Wenn der NASA-Forscher am Poetryslamabend auftritt

Am Samstagabend standen keine DJs, sondern junge Wissenschaftler auf der Bühne im Chäller Schaffhusen und kämpften beim Science Slam um den Sieger-Whiskey. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Wenn man Poetryslam und universitäre Forschung in den Mixer steckt, so erhält man das kreative Format Science Slam. Sechs junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen traten am Samstagabend im Chäller gegeneinander an. Sie erklärten humorvoll, ironisch und entstaubt ihre Forschungsthemen. Die meisten von ihnen trugen Doktortitel und sind normalerweise nicht in Tanzlokalen, sondern an der Uni zu finden. Jeder von ihnen hatte zehn Minuten Zeit, um das Publikum zu überzeugen und damit den Sieger-Whiskey zu gewinnen. Den Start machte Altgermanist Simon Hauser. Er hatte das 600 Jahre alte „Buch des Gehorsams“ untersucht, welche eine Klosterreform zum Ziel hatte. Man erfuhr von ihm beispielsweise, dass vor der Reform Nonnen oft von einem „Spaziergang“ schwanger zurückkehrten. Verständlicherweise wurde das in den konservativen Kreisen nicht gerne gesehen und man wollte dies mit „geeigneten Massnahmen“ verhindern. Biologin Gabriela Schenker richtete danach ihr Augenmerk auf das Thema Liebe und erklärte mit trockenem Humor, warum beispielsweise Seitensprünge aus evolutiver Sicht sinnvoll sind. Neurowissenschaftlerin Wiebke Schick verglich ihr Forschungsgebiet mit einer Dating-App und Statistiker Mehmet Akzösen eröffnete seine Präsentation zur Geschlechterfrage mit James Bond-Musik und Sonnenbrille. Beinahe holte sich der Astrophysiker Daniel Angerhausen den Sieg, als er über seine Zeit bei der Nasa und der Suche nach Leben im Weltall erzählte. Das Rennen entschied jedoch Mathematikerin Judith Alcock-Zeilinger mit „Symmetrie von Objekten“. Sie erklärte dies anhand von Biergläsern und dem Spiel „Schiffe versenken“ so anschaulich, sodass sie wahrscheinlich der Wunschtraum jedes verzweifelten Schülers im Matheunterricht wäre. Egal auf welcher Schulstufe. „Es war nicht nur spannend, sondern auch humorvoll“, bilanzierte Organisatorin Simone Hörtner von der Naturforschenden Gesellschaft erfreut und passend den gelungenen Abend.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 15. November 2021. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Kein Krieg, aber ein globales Problem

Am Vortragsabend des Historischen Vereins Schaffhausen löste der Vergleich von Covid-19 mit der Spanischen Grippe in der Fragerunde eine spannende Diskussion aus. Von Hermann-Luc Hardmeier

SCHAFFHAUSEN. Kann man die Spanische Grippe von 1918 mit Covid-19 vergleichen? Und falls ja: Was sind die Konsequenzen davon? Am Dienstagabend kamen im Museum Allerheiligen knapp 50 Zuhörerinnen und Zuhörer zusammen, welche sich zu dieser Frage von Prof. Dr. Madeleine Herren-Oesch von der Universität Basel informieren liessen. Die Referentin betrachtete die Krankheit aus der Perspektive
der Globalgeschichte Europas und nutzte die Spanische Grippe dabei als Referenzbeispiel. «Die Kriegsmetapher muss überdacht werden», stellte Madeleine Herren-Oesch gleich zu Beginn fest. «In einer Pandemie von Kampf zu reden, ist unsinnig. Es wird in dem Sinne auch keinen Sieger geben.» Die Spanische Grippe tauchte 1918 erstmals auf und wird für 50 bis 100 Millionen Tote verantwortlich gemacht. In drei Wellen überrollte sie die fast schutzlose Bevölkerung. Weil die
kriegführenden Länder Berichte über die Todesfälle zensierten, tauchten die ersten Zeitungsmeldungen darüber erst im neutralen Spanien auf. Und somit nannte man sie Spanische Grippe, obwohl sie höchstwahrscheinlich im letzten Kriegsjahr von amerikanischen Soldaten nach Europa gebracht wurde. Madeleine Herren-Oesch erklärte, dass es schon 1918 wilde Theorien gab, ob der Ursprung bei chinesischen Hilfsarbeitern läge, die in Frankreich Schützengräben aushoben und Tote bestatteten.
Auch «Fake News» gab es in jener Zeit bereits: Ein Hochstapler beispielsweise verkaufte in den Zwanzigerjahren das Mittel «Antimicrobum», welches zu Unrecht eine Grippeheilung versprach.

Falsche Vorwürfe
Im Jahr 1918 fielen Massnahmen gegen die Grippe in den kriegführenden Staaten unter das Kriegsrecht. Widerstände, wie man sie heute gegen Covid-Massnahmen erlebt, waren daher nicht denkbar und ein gesellschaftlicher Konsens nicht notwendig. Die Regierung entschied alleine. Bei der Schweizer Bevölkerung herrschte keine Ablehnung, sondern das Gegenteil war der Fall: Man warf der Sozialdemokratie vor, durch den Landesstreik die Demobilisierung der Armee nach dem Krieg
verzögert zu haben. In den Kasernen breitete sich die Krankheit aus, und die
Streikenden hätten somit die 25 000 Toten mitzuverantworten. Aus heutiger Sicht natürlich eine sehr einseitige und in dieser Absolutheit nicht zutreffende Betrachtungsweise. Aktuellere Forschungen entlarven es als politisches Argument und streichen eher das lange Zuwarten mit dem Schliessen von Kinos, Theatern sowie die kaum vorhandenen Schutzmassnahmen hinsichtlich der zweiten und weitaus tödlicheren Welle hervor. Madeleine Herren-Oesch verdeutlichte zudem, dass
man für die Impfgegner der heutigen Zeit 1918 wahrscheinlich wenig Verständnis
gehabt hätte: «Im kriegsversehrten Europa hätte man wohl alles genommen, was die Situation nur im Entferntesten verbessert hätte. Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit
spielten dabei natürlich eine zentrale Rolle.» Die Zuhörerinnen und Zuhörer wollten in der anschliessenden Diskussion wissen, ob Viren als biologische Waffen eingesetzt werden, ob die Behörden aus dem Geschehen von 1918 etwas gelernt hätten und ob die Gesellschaft gezielt gespalten werde. Die Referentin ordnete die Aussagen ein und unterstrich, dass der Vergleich vor allem eines lehre: «Wir denken national, aber Viren funktionieren global. Das hat gesellschaftspolitische Auswirkungen und erfordert globale Lösungen.» Die Spanische Grippe verschwand übrigens so plötzlich, wie sie
auftauchte. Historisch gesehen ist die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie daher durchaus berechtigt.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Donnerstag, 18. November 2021.

„Cringe“ ist das Jugendwort 2021

Wenn etwas seltsam, komisch oder peinlich ist, nennt man dies in der Jugendsprache «cringe». Der Ausdruck wurde durch ein Online-Voting bestimmt.

Von den Eltern in die Schule gebracht zu werden, kann schon ziemlich «cringe» sein. 1,2 Millionen User waren sich einig, dass der Ausdruck das aktuelle Jugendwort werden sollte. Die Wahl wird jeweils vom Langenscheidt-Verlag organisiert.

Nachdem früher eine Jury mit Erwachsenen für die Wahl verantwortlich war, geschieht dies heute durch ein Online-Voting von meist Jugendlichen auf der Homepage des Langenscheidt-Verlages.

Auf dem Podest landeten auch die Begriffe «sheesh» und «sus». «Sheesh» drückt Erstaunen oder Ungläubigkeit aus. Das Wort wird entweder vor oder nach dem Gesagten eingesetzt, um die Aussage dramatisch zu unterstreichen. «sus» ist die Abkürzung für «suspekt» Dies könnte man mit «auffällig» oder «verdächtig» übersetzen.

In den vergangenen Jahren sind «Lost» (2020) als ein Ausdruck der Ahnungslosigkeit und Ehrenmann/Ehrenfrau (2019) für einen freundlichen Menschen zu den Siegern erklärt worden. Gestartet hatte die Wahl 2008 mit dem Wort «Gammelfleischparty», welches einen U-30-Tanzanalass bezeichnet.

Danach waren der Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt worden. Egal, ob man «am Fly sein» (wenn jemand besonders abgeht), Babo, Yolo oder Swag verwendete. Die Jugendsprache zeigte ganz klar, dass auch provokante und auf den ersten Blick sinnlose Redewendungen wie «I bims» (hallo, ich bins) begeistern können.

Während fünf Jahren wählte die Schweiz ihr eigenes Jugendwort. «Shaz», «hobbylos» «chills», «Mopfer» (Mix aus Mobbing + Opfer) und «s’beschte wos je hets gits» wurden damals als ideale Vertreter der jugendlichen Ausdrucksweise gekürt.

Läuft bei dir! Könnte man der Jugendsprache zurufen, denn das Interesse an den Begriffen ist nach wie vor riesig. Die Langenscheidt-Jury hat nur eine Regel aufgestellt: Die Ausdrücke dürfen nicht beleidigen, nicht diskriminieren oder sexistisch sein.

So hatten die Wörter «Alpha-Kevin» (der Chef der «Vollidioten») oder Speckbarbie (eine übergewichtige Frau in zu engen Kleidern) keine Chance auf den Siegerplatz. Das wäre dann ein epic Fail der Sonderklasse gewesen.

Spannende Wortschöpfungen waren beispielsweise auch «Gönnjamin» (jemand, der es sich in jeder Situation gut gehen lässt) oder «Smombie» (für Leute, welche auf den Handybildschirm starren und deshalb wie ein Zombie durch die Welt laufen. Smombie = Smartphone + Zombie). Sehr bildhaft ist beispielsweise auch «Zwergenadapter» als Ausdruck für einen Kindersitz «Axelfasching» für Haare unter den Armen oder «Emoji-Tourette» für jemanden, der exzessive beim Smartphone die kleinen bunten Bilder einsetzt.

Zum Dönerwetter nochmals. Das läuft nicht nur bei mir, sondern das galoppiert bei mir. Man darf bereits gespannt sein auf die kommenden Jugendwörter-Wahlen. Denn langweilig wird es bestimmt nicht. Alles andere wäre ziemlich «cringe», nicht wahr?

Von Hermann-Luc Hardmeier

 

Stefan Büsser: „Das Leben gibt die Themen vor“

Comedian Stefan Büsser tritt am nächsten „Comedy Zischtig“ auf. Im Interview erzählt der 36-Jährige, warum ihn kleine Bühnen reizen und wie es ist, als Promi in den Supermarkt zu gehen.

Bildlegende: „Beruflich bin ich eine Rampensau. Privat schon fast langweilig“, sagt Comedian Stefan Büsser über sich. (Foto: ZVG, pixxpower, Renato Richina. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Was denken Sie, worüber lachen die Schaffhauser?

Ich weiss es nicht. Eventuell sind sie ein bisschen offener als andere, da sie ein grenznahes Volk sind. Ich kenne die Region ein bisschen, da ich schon am „Stars in Town“ war oder diesen Sommer wegen dem „Donnschtig-Jass“ hier übernachtet habe. Vielleicht fällt mir dazu etwas Witziges ein.

Wie bereiten Sie sich auf den Auftritt bei uns vor?

Ich habe keine spezielle Strategie, wie ich die hiesigen Lachmuskeln angreife. Ich schaue vielleicht kurz in die Lokalzeitung und habe mit dem Organisator des „Comedy Zischtig“ Yves Keller einen guten Informanten.

Sie treten schweizweit im TV oder im Hallenstadion auf. Ist das nicht ein grosser Kontrast zum „kleinen“ Schaffhausen?

Ich wollte Yves Keller supporten, da er ein neues Format aufbauen möchte. Generell reizt mich ein kleines Publikum, da es viel intimere Veranstaltungen sind. In einem grossen Saal lacht immer jemand. Bei 30 Zuschauern ist es aber sehr herausfordernd, wenn man den Humor der Leute trifft oder eben nicht trifft.

Wollten Sie schon immer Komiker werden?

Ja! Ich habe als Kind CDs von Mittermeier und Peach Weber gehört. Medien und alles, was mit Unterhaltung zu tun hat, reizte mich schon immer. Übers Radio kam ich zur Unterhaltung, machte bei Bühnenmoderationen einige Scherzchen und merkte, dass es gut ankommt. Schliesslich wurde ich Comedian.

Sind Sie auch im Alltag eine Spasskanone?

Privat mit Freunden bin ich eher ruhig und zurückhaltend. Ich muss nicht 24 Stunden im Leben eine Show machen. Beruflich bin ich eine Rampensau. Privat schon fast langweilig.

Also nervt Sie privat die Frage von Kumpels „Erzähl doch mal einen Witz“?

Das ist doch blöd. Den Maurer fragt man im Ausgang ja auch nicht, ob er spontan eine Mauer bauen kann.

Damit haben Sie gerade das Gegenteil bewiesen.

Spontanität ist sicher eine Stärke von mir.

Stimmt der Eindruck, dass Sie am witzigsten sind, wenn Sie ein Feindbild vor Augen haben?

Das ist nicht zwingend. Ich habe ein ganzes Programm über mich und meine Krankheit geschrieben. So fest hasse ich mich dann nicht. Am Schluss vom Tag muss das Thema einfach eine gute Comedygrundlage sein.

In dem Fall haben Sie keine “Lieblingsthemen”?

Nein. Das Leben gibt die Themen vor. Corona war insofern ein best case, weil alle den gleichen Wissenstand hatten. Das ist für Witze natürlich ideal.

Corona ist witzig?

Ja, klar. Jeder hat das Anrecht, dass man sich über ihn lustig macht. Auch Verschwörungstheoretiker und das BAG.

Wo vergeht Ihnen der Humor? Gibt es Themen, die nicht lustig sind?

Grundsätzlich nein. Man kann Witze über alles machen. Die Frage ist wie und wer ist das Ziel? Grundsätzlich ist es besser, nach oben als nach unten zu treten.

Auf Social Media ist heutzutage jeder ein Komiker. Stört Sie das?

Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich glaube, auf lange Sicht setzen sich Qualität und Fleiss durch. Ich überzeuge dadurch, dass ich authentisch bin, auch online. Aber ein Bühnenjoke funktioniert natürlich anders als Social-Media. Im Internet muss man viel schneller sein.

Ist es als Promi anstrengend, kein Privatleben mehr zu haben? Ihre Verlobung, die Krankheit, die Liebe zum Hund Foxy usw. Alles war in den Medien.

Es ist der Preis, den man zahlt, und man kann es ein Stück weit selber steuern. Da musste ich auch ein bisschen was lernen. Sämtliche Privatsachen wie Beziehungen würde ich heute sicher nicht mehr öffentlich teilen. Im Prinzip ist es als Promi in der Schweiz aber easy.

Easy? Können Sie beispielsweise ganz normal einkaufen gehen?

Ja, ich habe ein ganz gewöhnliches Leben. Beim Einkaufen werde ich selten angesprochen. Ich gebe aber zu, die Maskenpflicht hat es enorm einfacher gemacht.

Was sind Ihre nächsten Ziele? Wäre es z.B. eine Option, der Satiresendung „Deville“ den Sendeplatz mit einer eigenen Talkshow streitig zu machen?

Ich will niemanden arbeitslos machen (lacht). Ich bin mega happy. Es ist ein riesiges Privileg, am Morgen aufstehen zu können und seiner Leidenschaft nachgehen zu dürfen. Ohne, dass es sich nach Arbeit anfühlt.

Dann wünschen wir einen erfolgreichen „Comedy Zischtig“ mit stehenden Ovationen!

Ou, nein. Bitte sitzenbleiben. In meinem Alter kann man nicht mehr so lange stehen.

Interview von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 1. November 2021.

Der König der guten Laune heizte deftig ein

Reggaemusiker Dodo nahm die Gäste in der Kammgarn am Samstagabend mit auf eine musikalische Reise nach Jamaika und erklärte, warum er jeden Morgen kalt duschen muss. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Dodo verwandelte die Kammgarn mit seiner Energie in eine Partysauna. (Foto: Michael Kessler. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Ich sorge dafür, dass eure Stimmen für Dodo schon einmal warmgesungen sind“, animierte Rita Roof am Samstagabend als Vorband das Publikum in der Kammgarn. Normalerweise steht sie als Backgroundsängerin von Nemo, Lo & Leduc und auch Dodo im Hintergrund, doch heute war alles anders: „Ich sagte immer, irgendwann kommt mein eigenes Album. Niemand glaubte daran, doch heute ist es soweit“, freute sie sich. Humorvolle Songs über ihr Handy, Powerlieder wie „Ich und mini Girls“ oder die Ballade „Abe an Fluss“ zeigten ihr breites Spektrum. „Sorry Dodo, ich will nicht gehen. Es macht mir einfach zu viel Spass“, scherzte sie und spielte noch eine Zugabe.

Mafiahut und Schiffscontainer

Kurz danach war es dann Zeit für den Hauptakteur des Abends. Hippie-Bus-Sänger Dodo erschien auf der Bühne und die Herzen flogen ihm bereits beim ersten Song entgegen. Er trug seinen obligatorischen Mafiahut und eine kreative Anzugkombination, bei welchem Hochwasserhosen auf eine edle Weste trafen. Die Bühne war wie ein roter Schiffscontainer dekoriert, mit einem übergrossen Dodo-Logo. Der Bühnenschmuck wies auf die Tour hin, welche der Sänger im Frühjahr 2020 unternehmen wollte. Mit dem selbstgebauten Studio im Schiffscontainer wollte er um die Welt tuckern und mit seinem schwimmenden «Ministry of Good Vibes» seine afrikanischen Wurzeln finden. Der 44-Jährige ist in Kenia auf die Welt gekommen und verbrachte seine früher Kindheit in Abidjan. Corona durchkreuzte die Pläne und nun erzählt sein Album «Pass» eher von einer Reise über den Vierwaldstättersee oder einer Wanderung auf dem Furkapass als von einer Kreuzfahrt übers Mittelmeer und eine abenteuerliche Reise nach Kenia.

Kalte Dusche zum Frühstück

Dominik Jud, wie Dodo im bürgerlichen Leben heisst, ist mit Schaffhausen verbunden. Eins seiner ersten Konzerte vor rund 26 Jahren spielte er im TapTab mit den Berner Rappern von „Chliklass“. Damals hies Dodos Crew „Heimlich Pheiss“. Zudem war Dodo nicht nur bereits in der Kammgarn, sondern auch immer wieder als Gast in der Reggae-Show von Radio Rasa. Ein Markenzeichen von Dodo ist seine unglaublich gute Laune, wenn er jeweils auf die Bühne tritt. Er nennt sich deshalb selbst auch „Minister of Good Vibes“. Im Interview vor dem Konzert erklärte er, dass er ein sehr ausgeglichener Mensch sei und ihm eine Kombination aus Meditation und einer kalten Dusche die Energie für den Tag gebe. „Ich bin emotional immer bereit, den besten Tag meines Lebens leben zu können. Zudem bin ich authentisch und glaube daran, dass man genau das zurückbekommt, was man bereit zu geben ist.“ In der Kammgarn sprang am Samstagabend dieser Funken sofort auf die Gäste. Sie sangen mit, schwenkten die Hände, zeigten kollektiv das Peace-Zeichen oder liessen sich von Dodo Tanzschritte zeigen, um mit ihm sodann im Gleichschritt Party zu machen. Unter den Besuchern waren nicht nur Partygänger und Reggaefans, sondern auch Familien mit Kindern, die jede Textzeile begeistert mitsangen. Zudem war auch eine Hexe und ein Skelett zu sehen, welche sich passend zu Halloween kostümiert hatten. Dodo zeigte sein Talent als König der guten Laune. Doch gab es von ihm nicht nur Stimmungskracher wie „Hol de Rum“ zu hören, sondern auch nachdenkliche Songs. Mit der Aufforderung „Heb dure“ widmete er ein Lied „allen, die unter Corona leiden oder gelitten haben“. Besonders gelungen war auch der Einstieg mit „Odyssee“. Im Duett mit Rita Roof startete er den Reggaesommer in der Kammgarn. Seine Reise an die warmen Strände von Jamaika boten einen schönen Kontrast zu den derzeit kalten Temperaturen. Keine Frage: Dodos Herz schlägt zu 100% für die Musik aus Kingston. „Reggae hat den perfekten Beat, um meine Botschaft verbreiten zu können“, erklärt der Künstler. „Heruntergebrochen ist meine Kernaussage: Hör nicht auf, das zu machen, was du liebst. Das kann politisch, sozialkritisch oder humoristisch umgesetzt werden.“ Ein Highlight der Show war sicherlich, als der Hit „Hippie-Bus“ erklang und die Besucher in kollektive Ekstase versetzte. Die Discofinger glühten in der Luft und der Saal verwandelte sich in eine kochende finnische Sauna kurz vor dem Siedepunkt. Dodo hatte mittlerweile die Ärmel hochgekrempelt und seinen Mafiahut zur Seite gelegt. Die Gäste feierten mit ihm eine wilde Party und verabschiedeten ihn zum Schluss mit grossem Applaus.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 1. November 2021.

„Man bringt keinen Frieden mit Waffen“

Am Benefizanlass der Afghanistanhilfe am Donnerstagabend in der Kammgarn erklärten SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn und Afghanistanhilfe-Präsident Michael Kunz im Podiumsgespräch, welches die grössten Ängste der Bevölkerung sind.

(Foto: Roberta Fele, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Ein Lehrer, der sich verstecken muss, eine Medizinstudentin, die nicht mehr zur Uni darf oder eine Künstlerin, deren Passion für Musik und Kunst verboten wird. Mit der Schilderung von vielen Einzelschicksalen bekamen die Besucher in der rappelvollen Kammgarn am Benefizanlass der Afghanistanhilfe einen tiefen aber auch tragischen Einblick in die Situation der Bevölkerung am Hindukusch. „Bevor die Taliban kamen, war ich voller Leben“, berichtete eine Betroffene und brachte damit die Problematik auf den Punkt. Im Zentrum des Anlasses stand ein Podiumsgespräch mit Thomas Gutersohn, Südasien-Korrespondent  von SRF 1. Mit ihm auf der Bühne war Michael Kunz, Präsident der Afghanistanhilfe, und durch den Abend leitete Moderator Matthias Wipf. Schnell wurde klar, Afghanistan ist viel mehr als ein Land mit bösen bärtigen Leuten. «Die Menschen sind offen, warmherzig und die Gastfreundschaft ist riesig», schwärmte Gutersohn, der das Land sechs Mal bereist hat. Auch Michael Kunz war der Meinung: «Wenn man die Medien liest, hat man oft ein falsches Bild.» Zunächst wurde erklärt, wer die Taliban sind und warum die USA an ihnen gescheitert sind. «Die erzkonservativen Islamisten genossen immer einen grossen Rückhalt auf dem Land und vor allem im Süden», erklärte der Korrespondent. «Der Westen habe sich zu stark auf die Städte fokussiert und das Land vernachlässigt.» Sein Standpunkt war klar: «20 Jahre Krieg brachte nichts. Man bringt keinen Frieden mit Waffen. Man muss mit den Taliban sprechen und kann sie nicht ignorieren. Denn dadurch leidet vor allem die Bevölkerung.» Michael Kunz erklärte, wie sich die Afghanistanhilfe im Land engagierte. Der Bau von Schulen, die Betreuung von Waisenhäusern, medizinische Versorgung und vor allem Lebensmittelverteilung sind die zentralen Standbeine. Diese Hilfe wird in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern erbracht und folgt nach dem Grundsatz: Die Afghanen wissen am besten, was sie brauchen. Die Leute vor Ort müssen miteinbezogen werden. «Wir arbeiten nicht mit den Taliban zusammen, aber ohne die Erlaubnis der Taliban könnten die Projekte nicht weiterlaufen. Ja, wir sprechen notgedrungen mit ihnen», erklärte er. Die Finanzierung werde jedoch direkt und nicht via Taliban abgewickelt. Etwas später stiessen Weeda und Malik aus Afghanistan zu den Podiumsteilnehmern. Die zwei geflüchteten Afghanen erzählten, dass das Hauptproblem der Bevölkerung derzeit die fehlende Sicherheit und vor allem der Hunger seien. «Jetzt braucht es sofort Nothilfe. Wir verteilen Lebensmittel und verlangen von der Schweiz ein stärkeres Engagement», so Michael Kunz. Die Afghanistanhilfe will auch in der aktuell schwierigen Situation für die Menschen da sein. Denn schlussendlich geht es um sie, und nicht um Politik.

von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 6. November 2021.