Der Schaffhauser Journalist Kevin Brühlmann las am Samstag in der Fassbeiz aus seinem Erstlingswerk über die 68er-Revolte in Schaffhausen.
„Prost zusammen!“ Kevin Brühlmann eröffnete mit einem Schluck Bier die Lesung am Samstagmittag in der Fassbeiz. In seinem Erstlingswerk „Schaffhausen muss sterben, damit wir leben können“ geht es um die 68er-Revolte in der Munotstadt. „„Die 68er-Generation hat die bestehenden Werte und die Ordnung in Frage gestellt, das fasziniert mich“, sagte der Autor. „Bislang wurde aber vor allem über Studentenproteste in Berlin, San Francisco und Paris geschrieben. Ich wollte wissen, was bei uns vor Ort passiert ist.“ Er hat das Thema für seine Masterarbeit an der Universität Zürich recherchiert und danach in Buchform verarbeitet. Im Fokus seiner Erzählung steht zunächst die Kommune Krummgasse 8 (KG8). Danach die Bewegung „Hydra“, die von Lehrlingen geleitet wurde. Er berichtete von Spitzeln, welche die Bewohner der KG8 unter die Lupe nahmen, von Homosexuellen, die in der Breitenau „geheilt“ werden sollten, von Lehrlingen, welche einen Metzgermeister zu einem besseren Lehrvertrag zwangen und von einer Vollversammlung der Jugend, welche die Bürgerlichen der Stadt das nackte Grausen lehrte. „Gruppensex und Haschpartys, so stellte sich die Konservativen das Leben in der KG8 vor“, so Brühlmann. „Einige hatten sogar Angst, dass die Bewegung von Moskau finanziert werde und mit Kalaschnikows bewaffnet das Schaffhauser Stadthaus stürmen wollten. In Wirklichkeit war die KG8 aber eher eine Debattier-WG.“ Die Revoluzzer wollten zwar auch Missstände wie die Konsumlust der Nachkriegsgeneration oder den Einsatz der USA in Vietnam kritisieren, sehr bald ging es aber um pragmatische Problemlösung vor Ort. Schlechte Lehrlingslöhne oder die Unterdrückung der Jugendkultur. Kevin Brühlmann las nicht nur spannende Passagen aus seinem Buch vor, sondern schmückte sie auch mit Erzählungen, was vor und nach der Recherche passiert sei. SRF-Legende Kurt Schaad beispielsweise gefiel das Buch, hatte sich aber darüber beschwert, wie er dargestellt wurde. Hannes Reiser gestand im Gespräch ein, dass die KG8 auch widersprüchlich war. Einerseits setzte man sich für die Rechte der Frauen ein, andererseits aber mussten die Damen in der KG8 den Haushalt schmeissen. Ohne Hilfe der Männer. „Man wollte zuerst den Kapitalismus überwinden. Danach seien ja dann sowieso alle gleich“, erzählte Kevin Brühlmann lächelnd. Er selbst wäre übrigens 1968 wohl nicht in die KG8 eingezogen. „Ich hätte gerne ab und zu vorbeigeschaut. Mit 18 Jahren hatte ich noch nicht so einen starken politischen Kompass. Vielleicht fasziniert mich gerade deshalb die Bewegung der damaligen Zeit.“ Der Autor hat bereits schon Ideen für ein zweites Buch. Man darf also gespannt sein.
Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Dienstag, 14. Dezember 2021.