«Unser Feuer brennt unermüdlich!»

Der radikal umgebaute «Jugendchäller» in Schaffhausen öffnet am Samstag unter dem Titel «klub 8». Das neue Team will den Raum nicht als Partymeile, sondern als neues Kulturzentrum betreiben. Von Hermann-Luc Hardmeier.

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Vor der Neueröffnung arbeiten Cyrill Wortmann, Dogukan Karatas, Maurice Corbach, Raoul Mökli und Yannick Vuga. (v.l.n.r.) vom klub 8 – Team bis zur letzten Minute fieberhaft, damit jedes Detail stimmt und perfekt zur Geltung kommt. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Die Leute sollen «wow» sagen, wenn sie den klub 8 betreten», freute sich Yannick Vuga auf die Neueröffnung. «Wir versuchten, möglichst viel vom neuen Innenleben geheim zu behalten und «posteten» auch nichts darüber auf Social Media.» Die Überraschung ist der neuen Mannschaft des ehemaligen Jugendchällers gründlich gelungen. Beim Eingang begrüsst einen das imposanteste Kassenhäuschen der Stadt, die Bar wurde versetzt, die Bühne herausgerissen, das Lichtpult schwebt in der Höhe und, und, und. Das neue klub 8 – Team besteht aus 10 Freunden, ein bunter Mix aus Studenten und Handwerkern im Alter von 20 bis 25 Jahren. Während 10 Monaten haben sie sich die Finger wund geschuftet, jedes Wochenende, jeden Feierabend und jede freie Minute verbrachten sie im Gewölbe der Safrangasse 8.

Die Strassennummer war sodann auch der Namensgeber des neu aufgefrischten Lokals. «Ich dachte ein paar Mal, jetzt ist dann Schluss. Wir stiessen an unsere Grenzen», erklärte Raoul Mökli. Als gelernter Zimmermann übernahm er die Bauführung und instruierte seine Mitstreiter. Mit einem Schreiner und einem Elektriker waren zwar einige erfahrene Arbeiter an Bord, mit einer «normalen» Baustelle war der klub 8 jedoch nicht zu vergleichen. «Das Konzept wurde laufend entwickelt. Planung und Umsetzung liefen parallel und wir haben überall ein bisschen angefangen», lachte Maurice Corbach. «Es ging nicht anders, denn wir haben immer wieder stundenlang diskutiert und Kompromisse gesucht, was wir wie umsetzen wollten.» Die neue Position der Bar im Raum und wie sie auszusehen habe, war dabei einer der Hauptknackpunkte. «Einig waren wir uns nur in einem: Wir wollten eine radikale Veränderung und einen Neustart», erklärte Yannick Vuga. So riss das Team die alte, teilweise verschimmelte Inneneinrichtung heraus. Bezahlt wurde das von Ersparnissen, vielen Spenden und 50 000.- aus dem Kulturfonds der Windler-Stiftung. «Im Nachhinein war es ein Glücksfall, dass wir vor dem klub 8 eine Baustelle hatten», erklärte Dogukan Karatas. «Wir bekamen grosszügig nicht gebrauchtes Baumaterial, durften Werkzeuge ausleihen und für den Transport des Maurermörtels half man uns sogar mit dem Kran aus.» Zu normalen Baustellenpreisen hätten sie sich den Umbau unmöglich leisten können.

Kulturlokal statt Partytempel
Die 10 Freunde haben früher zusammen Partys organisiert. «Schon damals waren wir mit HipHop, 2000er, Goa oder Techno» sehr breit aufgestellt und wollen das auch in den klub 8 einbringen», so Karatas weiter. «Der Raum wird nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich komplett verändert», erklärt Yannick Vuga. «Wir wollen wieder regelmässige Events wie Poetryslams, Konzerte, Kunstausstellungen und natürlich auch Partys veranstalten. Maurice Corbach ergänzt: «Der klub 8 wird mit einem vielfältigen Angebot ein Kulturzentrum für alle Altersgruppen werden und kein Partytempel.» Unter der Woche soll der klub 8 auch wieder zusammen mit der Jugendarbeit als Jugendtreff genutzt werden. Der Umbau war für das zehnköpfige eine enorme Belastungsprobe und nach der Eröffnung am Samstag geht die Arbeit erst richtig los. Zudem könnte der klub 8 auch als Konkurrenz wahrgenommen werden. «Uns ist es wichtig, dass wir ein Miteinander und kein Gegeneinander wollen», so Maurice Corbach. «Unser Angebot ist so breit, dass wir niemandem in die Quere kommen. Wahrscheinlich wäre es aber sinnvoll, sich da und dort abzusprechen.» Yannick Vuga bilanziert: «Wir sind durch den Umbau als Freunde extrem zusammengewachsen und bereit für den Start. Das Feuer in uns für neue Ideen und Pläne brennt unermüdlich. Wir können es kaum erwarten, loszulegen.»

Geschichte des Jugendkellers
1965: Eröffnungsfeier (26. November) nach zwei Jahren Bauzeit
1972: Zwischenzeitliche Schliessung des Jugendkellers wegen Gewalt- und Drogenproblemen
1975: Nochmalige Schliessung
1983-1988: Renovation und Wiedereröffnung
2001: Wegen Finanzproblemen gibt der Verein den Raum an die Stadt zurück
2001-2005: Nur noch Fremdveranstaltungen + Vermietung
2005: Umfassende Renovation mit neuer Bar, Bühne usw.
2006: Wiedereröffnung unter dem Namen «Chäller»
2022: Radikaler Umbau und Neueröffnung als «klub 8»

Eröffnungsdaten

  • 29. Oktober: Opening-Party (Soft-Opening, nur mit Voranmeldung)
  • 4. November: Offizielle Eröffnungsfeier: Ab 17 Uhr Tag der offenen Tür. Jeder ist willkommen, um sich den Umbau anzuschauen. Ab 19 Uhr Präsentation + formelle Eröffnung
  • 5. November: Erste Party und offizieller Start des klub 8

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichte“ am 24.10.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Ein musikalischer Vulkanausbruch

Die Berner Band „The Monsters“ brachten die Erde in der Kammgarn am Freitagabend zum Zittern. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Deftig, hart und powervoll waren die Klänge, die am Freitagabend in der Kammgarn zu hören waren. Den Anfang machte die Vorband Kabuki Joe aus Zürich, die gleich die Abrissbirne auspackten und mit voller Wucht auf die Trommelfelle der Zuhörer einhämmerten. Dort wo das Schlagzeug stehen sollte, wütete ein kleiner Tornado. Die teuflisch brennende Gitarre und der glühende Bass sorgten dafür, dass die Besucher gnadenlos in den Punkrock-Partykessel gezogen wurden. Der Sänger sprang wild auf der Bühne, hob die Bierflasche und rief: «Kommt nach vorne zum Tanzen. Ihr seid noch etwas scheu, aber wir werden euch schon einheizen.» Er sollte rechtbehalten. Das Publikum taute auf und liess sich von den vier Musikern mitreissen. «Ihr macht uns verdammt glücklich», freute sich der Frontmann zum Schluss und überliess die Bühne den «Monsters» aus Bern. Das Trio war sehr stylisch gekleidet. Weisses Hemd, Krawatte und ein roter Anzug erinnerten ein bisschen an den Rock’n’Roller und «Rock around the Clock»-Erfinder Bill Haley. Doch die Monsters beschritten mit Psychobilly eine ganz andere musikalische Schiene. Sie knüppelten gleich los und verwandelten die Kammgarn in eine Headbanging-Sauna der Extraklasse. Ihr Auftritt glich einem musikalischen Vulkanausbruch. Sie explodierten gleich mehrfach und die heisse Lava brannte auf ihrem Weg von der Bühne ins Publikum alles weg, was nicht tanzen konnte und keine Oropax trug. Texte waren bei den Monsters eher eine Seltenheit, es wurde geschrien, geröchelt und gefaucht. Emotionen standen im Mittelpunkt. So verwunderte es dann, dass für ein Melodienstück auf vorgedruckten Bierdeckeln ein Songtext verteilt wurde. Die Songzeilen zum «Yellow Snow Drink» wurden von den Gästen enthusiastisch mitgesungen. Frontmann «Beat-Man» war begeistert vom Einsatz der Besucher und rief heiser ins Mikrophon: «Mit euch ist es unglaublich angenehm zum Feiern.» Keine Frage, dieser Abend war nichts für Freunde von Kuschelrock. Gnadenloses Schwermetall, ekstatischer Punkrock und sprudelnder Gerstensaft standen auf dem Programm. Ein Gast brachte es gut auf den Punkt, indem er am Schluss meinte: «Die Lawine hat mich mitgerissen, es war wirklich Klasse.»

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 24. Oktober 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Mit Emil ist sogar die Steuererklärung ein Gaudi

Comedy-Urgestein Emil Steinberger zeigte am Montagabend in Dachsen, dass er auch noch mit 89 Jahren das Publikum zum Lachen bringen kann. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Alle wollten ihn sehen. Die Mehrzweckhalle in Dachsen war am Montagabend restlos ausverkauft. 270 Gäste waren für den Auftritt des Urgesteins der Schweizer Comedyszene gekommen. Steinberger ist nicht nur bekannt durch seine zahlreichen, jahrzehntelange Bühnenshows, sondern auch durch seine Rolle im Film «Schweizermacher» oder sein einjähriges Gastspiel im Zirkus Knie. Mit seinem Programm «Emil schnädered», tourt er derzeit durchs Land und gibt nochmals einen vielfältigen Einblick in sein Können. «Sie werden mir nicht glauben, was mir heute in Dachsen passiert ist», begann Emil seine Erzählungen. Als er im hiesigen Café bei einer Zeitungslektüre und einem koffeinhaltigen Getränk entspannen wollte, setzte sich eine Frau zu ihm und prellte zum Schluss die Zeche. Als er sie vor der Tür zur Rede stellen wollte, wurde er prompt verhaftet, da ihn die Dame angezeigt hatte. Die unglaubliche Geschichte war humorvoll erzählt und Emil löste zum Schluss auf: «Ich habe Ihnen einen Bären aufgebunden.» Der Mix aus echten Begebenheiten und erfundenen Geschichten, die durchsetzt mit lustig nachgespielten Alltagsbeobachtungen waren, sind eine Stärke von Emil. Egal ob er ein neuzeitliches Märchen erzählt, in welchem Aschenbrödel zusammen mit Schneewittchen ein Nailstudio eröffnet und zum Schluss der Schweizer Post der Nobelpreis verliehen wird, oder ob er sich über das Wort Kohlensäure aufregt. Emil ist auch mit 89 Jahren eine Wucht. Immer wieder lässt er durchblicken, dass er trotz weissen Haaren im Herzen ein schelmischer Lausbube geblieben ist. Er zieht den Abbau des Service Public durch den Kakao oder macht sich über Weinkenner lustig, die mit Ausdrücken wie «Der Wein schmeckt nach Karamell, Schokolade, aber auch Liebstöckel und Essigstich», wichtig und mondän auftreten. «Wer will schon einen Wein mit Essigstich?», mokierte er sich. Einer der stärksten Momente der Show war, als Emil einen genervten Ehemann spielte, der eine Hochzeitskarte für ein befreundetes Paar verfassen sollte. Er dachte sich die lustigsten Kombinationen aus, welche sich reimen könnten. Zwischendurch stritt er sich mit der imaginären Ehefrau, welches Hochzeitsgeschenk gekaufte werden soll und warum sie um Himmels Willen dieses Paar überhaupt kenne. «Wegen diesem Seich geht mein ganzer Samstag flöten», fluchte er. Danach setzte Emil an zu einer Mathematiklektion, bei welcher er anschaulich die Mengenlehre erklärte: «Ein Kreis sind Zürcher, ein Kreis ist Kalbfleisch. Was ist die Schnittmenge?» – «Züri Geschnetzeltes», rief das Publikum im Chor. Im zweiten Teil des Abends hatten einige Programmpunkte ein wenig an Schwung und Biss verloren. Vielleicht war die Aufführung mit zwei Stunden ohne Pause ein wenig zu lange geraten. Mit einem sehr amüsanten Rollenspiel, bei welchem ein Paar eine Steuererklärung ausfüllte, und mit einer Vielzahl von Zugaben schickte der Comedy-Meister jedoch alle Zuschauer beschwingt und vergnügt nach Hause.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 12.10.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Raketen und Rock’n’Roll zum Abschluss

An der Dernière der «Summer Music Nights» in Schaffhausen rockten die Bands den Cuba-Club nochmals kräftig. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Luciano Di Fabrizio und Ronny Bien im Cuba-Club. (Foto: Roberta Fele, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Es war einfach super», bilanziert Ronny Bien von der Bandunion den Verlauf der «Summer Music Nights». Zusammen mit Luciano di Fabrizio hat er im Salzstadel die diesjährige Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. An 18 Abenden gab es 36 Konzerte zu sehen und zu geniessen. «Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht», erklärt Ronny Bien. Da wegen den Umbauarbeiten beim Stadtgeviert der jährliche Konzertmarathon namens «Streetmusic Nights» an der Safrangasse nicht stattfinden konnten, wich man an den Salzstadel aus und taufte die Veranstaltung «Summer Music Nights». Das Gässli-Fest mit dem Charme von einem kleinen Locarno zog auf die Ferieninsel Salzstadel am Rhein um. «Wir mussten innovativ sein, sind aber mit der Lösung sehr glücklich», so Ronny Bien. «Die Kombination von Musik, Rheinblick und Verpflegung kam sehr gut an. Einige Stammkunden buchten im Voraus einen Tisch gleich für alle 18 Abende.» Die Bands konnten sich über ein Wetterglück und über grosses Zuschauerinteresse freuen. Nur zweimal mussten die «Summer Music Nights» wegen Regen in den Cuba-Club umziehen. «Schade, dass es gerade am Dernière-Abend sein muss, aber wir beklagen uns nicht», so Ronny Bien. Während im Cuba-Club am Donnerstag die Shadoogies mit Rock’n’Roll die Zuschauer einheizten, blickte der Veranstalter auf die Highlights und Erlebnisse zurück. «Einmal hatten wir 350 Besucher, das war schon heftig. Die Band «DenManTau» hat uns alle total überrascht, und genau am Hardrockabend regnete es so heftig, dass wir das Konzert nicht ganz fertig spielen konnten.» Nicht zuletzt war er auch mit seinem eigenen Auftritt als Mr. Mojo zufrieden. Sein Blues-Rock setzte die Tanzfläche damals in Brand. Keinen unwesentlichen Anteil hatte dabei das Team der Frisbee-Weltmeisterschaft, die zufällig am Salzstadel waren und mächtig gute Stimmung verbreiteten. «Die Konzertreihe war nicht nur super für die Gäste, sondern auch für die Gastgeber», freute sich Luciano Di Fabrizio. «Ich geniesse es, neue Bands und neue Musik kennenzulernen. Die wenigsten Besucher gehen gezielt wegen einer Formation, sondern eher wegen dem Ambiente und dem Gesamtpaket.» Neben der Musik gab es nämlich auch leckeres Essen an den Foodständen und ganz gratis einen nahezu perfekten Sonnenuntergang über der Eisenbahnbrücke zu bestaunen. Keine Frage, die «Summer Music Nights» haben das Schaffhauser Kulturleben bereichert und einen deftigen Farbtupfer in die Stadt gebracht. Das genossen die Gäste nochmals ausgiebig am Donnerstagabend im Cuba-Club, wo die Rockets als zweite Band mit irischen Partyklängen bis tief in die Nacht die sechste Ausgabe der Konzertreihe ausklingen liessen. «Und eines ist klar», sagte Luciano Di Fabrizo zum Schluss: «Die Streetmusic Nights» kommen nächstes Jahr wieder.»

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Samstag, 1. Oktober 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.