin. Derzeit ist sie mit ihrem Album “Some Kinda Madness” auf Tour und machte damit in der Kammgarn halt. Sie gilt als Reggae-Dancehall Urgestein und steht seit knapp 33 Jahren auf der Bühne. 200 Songs hat sie bisher veröffentlicht und sie schien kein bisschen müde zu sein. Lediglich die Schweizer Kälter machte ihr ein bisschen zu schaffen. Sie komme direkt aus Jamaika und müsste sich in der europäischen «Kälte-Hölle» zuerst ein bisschen akklimatisieren. Dafür brauche sie die Unterstützung des Publikums, damit man den karibischen Sommer an die Baumgartenstrasse hole. Die Besucherinnen und Besucher erfüllten ihr den Wunsch sehr gerne und gaben alles, damit die Kammgarnhalle Feuer fing. «Ich fühle mich wie in den Sommerferien», freute sich Gast Elma Bärtschi. «Das Konzert ist mega», lobte auch Besucherin Nina König. Der Auftritt war musikalisch tatsächlich mit einem Ferientag am Strand vergleichbar. Locker und gemütlich entspannte man sich beim fetzigen Reggaesound am Pool. Man genoss kühle Cocktails und schaute aufs Meer hinaus. Anstatt Sonnenbrand gab es allerdings Muskelkater in den Tanzbeinen. «Tonight we have peace and love», rief Tanya Stephens in die Menge. Für einen kurzen Moment wurde sie politisch und wünschte sich, dass alle Menschen auf der Welt Frieden haben können. Mit ihrem Hit «It’s a pitty» und einigen Zugaben endete der Abend und sie bilanzierte passend zum Schluss: «Love ist he answer!».

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 7.12.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Eine rasante Reise mit dem Techno-Raumschiff von Pablo Nouvelle

Am Samstagabend kombinierte Pablo Nouvelle Techno und Visuals zu einem mitreissenden Event im Taptab. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende:
Pablo Nouvelle rockte am Synthesizer die Stimmung im TapTab. (Foto: Phillip Schmanau, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Im TapTab waren am Samstagabend Augen, Ohren und Tanzfüsse gefordert. Das Techno-Raumschiff von Pablo Nouvelle hob zu einem abenteuerlichen Flug ins Weltall ab. Die Rundreise im musikalischen Kosmos führte über Soul, Pop und basslästige Klänge. Pablo Nouvelles Musikstil war ein stetiger Mix aus gemütlichem Spaziergang auf dem Mond und gnadenlos geführtem Krieg der Sterne. Man wurde nicht nur zum Träumen, sondern auch zum Raven verführt. Eine einzigartige Kombination. Eingewärmt hatte zuvor das TapTab das Duo ENL. Der Begriff steht für die Aussage «Es nervt langsam» und ist genauso selbstironisch gemeint wie die Mehrheit der Texte. Das sympathische Zweiergespann brachte Mundart-HipHop an die Baumgartenstrasse. Manchmal wild, manchmal zornig, aber immer mit einem Augenzwinkern und harten Beats. Die Songs trugen Namen wie «Wurst» oder «Lustvoll sterben». Auffällig war auch das Outfit von ENL. Eine Mischung aus Warnweste und Tankstellen-Hemd, was ein weiteres Ausrufezeichen dem Auftritt der Band hinzufügte. Zum Abschluss sangen sie «Männer» von Herbert Grönemeyer und liessen die Gäste mit vielen Fragen aber auch mit einer ordentlich geweckten Tanzstimmung zurück. Nach einer kurzen Umbaupause war sodann die Stunde von Fabio Friedli alias Pablo Nouvelle gekommen. Mit Gitarrist und Schlagzeuger als Support stieg er zunächst gemütlich ein. Im Zentrum des Trios stand nicht der Gesang oder eine kreative Bühnenshow, sondern ein schlichtes Gerät namens OB-6. Der analoge Oberheim-Synthesizer sah zwar harmlos aus, aber war als Leadinstrument verantwortlich für den Hauptteil der Klänge des Abends. Ihm entlockte Pablo Nouvelle immer wieder neue Kreationen und weitere Stationen, welche das Techno-Raumschiff ansteuern konnte. Beeindruckend am Samstagabend war jedoch nicht nur die Musik, sondern auch, was sich auf den drei Leinwänden hinter der Band abspielte. Die Visuals der Musiker unterstützten den Sound perfekt. Es waren Gesichter zu sehen, welche mit einzelnen Wörtern eine Art Sprechgesang der Band hinzufügten. Es blitzte, flackerte, donnerte und rumpelte mit bunten Farben, grellem Licht und vielem mehr. Eine Achterbahnfahrt fürs Auge, bei welcher es Loopings am Laufmeter gab. Pablo Nouvelle ist ein vielseitiger Musiker, der 2016 sein erstes offizielles Album «All I Need» veröffentlichte. Schon zuvor war er vom renommierten Mixmag für seine Eigenveröffentlichung «You Don’t Understand» mit dem Label «essentiell» gelobt worden. Die zwei Scheiben sorgten für Aufmerksamkeit, worauf Pablo Nouvelle zu einer ersten Europatournee aufbrach. Später besuchte er auch Südafrika, Mosambik und Swasiland und veröffentlichte 2018 das Album «Wired». 2019 unternahm er einen Ausflug in die Klassik mit «Piano Pieces» und auf der Scheibe «Eliso Lyamu Katata» sampelte er alte afrikanische Songs aus den 50er-Jahren. Die Reise ging weiter in den Trip-Hop mit dem Album «Atlas Internet Cafe» und nun machte er im TapTab mit dem Album «Vulnerability» Halt. Die Besucherinnen und Besucher erlebten auf der Tanzfläche keine Partyeskalation, es fühlte sich eher nach einer warmen Umarmung an. Die Musik hatte jedoch einen ständigen Zug, der zum Abgehen und Mitfeiern animierte. Pablo Nouvelle schaffte es, dass innert kurzer Zeit der ganze Saal feierte und seine Musik genoss. Nach diesem rasanten Flug durchs Weltall landete das Raumschiff schlussendlich wieder sicher auf der Erde.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 28. November in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

Horrorshow trifft auf Schwermetall

Die finnische Band Lordi brachte dampfende Heavy Metal – Musik und ein Hauch Horrorshow am Freitagabend in die Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Die Zombies und Monsters von Lordi heitzten ein. (Foto: Michael Kessler, Bericht Hermann-Luc Hardmeier)

Was für eine Ehre! Die finnische Band Lordi besuchte am Freitagabend die Kammgarn. Jene Band, die 2006 den Eurovision Song Contest gewonnen hatte und seither auf den grossen Bühnen Europas und der Welt haltmachte. Schaffhausen ist zwar eine Schuhnummer kleiner, aber dafür feierten das Publikum die Finnen, wie wenn der FCS an jenem Abend Schweizermeister geworden wäre. Optisch gesehen war das Konzert aber alles andere als eine schwarz-gelb feiernde Fankurve. Im Gegenteil, es sah grässlich und geradezu angsteinflössend aus. Unter lauten Jubelrufen und Applaus betrat eine Horde von Zombies und Monster am Freitagabend die Bühne an der Baumgartenstrasse. Die Gesichter war so gruselig geschminkt und entstellt, dass Horrorbuchautor Stephen King vor Freude sicherlich Luftsprünge gemacht hätte. Die Finnen mögen in den Klischees von manchen als scheue Einzelgänger gelten, die den ganzen Tag in der Sauna sitzen und dabei Bier trinken. Doch weit gefehlt. Ausser vielleicht die Geschichte mit dem Bier; denn der Gerstensaft sprudelte am Freitagabend intensiv in der Kammgarn. Die finnische Band hatte für ihre Emotionen keinen Kühlschrank, sondern eine mit Starkstrom aufgeladene Dampfwalze dabei. Die Wucht, Power und Energie ihrer Hardrocklänge fegten auch den letzten Tanzmuffel aus den Socken. Ihr musikalischer Mix bewegte sich zwischen dem Schwermetall von Bands wie Kiss, Alice Cooper oder W.A.S.P. der 80er-Jahre, aber auch elektronische Klänge gehörten zum Repertoire. Der spezielle Lordi-Dampfhammer schmetterte 2006 die Konkurrenz in Grund und Boden. Mit dem Song «Hard Rock Hallelujah» gewann die Band den Eurovision Song Contest für ihr Heimatland Finnland. Der Sieg war rückblickend nicht nur für die Musiker, sondern auch für die finnische Musikszene ein Katalysator. Am Freitagabend riss die Band sodann die Gäste mit der Abrissbirne ins Wochenende. Songs wie «It snows in Hell» oder «Demon Supreme» sorgten für mächtig Stimmung. Bei «Abracadaver» griff der Sänger sogar zu einer riesigen Kreissäge und bedrohte damit scherzhaft die Gäste. Bei «Down with the devil» schwenkte er einen dampfenden Totenkopf mit rot leuchtenden Augen durch die Luft. Ganz grotesk wurde es, als die Keyboarderin sich als Nonne verkleidete und ihr das Herz aus der Brust gerissen wurde. Die Gäste waren vorwiegend in schwarz gekleidet und hätten sich die düstere Tracht zwischendurch am liebsten vom Leibe gerissen, sich gegenseitig die Haare zerzaust, Tabasco gleich literweise getrunken und abgetanzt, bis die Tanzschuhe glühten. Ja, der Sound von Lordi war laut und heftig. Und ja: Ohne Oropax war man verloren. Aber trotzdem feierte die Munotstadt mit den Finnen ein wildes Fest, das keine Berührungsängste kannte. Als Zombies werden Menschen bezeichnet, die scheinbar verstorben sind und plötzlich wieder zum Leben erweckt werden. Verstorben war im Vorfeld glücklicherweise niemand, aber die Seelen und Herzen der Besucher wurden definitiv und intensiv von Lordi mit Leben geflutet.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 14.11.2022.