Mit dem Bulldozer den Duden überfahren

Am Freitagabend erklärte der Satiriker Renato Kaiser in der Kammgarn, warum öffentliche Toiletten magisch sind und Velofahrer wie Cervelats aussehen. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Das Schauwerk-Team und der Satiriker Renato Kaiser. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Schaffhausen erhält nicht oft royalen Besuch. In Neuhausen soll einst ein russischer Zar übernachtet haben. Am Bahnhof steht ein Stand seiner Durchlaucht, dem Brezelkönig. Und das war’s bereits. Doch dann kam am Freitagabend Kaiser Renato. Der Satiriker und Poetryslammeister trägt seine Krone allerdings nicht auf dem Kopf, sondern auf der Zunge. Er fuhr bei seinem Auftritt in der Kammgarn nicht mit der Königskutsche vor, sondern bearbeitete den Duden mit dem Bulldozer. Seine Worte hatten Sprengkraft, waren gefeilt, gepfeffert und zwischendurch auf giftig. Der Wortakrobat ist ein genauer Beobachter, der humorvoll und lakonisch das Alltagsgeschehen kommentiert. Yogamatten findet er mindestens so schlimm wie Liegevelos. Influencer würde er am liebsten auf den Mond schiessen und er gestand ganz offenherzig seine Liebe zu öffentlichen Toiletten. „WCs sind Oasen. WCs sind magisch. Es sind die letzten Rückzugsorte in stürmischen Zeiten.“ Für ihn ist auch klar, warum das stille Örtchen einen wertvollen Beitrag zur Genderdebatte leisten können: „Auf dem WC sind alle gleich!“ Der 36-jährige führte seinen verbalen Boxkampf auch gegen die Kirchen, Sauerteig und Medien, welche am liebsten über das Herkunftsland von Gewalttätern berichten und damit Stereotypen bedienen. Zum Schluss gab er sich selbstkritisch. Seine Leidenschaft Rennvelo fahren sei alles andere als sexy. „Ich fühle mich in meinem Velodress wie ein neonfarbener zu eng vakuumierter Cervelat.“ Als wäre das noch nicht genug, beschrieb er daraufhin Sekunde für Sekunde, wie er dank seiner Klickpedalen beim Anhalten am Rotlicht verunfallte. Das Publikum kugelte sich vor Lachen und das Schauwerk war mit Renato Kaisers Auftritt erfolgreich in die neue Saison gestartet. Es gab viel Applaus und der Kaiser schien seine Audienz in der Munotstadt in vollen Zügen genossen zu haben.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 6. September 2021. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Kraftvolle Stimme und powervolle Show

An der Streetmusic Night heizten Mr. Mojo und Rusty Stone den Besuchern am Donnerstag ein.

Am Donnerstagabend steppte der Bär ordentlich in der Safrangasse. Entlang dem Cuba-Club und dem Abaco lud die 5. Streetmusic Night von der Band-Union einmal mehr zum musikalischen Highlight der Woche. Der eingangs erwähnte Bär war allerdings nicht aus dem Zoo entwichen, sondern direkt vom Präsidentenstuhl der Band-Union auf die Konzertbühne gesprungen. Ronny Bien trug sodann auch keinen Honigtopf unter dem Arm, sondern hatte eine tolle Band im Rucksack dabei. Der Musiker tobt sich seit 26 Jahren auf der Bühne aus. 17 Jahre davon unter dem Künstlernamen Mr. Mojo. Nach der Coronazeit ist er aus dem Winterschlaf erwacht und hungriger denn je auf Auftritte und das Bühnenadrenalin. Doch der Reihe nach: Das kleine Schaffhauser Strassenfestival startete um 19 Uhr mit vielen Zuschauern. Den Auftakt machte der Folk-Blues-Künstler Rusty Stone. Als hätte er seine Stimme jahrelang in Cognac gebadet und mit dem Rauchen von dicken Cohibas verfeinert. Markant, urchig und tiefsonor klang sein Gesangsorgan. Mit einem Effektgerät als Assistenten legte er einen Klangteppich auf die Safrangasse, als wäre er mit einer ganzen Cowboygang aus dem Wilden Westen angereist. Es gab allerdings weder eine Prügelei im Saloon des Cuba-Clubs noch ein Revolverduell im Schaffhauser Bermudadreieck. Der Blues war schwungvoll und mitreissend, aber kein Partytornado. Rusty Stone hat sich sein Lebensmotto gleich auf den linken Unterarm tätowiert: „Blues was my first love“. Sein Lebenselixier verteilte der Künstler aus München grosszügig an die Gäste. Mit Zutaten von Country, Folk, Blues, Rock’n’Roll mixte er einen Cocktail, der sehr bekömmlich war und die Zuhörer in gute Stimmung versetzte. Nach einer kurzen Pause war sodann die Zeit von Mr. Mojo angebrochen. Mit Tom Rollbühler an der Gitarre, Andreas Rankel am Gesang, Bruno Niederhauser am Bass und Melchior Hürner am Schlagzeug startete die Rakete mit Vollgas in den Rock’n’Roll-Himmel. Egal ob man Rhythm’n’Blues oder Soul mochte, Mr. Mojo hatte für jeden Zuhörer etwas im Gepäck. Seine kraftvolle Stimme und seiner powervolle Show riss alle vom Hocker. Hätte die Safrangasse Beine, hätte sie wohl gleich selber mitgetanzt. Doch nicht nur «Mr. Steam Engine», wie Ronny Bien auch genannt wird, glänzte beim Auftritt. Ohne das perfekt eingespielte Räderwerk der Band könnte die Maschine ihre spezifische und authentische Kraft kaum entwickeln. Die Band hatte einen Hauch von den Blues Brothers und sie feierten die Songs mit Leidenschaft. Das riss die Besucher mit und sie genossen mit kühlen Getränken die heissen, musikalischen Leckerbissen der Streetmusic Night. Keine Frage, nach diesem Feuerwerk darf man auch auf die nächsten sechs Donnerstage mit einem musikalischen Bärenhunger entgegenfiebern.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Samstag, 21. August 2021.