Der Kuschelbär zeigte zwischendurch seine Krallen

Sänger Seven spielte am Freitagabend in der Kammgarn in Schaffhausen und erwärmte die Herzen der Zuhörer. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier

„Schaffhausen, habt ihr Bock?“, wollte der Künstler Seven gleich zu Beginn seiner Show wissen und lauter Jubel von den fast 500 Besuchern schallte ihm entgegen. Die Stimmung in der Kammgarn war bombastisch. Den musikalischen Abend eröffnete Sängerin Chiara Castelli. Nur in Begleitung eines Gitarristen spielte sie ein musikalisches Set, das es in sich hatte. 2014 hatte die Musikerin als 14-Jährige bei „The Voice Kids“ mitgemacht und ist nun erstmals auf Tournee mit Seven. Mit ihren Songs wie „No time to cry“ oder „Road Runner“ überzeugte sie mit ihrer wunderbaren Stimme die Besucher. Nach ihrem Auftritt wurde die Kammgarn ganz dunkel. Vor der Bühne war ein riesiges weisses Tuch gehängt und nur eine Keyboarderin war zu sehen. Seven begann zu singen, doch der Star des Abends war nirgends zu erblicken. Plötzlich verriet ein grelles Scheinwerferlicht seinen Standort auf der Treppe inmitten des Publikums. Gemütlich spazierte er unter grossem Beifall Richtung Bühne. Die Überraschung war mehr als gelungen. Nun fiel auch der Vorhang und die siebenköpfige Band kam zum Vorschein. Die Stimmung unter den Besucherinnen und Besuchern war ausgesprochen ausgelassen. Schon beim 1. Song wurde mitgeklatscht und mitgesungen. Es fiel Seven leicht, die Gäste zu animieren. Auf seine Initiative hin schwenkten sie die Hände über dem Kopf im Takt, lernten Salsa-Schritte und groovten zu seinen Klängen mit Hüftschwung. Die Musik war eine Mischung aus Funk und Rock. Sehr gemütlich, aber auch powervoll. Der Kuschelbär zeigte zwischendurch immer wieder seine Krallen. Seven hatte einen sehr sympathischen Auftritt und erzählte zwischen seinen Liedern immer wieder Anekdoten, die zum Schmunzeln verleiteten. Einmal übertrieb er es jedoch, als er vorrechnete, dass er das letzte Mal vor 11 Jahren in Schaffhausen war. Einzelne nicht ganz ernst gemeinte Buhrufe waren zu hören. Der Schlagzeuger intervenierte schnell und versprach: „Von jetzt an kommen wir wöchentlich.“ Die Harmonie war wieder hergestellt. Musikalisch war bei Seven auffällig, dass fast alle seine Songs auf Deutsch gesungen wurden. „Wenn man auf Deutsch singt, steht man splitterfasernackt da“, sagte Seven. „Es fiel mir lange nicht einfach, doch jetzt habe ich diesen zweiten Stift im Etui und geniesse es, ihn einzusetzen.“ Seinen Song „Seele“ spielte er sodann inmitten des Kammgarnpublikums. Dafür hatte er eine kleine Bühne auf der Tanzfläche eingerichtet und liess sich nur von der Keyboarderin begleiten. So nahe am Künstler zu sein, begeisterte die Gäste. Es folgte eine Reihe von ruhigeren Songs, bei welchen er unter anderem von seinem Bruder auf dem Cello begleitet wurde. Zum Schluss des Abends drehte Seven aber nochmals kräftige auf und bat auch Chiara Castelli nochmals zum Duett auf die Bühne. Seven schickte das Publikum sodann beschwingt und glücklich nach Hause.

Am 8. Mai 2023 erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ von Hermann-Luc Hardmeier.

 

Rock’n’Roll-Tornado wirbelt die Kammgarn auf

The Subways sorgten am Donnerstagabend im Schaffhauser Club „Kammgarn“ für ausgelassene Partystimmung.

Das Osterfest verbindet man normalerweise mit gemütlichem Zusammensitzen in der Familie bei Kaffee und Kuchen. Zusammen mit den Kindern sucht man die Osternester und viel mehr Bewegung als ein entspannter Osterspaziergang liegt oft nicht drin. Dieses idyllische Bild wurde am Donnerstagabend zum Osterauftakt jäh gestört. Laute E-Gitarren, ekstatische Schlagzeugparaden und wilde Songzeilen heizten durch die Kammgarn. Eskalation statt Chillout stand auf dem Programm. Den Auftakt machte die Combo „Velvet Two Stripes“ aus St. Gallen. Die vier Damen an den Saiteninstrumenten und der Herr am Schlagzeug fuhren schon beim 1. Song mit Vollgas durch die Kulturhalle. Die Gäste genossen das „einrocken“ für die Hauptband und liessen sich von der Energie der Band sehr gerne anstecken. Die Musik war eine Mischung aus Hypnose und Dampfhammer. Blues-Garage-Rock traf auf Riot Punk. Auf das Schweizer Blitzgewitter folgte sodann ein noch heftiger Rock’n’Roll-Tornado aus England. Mit der Begrüssung „Hoi Zämä“ überraschte der englischsprachige Frontmann Billy Lunn das Publikum und erntete gleich zu Beginn Applaus. Die Band startende krachend und steigerte sich im Verlauf des Abends immer mehr. Die Besucherinnen und Besucher kannten viele der Songs und sangen lautstark mit. Es wurde getanzt, getwistet und ausgeflippt. Animiert wurden die Gäste dafür vom Trio auf der Bühne, das selbst durch Headbanging, tanzen und mitfeiern die Power in den Saal schoss. Beim Song „California“ starteten die ersten Pogotänze und der Sänger rief glücklich in die Menge: „Schaffhausen, let’s go crazy!“. Die Band spielte einen Mix aus Indierock, Punkrock und Alternative Rock mit leichter Schlagseite auf Garage und anderen verwandten Stilen. Schlussendlich rissen sie die Kammgarn mit der Abrissbirne ein und feierten auf den Trümmern ein wildes Fest mit den Besucherinnen und Besuchern. Beim Lied „Kiss, Kiss, Bang, Bang“ wurde die Musiker eine kurze Zeit etwas besinnlich. Inhaltlich geht es um eine Person, zu der man eine starke Bindung verspürt und nicht aus dem Kopf wegzubringen ist. Und dies, obwohl man genau weiss, dass dieser Mensch keinen guten Einfluss auf einen hat. Zu den Lyrics dieser toxischen Beziehung hatte die Band einen fetzigen Song gezimmert, der für Partystimmung sorgte. Eigentlich ein Widerspruch, aber vielleicht genau darum ein gelungenes Lied. Zum Abschluss spielte die Band ihren Hit „Rock & Roll Queen“, der ihnen 2005 zum Durchbruch verholfen hatte und auch in der TV-Serie „The O.C.“ zu hören ist. Ein Gast stürmte dabei die Bühne und der Abend endete mit einer Stage-Diving-Einlage der Extraklasse.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8.4.2023.

Plötzlich regnete es Zimtsterne von der Kammgarn-Decke

Am Samstagabend nahm die Sängerin Sina die Gäste mit auf eine gemütliche Reise durch ihr Chanson-Universum. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier

«Sina ist einfach phantastisch», schwärmte eine Besucherin kurz vor Konzertbeginn am Samstagabend in der Kammgarn. «Niemand sonst singt so gefühlvoll wie sie.» Die Dame aus dem Publikum sollte recht behalten. Sina war ab dem ersten Song an der Baumgartenstrasse in ihrem Element. Sie brauchte keinen Starkstrom von der E-Gitarre oder ein Gewitter vom Schlagzeuger. Die ehemalige Rocklady mit der Löwenmähne ist mittlerweile 56 Jahre alt und scheint ständig auf einer gemütlichen Wolke zu wandeln. Mit ihrer siebenköpfigen Band nahm die Gäste mit auf eine Reise ins Weltall. Hätten die Astronauten bei der Mondlandung 1969 und beim anschliessenden Spaziergang schon Radio gehört, dann wäre Sinas Musik der perfekte Soundtrack für die Reise im Weltraum gewesen. Ihre Lieder luden zum Träumen ein. Planeten, Kometen, Sonnensysteme und ein ganzes Universum fanden in ihrem Rucksack Platz. Kein Wunder, denn die Walliserin macht seit 1983 Musik und hat bereits 15 Alben herausgebracht. Dabei waren viele Hits, Top-10-Platzierungen und sie gewann renommierte Preise wie beispielsweise den «Prix Walo». Begleitet wurde Sina am Samstagabend von bekannten Namen wie Adrian Stern oder Jean-Pierre von Dach an der Gitarre. Aber auch Gitarrist Martin Buess, Bassist Michael Chylewski, Schlagzeuger Arno Troxler und die Bläserfraktion mit René Mosele an der Posaune und Trompeter Dave Blaser unterstützten die Sängerin tatkräftig. Der Auftritt und die Klänge hatten am Samstagabend etwas Magisches. Obwohl bald der Frühling naht, hatte Sina eine Weihnachtsbäckerei eröffnet, in welcher es plötzlich musikalische Zimtsterne von der Kammgarndecke regnete.

Ihr aktuelles Album «Ziitsammläri» spielte am Samstagabend die Hauptrolle. Sie hatte es während der Corona-Pandemie geschrieben, weil sie aktiv gegen den drohenden kulturellen Stillstand ankämpfen wollte. Einer der schönsten und passendsten neuen Songs ist dabei «Fär wer soll i singu». Ursula Bellwald, wie Sina mit bürgerlichem Namen heisst, erzählt dabei von einem ganz besonderen Freund. Er war mit 40 Jahren an Demenz erkrankt und seine Erinnerungen waren immer mehr Zerfallen. Im Lied schafft es Sina, bei ihm einen Funken Erinnerung aufflackern zu lassen. Ein schönes Statement und eine noch schönere Reminiszenz. Ein guter Kontrast zu diesen besinnlichen Inhalten waren etwa Songs wie «T-Shirt», bei welchem sie ein besonders liebgewonnenes Kleidungsstück besang und es trotz Alterserscheinungen nicht hergeben wollte.  Sina hatte bei «Ziitsammläri» mit verschiedenen bekannten Autoren und Schriftstellern zusammengearbeitet. Beispielsweise mit Franz Hohler oder Sibylle Berg. Sie schrieben ihr die Texte und Sina wandelte sie sodann in ihre einzigartige Musik um. In der Kammgarn flogen Sina am Samstagabend die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer zu. Für einmal war Walliserdeutsch im Kulturclub am Rhein Amtssprache. Der Abend endete genauso harmonisch, wie er begonnen hatte.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 6. März 2023.

Der Soul-Onkel mit der frechen Fliege

Am Mittwoch spielt Ben «L’oncle Soul» in der Kammgarn. Er dreht die Hitparade durch den Soulmixer und will, dass die Leute mit ihm feiern. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Schaffhausen? Ich habe nie davon gehört. Im Internet sahen die Bilder des Städtchens aber ziemlich schön aus», antwortet der Franzose Ben Duterde auf die Frage, ob er schonmal in der Munotstadt gewesen sei. Ben nennt sich «L’oncle Soul» und hat in seinem Studio nicht nur viele Instrumente, sondern auch einen Soulmixer stehen. Gnarls Barkley, «Barby Girl» oder «I kissed a girl” von Katy Perry spielte er schon in fetzigen Soulversionen. Seinen Durchbrauch feierte er aber 2010 mit einer souligen Coverversion des Songs «Seven Nation Army» von den White Stripes.

Überraschung am Konzert

Wer jetzt aber denkt, Ben L’oncle Soul schmücke sich nur mit fremden Federn, liegt ganz falsch. Mit «Red Mango» hat er mittlerweile sein sechstes Album mit vielen eigenen Liedern herausgebracht. «Ich spiele Musik, die von Soul sowie R’n’B inspiriert ist. Besonders die 60er-Jahre haben es mir angetan», erklärt er. Wer aber an schon einmal an einem Auftritt vom Soulonkel war, der stellt überrascht fest: Die Lieder klingen fast nie wie auf dem Album. «Ich liebe es, den Sound meiner Seele und meine aktuelle Stimmung in allen Facetten auszuleben. Ich halte mich nicht an Regeln, sondern spiele die Songs, wie ich mich gerade fühle.» L’oncle Soul kann man klanglich fast schon mit den «Motown Classics» in einen Topf werfen. Er klingt ein bisschen wie Otis Redding, Aretha Franklyn oder Ray Charles. Seine grosse Inspirationsfiguren waren jedoch auch Stevie Wonder und Al Green.

Politik nicht inspirierend

Soul als Musikrichtung entwickelte sich aus der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik Ende der 1950er Jahre. Taktgeber waren Gospel sowie Rhythm and Blues. Die Musik hatte aber nicht nur eine entspannende, sondern in den 1960er-Jahren auch eine wichtige politische Komponente. Soul ist eng verknüpft mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, welche sich gegen die Rassentrennung in den USA wehrte. Aktivisten wie Martin Luther King setzen sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen ein. Die Rede «I have a dream» aus dem Jahr 1963 war damals und heute weltberühmt. Fragt man Ben L’oncle Soul zum Thema Politik, winkt er jedoch ab. «Ich finde Politik für die Musik nicht wirklich inspirierend. Ich bevorzuge die Poesie, die Malerei oder einen Abend mit guten Freunden.» Der Künstler erklärt, dass seine Musik nicht zum Hauptziel habe, die Welt zu verändern. «Ich schreibe Texte, weil ich die Musik liebe und mir das viel zurückgibt. Das genügt mir völlig.» Seine Lieder seien immer emotional. «Das ist das Beste, was dir Musik geben kann.»

Religion und Schokolade

Auf dem neuen Album von Ben L’oncle Soul ist aber dennoch ein Lied, das aufhorchen lässt. Bei «Is it you?» fragt sich der Künstler, ob Gott existieren. «Bei diesem Text schaue ich mich um. Ich sehe Farben, die Natur und sage mir, dass es doch ein Irrsinn sei, dass jemand das alles erschaffen habe. Die Welt ist wunderschön. Und deshalb spielt es gar keine Rolle, ob sie einfach so entstanden ist oder ein Schöpfer dahintersteht. Man soll die Natur einfach geniessen, so wie sie ist.» Ein ganz anderes Lied von Ben Duterde sorgte 2012 übrigens ebenfalls für Furore. Es liess die Zuhörer jedoch auf eine ganz andere Art aufhorchen: Sein Song «Petite Soeur» wurde für den TV-Werbespot von Duplo verwendet.

Neue Sphären

L’oncle Soul macht auf seinem neuen Album nun auch Ausflüge in den Reggae und Rocksteady. Doch seine Basis ist und bleibt Soul sowie R’n’B. Die Coverversion von William Bell namens «I forgot to be your lover» ist dafür ein gutes Beispiel. In den aktuellen Charts ist Ben derzeit der Soulbrother number one. Wenn er in der Kammgarn sodann noch sein Markenzeichen – eine Fliege – trägt, dann wird ihn nichts mehr aufhalten können. «Ich hoffe, die Schaffhauser zeigen Emotionen und haben Lust zu tanzen», freut er sich. «Ich möchte in der Kammgarn jede Menge Spass haben.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 13. Februar.

Bierdusche bei der Plattentaufe von „Purple Headspace“

Im „Klub 8“ in Schaffhausen taufte am Freitagabend die Band „Purple Headspace“ ihre neue CD. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Der Abend begann ganz harmlos und endete in einem kochenden Partykessel. Die Schaffhauser Band Purple Headspace hatte in den Klub 8 geladen, um ihre neue Scheibe namens «The art of ruining evertythin» zu taufen. Zuerst füllte sich der Klub 8 verhalten mit Besuchern, doch plötzlich war der Raum voll mit tanzhungrigen Gästen, welche von der Vorband «Kugelwal» deftig aufgemischt wurden. Die Band war wie ein musikalischer Schneepflug, der alles überfuhr, was sich ihm in den Weg stellte. Das Duo war nur mit Bass und Schlagzeug ausgerüstet, doch die zwei Instrumente hatten viel Power und die selbstironischen Songs animierten zum Mitsingen. Besonders ein Lied, bei welchem es um ein Spanferkel ging. Danach erklang das Intro der Filmreihe «Star Trek» und Purple Headspace enterte die Bühne. Das Trio startete mit Gitarre, Bass und Schlagzeug etwas ruhig, doch es braute sich ein Unwetter zusammen und beim dritten Song brach das Gewitter aus. Es donnerte und blitzte heftig. Der Sänger zog das T-Shirt aus und die Leute tanzten wilden Pogo vor der Bühne. Es erklang ein wilder Mix aus Punkrock, Grunge, Psychodelic-Rock und Stonerrock. «Unsere Musik hat extremen Punch und Energie», erklärte Drummer Loris Brütsch. «Wir überraschen gerne und die Songs verlaufen nie 0815-mässig.» Und er sollte recht behalten. Das Gewitter verwandelte sich in einen Tanz-Tornado und erlebte seinen Höhepunkt, als das Trio mit einer Bierdusche die neue Scheibe feierlich tauften. «Es war genial», sagte Dogukan Karatas vom Klub 8 – Team. «Wir möchten unser kulturell vielfältiges Programm zeigen und freuen uns sehr, dass Purple Headspace als erste Band im neuen Club so einen tollen Start aufs Parkett gelegt hat.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Dienstag, 3. Januar 2023.

Wenn der Professor plötzlich Party macht

Die Band «Professor Wouassa» lädt am Freitag zu heissen Afrobeats und setzt damit einen Gegenpunkt zur besinnlichen Weihnachtsstimmung. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

Da würden sich die Studenten wundern, wenn im Vorlesungssaal plötzlich Partystimmung ausbrechen würde. Doch genau diesen Plan verfolgt Professor Wouassa am kommenden Freitagabend. Kollektive Euphorie statt PowerPoint-Folien. Lockeres Zuprosten an der Bar anstelle von prüfungsrelevanten Notizen, die man anfertigen muss. Auf dem Lehrplan stehen keine Vorlesungen und Seminare, sondern lediglich das Wort «Tanzstimmung». Alles in allem ein vielversprechendes Konzept, welches die TapTab-Universität ihren Studenten, äh Pardon, ihren Gästen bieten wird. Am Freitagabend wird nicht gebüffelt, sondern gefeiert.

Wilder musikalischer Mix

Die Band «Professor» Wouassa wurde 2003 in Lausanne gegründet und seither jagt ein Erfolg den nächsten. Mit Afrobeats als Basis und ein wilder Mix aus Ethno-Jazz, Rumba, Salsa, Funk und vielen afrikanischen Musikrichtungen aus Ghana, Sénégal, Kongo und Nigeria ist eines ganz klar: «Wir haben unseren ganz eigenen Musikmix, den man so bei keiner anderen Band auf dem Globus hört», sagt Gilles Dupuis von Professor Wouassa. Die Band spielte bereits an Grossveranstaltungen wie dem Cully Jazz-Festival, dem Paléo Festival oder der Winterthurer Musikfestwochen.

Ewige Liebe und defekte Computer

Doch wie um alles in der Welt kommt man zu einem Bandnamen wie Professor Wouassa? «Da steckt eine witzige Story dahiner», erklärt Gilles Dupuis. «Wir haben in unseren Briefkästen immer wieder Visitenkarten gefunden, auf denen irgendwelche Wunderheiler die ewige Liebe oder unermesslichen Reichtum versprochen haben. Manchmal ging es aber auch um ganz banale Dinge wie die Reparatur von defekten Küchengeräten und Computern. Die Namen auf diesen Visitenkarten waren manchmal sehr dubios und ausgefallen. Eine der Karten war mit Professor Wouassa angeschrieben. Als wir dann einen Bandnamen suchten, fiel uns wieder diese Geschichte ein.» Wer nun aber denkt, in den Songs von Professor Wouassa gehe es ebenfalls nur um die ewige Liebe und um defekte Küchengeräte, der irrt sich glücklicherweise gewaltig. «Wir rufen in unseren Liedern dazu auf, dass die Menschen wieder mehr Rücksicht aufeinander nehmen, dass man teilt, tolerant und offen ist. Kurzum, die Welt soll ein besserer Ort werden», so Gilles Dupuis. «Das ist nicht unbedingt politisch gemeint, denn wir fühlen uns keiner Partei zugehörig. Eine gesunde Portion Gesellschaftskritik haben wir uns aber durchaus auf die Fahnen geschrieben.» Zu finden ist dies beispielsweise beim Song «Confined People», bei welchem ein dicker Afrobeat auf einen feinen und poetischen Text trifft, der ganz dezent aber inhaltsstark die heutige Welt kritisiert.

Songideen beim Soundcheck

Interessant ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Entstehungsweise von Songs der Band. «Wir jammen und improvisieren sehr oft. Dabei kommen wir immer wieder auf Ideen für neue Lieder», erklärt Gilles Dupuis». «Meisten können wir das Jammen auch während dem Soundcheck nicht lassen. Es kommt dabei immer wieder vor, dass uns ein Erlebnis oder eine Begegnung vom Veranstaltungsort inspiriert.» Er könne daher nicht ausschliessen, dass vielleicht auf einer der nächsten Scheiben von Professor Wouassa sogar ein Musikstück sein wird, das von Schaffhausen handelt. Andere Inspirationsquellen sind auch Vorbilder der Band wie etwa Papa Wemba, Manu Dibango oder Fela Kuti und Tony Allen. Das Publikum im TapTab darf also gespannt sein, welches leckere Gericht die Köche von Professor Wouassa servieren werden. «Wir hoffen auf ein zahlreiches Erscheinen und können euch schon jetzt eines versprechen“, freut sich Gilles Dupuis: „Das Konzert wird kein gemütlicher Spaziergang am Genfersee, sondern eher eine tobende Wildwasserfahrt auf dem schäumenden Rheinfall. Das Wasser wird brodeln und die Tanzfläche wird brennen.» Wer danach immer noch Energie hat, für den steht DJ Shalaby an den Turntables bereit.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 19. Dezember.

Jamaikanische Dampflokomotive mit Sonnenbrille

Die Reggea-Dancehall-Queen Tanya Stephens brachte am Samstag Party und coole Vibes in die Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Stimmgewaltig heizte Tanya Stephens ein. (Foto: Hans-Rudolf Werner, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Are you ready?», wollte Tanya Stephens am Samstagabend in der Kammgarn wissen, als sie die Bühne betrat. Laute Jubelschreie schalten ihr entgegen. Das Publikum war bereit für eine deftige Portion Reggaemusik aus Jamaika. Als Vorband hatte NaÏma Bereté eingeheizt. Die One-Woman-Show kam ganz ohne Support und Band nach Schaffhausen. Nur mit Gitarre und sattem Offbeat unterhielt sie das Publikum. Das war oft gemütlich und locker, zwischendurch aber auch mitreissend und cremig wie eine Glace in der Sonne. Mit ihren Songs wie «Strong Woman» wollte sie aber nicht nur unterhalten, sondern sprach auch gesellschaftliche Themen an und machte sich für die Gleichberechtigung stark. Kurz vor 22 Uhr war es sodann Zeit für die Reggae-Queen Tanya Stephens. Mit Sonnenbrille und riesigem Afro eröffnete sie das Konzert und drückte sogleich aufs Gaspedal. Die jamaikanische Dampflokomotive fauchte, zischte und groovte, bis auch der letzte im Saal in Tanzstimmung geriet. Der Partyzug sauste über die Schienen, als ob es einen Weltrekord zu schlagen gäbe. Der einzige Bahnhof hiess Schaffhausen, ansonsten wurde die Fahrt mit vollem Tempo fortgesetzt. «It’s a pleasure to be here», freute sich die Musikerin. Derzeit ist sie mit ihrem Album “Some Kinda Madness” auf Tour und machte damit in der Kammgarn halt. Sie gilt als Reggae-Dancehall Urgestein und steht seit knapp 33 Jahren auf der Bühne. 200 Songs hat sie bisher veröffentlicht und sie schien kein bisschen müde zu sein. Lediglich die Schweizer Kälter machte ihr ein bisschen zu schaffen. Sie komme direkt aus Jamaika und müsste sich in der europäischen «Kälte-Hölle» zuerst ein bisschen akklimatisieren. Dafür brauche sie die Unterstützung des Publikums, damit man den karibischen Sommer an die Baumgartenstrasse hole. Die Besucherinnen und Besucher erfüllten ihr den Wunsch sehr gerne und gaben alles, damit die Kammgarnhalle Feuer fing. «Ich fühle mich wie in den Sommerferien», freute sich Gast Elma Bärtschi. «Das Konzert ist mega», lobte auch Besucherin Nina König. Der Auftritt war musikalisch tatsächlich mit einem Ferientag am Strand vergleichbar. Locker und gemütlich entspannte man sich beim fetzigen Reggaesound am Pool. Man genoss kühle Cocktails und schaute aufs Meer hinaus. Anstatt Sonnenbrand gab es allerdings Muskelkater in den Tanzbeinen. «Tonight we have peace and love», rief Tanya Stephens in die Menge. Für einen kurzen Moment wurde sie politisch und wünschte sich, dass alle Menschen auf der Welt Frieden haben können. Mit ihrem Hit «It’s a pitty» und einigen Zugaben endete der Abend und sie bilanzierte passend zum Schluss: «Love ist he answer!».

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 7.12.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Horrorshow trifft auf Schwermetall

Die finnische Band Lordi brachte dampfende Heavy Metal – Musik und ein Hauch Horrorshow am Freitagabend in die Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Die Zombies und Monsters von Lordi heitzten ein. (Foto: Michael Kessler, Bericht Hermann-Luc Hardmeier)

Was für eine Ehre! Die finnische Band Lordi besuchte am Freitagabend die Kammgarn. Jene Band, die 2006 den Eurovision Song Contest gewonnen hatte und seither auf den grossen Bühnen Europas und der Welt haltmachte. Schaffhausen ist zwar eine Schuhnummer kleiner, aber dafür feierten das Publikum die Finnen, wie wenn der FCS an jenem Abend Schweizermeister geworden wäre. Optisch gesehen war das Konzert aber alles andere als eine schwarz-gelb feiernde Fankurve. Im Gegenteil, es sah grässlich und geradezu angsteinflössend aus. Unter lauten Jubelrufen und Applaus betrat eine Horde von Zombies und Monster am Freitagabend die Bühne an der Baumgartenstrasse. Die Gesichter war so gruselig geschminkt und entstellt, dass Horrorbuchautor Stephen King vor Freude sicherlich Luftsprünge gemacht hätte. Die Finnen mögen in den Klischees von manchen als scheue Einzelgänger gelten, die den ganzen Tag in der Sauna sitzen und dabei Bier trinken. Doch weit gefehlt. Ausser vielleicht die Geschichte mit dem Bier; denn der Gerstensaft sprudelte am Freitagabend intensiv in der Kammgarn. Die finnische Band hatte für ihre Emotionen keinen Kühlschrank, sondern eine mit Starkstrom aufgeladene Dampfwalze dabei. Die Wucht, Power und Energie ihrer Hardrocklänge fegten auch den letzten Tanzmuffel aus den Socken. Ihr musikalischer Mix bewegte sich zwischen dem Schwermetall von Bands wie Kiss, Alice Cooper oder W.A.S.P. der 80er-Jahre, aber auch elektronische Klänge gehörten zum Repertoire. Der spezielle Lordi-Dampfhammer schmetterte 2006 die Konkurrenz in Grund und Boden. Mit dem Song «Hard Rock Hallelujah» gewann die Band den Eurovision Song Contest für ihr Heimatland Finnland. Der Sieg war rückblickend nicht nur für die Musiker, sondern auch für die finnische Musikszene ein Katalysator. Am Freitagabend riss die Band sodann die Gäste mit der Abrissbirne ins Wochenende. Songs wie «It snows in Hell» oder «Demon Supreme» sorgten für mächtig Stimmung. Bei «Abracadaver» griff der Sänger sogar zu einer riesigen Kreissäge und bedrohte damit scherzhaft die Gäste. Bei «Down with the devil» schwenkte er einen dampfenden Totenkopf mit rot leuchtenden Augen durch die Luft. Ganz grotesk wurde es, als die Keyboarderin sich als Nonne verkleidete und ihr das Herz aus der Brust gerissen wurde. Die Gäste waren vorwiegend in schwarz gekleidet und hätten sich die düstere Tracht zwischendurch am liebsten vom Leibe gerissen, sich gegenseitig die Haare zerzaust, Tabasco gleich literweise getrunken und abgetanzt, bis die Tanzschuhe glühten. Ja, der Sound von Lordi war laut und heftig. Und ja: Ohne Oropax war man verloren. Aber trotzdem feierte die Munotstadt mit den Finnen ein wildes Fest, das keine Berührungsängste kannte. Als Zombies werden Menschen bezeichnet, die scheinbar verstorben sind und plötzlich wieder zum Leben erweckt werden. Verstorben war im Vorfeld glücklicherweise niemand, aber die Seelen und Herzen der Besucher wurden definitiv und intensiv von Lordi mit Leben geflutet.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 14.11.2022.

Tanzstimmung bei der musikalischen Entdeckungsreise

Im Schaffhauser Club „TapTab“ fand am letzten Wochenende das Musikfestival „KW43“ statt. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Ja! Endlich wieder KW43», freute sich Mitveranstalter Pascal Bührer über das hauseigene Musikfestival im TapTab. In der Kalenderwoche 43 von Donnerstag bis Samstag lud der Kulturclub auch dieses Jahr zu einem bunten Mix aus Livemusik an die Baumgartenstrasse. «Das Grundprinzip lautet, die Besucherinnen und Besucher müssen und sollen sich überraschen lassen», erklärt Pascal Bührer. «Wir haben bewusst verschiedene Musikrichtungen mit bekannten und unbekannten Bands kombiniert, damit die Gäste die ganze Bandbreite des TapTabs erleben.» Zudem achtete man auf ein faires Geschlechterverhältnis auf der Bühne und moderate Eintrittspreise. Am Donnerstag startete die musikalische Entdeckungsreise mit Alternative Rock von «Disco Doom» und Garage Rock von «BatBait». Die zwei Formationen stimmten die Besucher bereits früh auf das Wochenende ein und manch einer erschien nach der wilden Feier am Freitagmorgen wohl mit Augenringen im Geschäft. Am Abend ging es sogleich weiter mit HipHop von «Quinze Quinze», EDM sowie Pop vom «Kalabrese & Rumpel-Orchester» und Elektro-Folk von «Taxi Kebab». Es herrschte Tanzstimmung, bis die Füsse glühten. Keine Kehle blieb trocken und wer nach den Bands immer noch nicht genug hatte, genoss die Afterparty bis um 5 Uhr morgens. Am Samstag eröffnete den Abend «Z the Freshmen + Hotel Samar» mit R’n’B und das Publikum freute sich extrem über «Baby’s Berserk», welche eigentlich schon am Saisonschluss des TabTabs hätten spielen sollen, damals aber den Flieger verpassten. Ihre Punkklänge wurde abgelöst von «KT Gorique» mit HipHop und Dancehall. Einziger Wehrmutstropfen von KW43 war, dass die Lokalmatadoren vom «Lo Fat Orchestra» absagen mussten. Der Bassist hatte sich den Arm gebrochen. Abgesehen davon war das Musikfestival ein voller Erfolg und besonders schön war es anzusehen, dass die Besucher die Idee der Veranstaltung schätzten und sich offen zeigten, ihren typischen Musikgeschmack hinter sich zu lassen, um Neues zu entdecken. Jammerschade, dass am Sonntagabend die KW43 bereits endete. Nach so viel Abwechslung und Livemusik hätten viele Gäste ohne Probleme auch in die KW44 hinein weitergefeiert.

Von Hermann-Luc Hardmeier, erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 7. November 2022.

Ein musikalischer Vulkanausbruch

Die Berner Band „The Monsters“ brachten die Erde in der Kammgarn am Freitagabend zum Zittern. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Deftig, hart und powervoll waren die Klänge, die am Freitagabend in der Kammgarn zu hören waren. Den Anfang machte die Vorband Kabuki Joe aus Zürich, die gleich die Abrissbirne auspackten und mit voller Wucht auf die Trommelfelle der Zuhörer einhämmerten. Dort wo das Schlagzeug stehen sollte, wütete ein kleiner Tornado. Die teuflisch brennende Gitarre und der glühende Bass sorgten dafür, dass die Besucher gnadenlos in den Punkrock-Partykessel gezogen wurden. Der Sänger sprang wild auf der Bühne, hob die Bierflasche und rief: «Kommt nach vorne zum Tanzen. Ihr seid noch etwas scheu, aber wir werden euch schon einheizen.» Er sollte rechtbehalten. Das Publikum taute auf und liess sich von den vier Musikern mitreissen. «Ihr macht uns verdammt glücklich», freute sich der Frontmann zum Schluss und überliess die Bühne den «Monsters» aus Bern. Das Trio war sehr stylisch gekleidet. Weisses Hemd, Krawatte und ein roter Anzug erinnerten ein bisschen an den Rock’n’Roller und «Rock around the Clock»-Erfinder Bill Haley. Doch die Monsters beschritten mit Psychobilly eine ganz andere musikalische Schiene. Sie knüppelten gleich los und verwandelten die Kammgarn in eine Headbanging-Sauna der Extraklasse. Ihr Auftritt glich einem musikalischen Vulkanausbruch. Sie explodierten gleich mehrfach und die heisse Lava brannte auf ihrem Weg von der Bühne ins Publikum alles weg, was nicht tanzen konnte und keine Oropax trug. Texte waren bei den Monsters eher eine Seltenheit, es wurde geschrien, geröchelt und gefaucht. Emotionen standen im Mittelpunkt. So verwunderte es dann, dass für ein Melodienstück auf vorgedruckten Bierdeckeln ein Songtext verteilt wurde. Die Songzeilen zum «Yellow Snow Drink» wurden von den Gästen enthusiastisch mitgesungen. Frontmann «Beat-Man» war begeistert vom Einsatz der Besucher und rief heiser ins Mikrophon: «Mit euch ist es unglaublich angenehm zum Feiern.» Keine Frage, dieser Abend war nichts für Freunde von Kuschelrock. Gnadenloses Schwermetall, ekstatischer Punkrock und sprudelnder Gerstensaft standen auf dem Programm. Ein Gast brachte es gut auf den Punkt, indem er am Schluss meinte: «Die Lawine hat mich mitgerissen, es war wirklich Klasse.»

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 24. Oktober 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.