Horror-Kuh und Westernheld in Barzheim

Beim Theatersport vom Freitag- und Samstagabend in der Kammgarn war das Publikum Regisseur und eine kleine Schaffhauser Gemeinde wurde zum Running-Gag.

Foto: Jeannette Vogel

Einmal im Jahr lädt das Theater Schauwerk in die Kammgarn zum grossen Theatersport-Event. Dabei treten zwei Schauspieler-Teams gegeneinander an, welche im Vorfeld weder Drehbuch noch Inhalt ihrer Stücke kennen. Dies wird vom Publikum bestimmt und die Künstler inszenieren danach ein Kurztheater mit den gewünschten Zutaten. Moderiert wird das Ganze von einem Schiedsrichter und zum Schluss jeder Runde wird abgestimmt mittels roter und blauer Karten, welche Formation kreativer, frecher oder lustiger gespielt hat. Die Veranstaltung ist bei den Schaffhausern sehr beliebt und sorgte für ein ausverkauftes Haus an beiden Abenden mit insgesamt 570 Besuchern. Am Freitagabend traten vom Team «Improphil» aus Luzern Reto Bernhard und Randulf Lindt gegen ihre Herausforderer «Improtheater» aus Konstanz Britta Lutz und Roberto Hirche an. Am Samstagabend gab es einen thematischen Theatersport mit dem Thema Natur. Anlass war das 50-Jahr-Jubiläum des WWF Schaffhausen. Unterstützt wurden die Künstler von der dreiköpfigen Pocket-Band.

Bildlegende: Bollywood-Show in der Kammgarn am Theatersport-Event. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier. Foto: Jeannette Vogel)

Vom Mond in die Kirche
Das erste Spiel am Freitagabend nannte sich «Stop’n’Go», bei welchem von den vier Schauspielern möglichst unterschiedliche Kombinationen und stetig wechselnde Schauplätze und Szenen gefordert waren. Das Publikum gab als Vorgabe, dass die Szene auf dem Mond beginnen sollte, ein Zahnarzt musste vorkommen und jemand musste als Hobby Wrestling-Kampfsport betreiben. Die Szenen nahmen überraschende Wendungen mit Schwangerschaftsgymnastik, einem Reggae-Song, Hantelstemmen im Fitnesscenter und schlussendlich endete die Darbietung mit einem «Ave Maria» in der Kirche.

Barzheim als Highlight
«Für die nächste Szene brauchen wir einen Ort, den man in Schaffhausen kennen müsste», fragte der Moderator. «Rheinfall», «Lindli» und «Barzheim» wurde gerufen. Die Theatertruppe entschied sich für das kleine Dorf Barzheim und musste unter grossem Gelächter der Gäste zunächst eine gewöhnliche Alltagssituation in Barzheim spielen. Diese sollte dann von Hollywood neu verfilmt werden. Das Publikum wünschte sich dafür ein Remake als Horrorfilm, als Bollywood-Tanzfilm und einen Western. Es folgte nun Szenen, wie es sie wohl in Barzheim noch nie gegeben hatte. Eine blutrünstige Kuh zog eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt, eine fröhliche Bollywoodtruppe sang auf dem Marktplatz so mitreissend, dass sogar das Rindvieh die Hüften kreisen liess und zum Schluss lehrte ein Revolverheld die kleine 174-Seelen-Gemeinde das Fürchten. Die Darbietung war so gelungen, dass es viel Zwischenapplaus gab und bereits die erste La-Ola-Welle des Abends. Barzheim entwickelte sich sodann zum Running-Gag und wurde immer wieder einmal humorvoll in die Aufführungen eingebaut.

Laser-Schwert im Kindergarten
Das Highlight am Freitagabend war sicherlich die Runde mit dem Titel «Lieblingsspiel». Luzern brauchte einen Protagonisten für ein Märchen. Komplett in Versform gereimt spielten sie sodann eine romantische Komödie mit einem verwirrten Zwerg und einem zweiköpfigen Drachen, bei welcher ein Burg-Fräulein befreit werden musste. Konstanz hingegen teilte das Team. Roberto erfand zusammen mit dem Publikum eine Story. Britta wartete vor der Türe und musste danach erraten, wie ein Kindergartenlehrer mit einem Laser-Schwert bewaffnet zur Arbeit ging, das ertrinkende Kind im Aquarium jedoch von einer Kaulquappe gerettet wurde. Der Clou dabei, Roberto erzählte ihr die ganze Geschichte auf Kauderwelsch-Russisch und in Zeichensprache. Der Saal kugelte sich vor Lachen und staunte mit offenen Mündern, als Britta tatsächlich die ganze Geschichte erraten konnte. Viele weitere kreative Spiele und sogar eine Zugabe folgten. «Wir hatten zwei hochkarätige Abende und eine super Stimmung», bilanzierte Katharina Furrer vom Schauwerk zum Schluss erfreut.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. Januar 2023.

Der Liftboy verblüffte die Kafka-Fans

Am Dienstag überraschte das Stadttheater Schaffhausen das Publikum, indem der sonst so düstere und traurige Franz Kafka humorvoll inszeniert wurde. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

«Mein Dienst ist lächerlich und kläglich leicht (…), ich weiss nicht, wofür ich Geld bekomme.» Franz Kafkas Klage über seine Anstellung bei der «Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt» konnte man immer auch humorvoll verstehen. Er bezeichnete seinen Beruf als «Brotjob» und fand seine wahre Passion im literarischen Schreiben. Werke wie «Die Verwandlung», bei welchem ein Handelsreisender sich in einen Käfer verwandelt oder «Der Process», bei welchem ein unbekanntes Gericht einen Herrn einer unbekannten Tat beschuldigt, machten den Autor berühmt. Weniger oft auf den Bühnen gespielt wird hingegen das Buch «Amerika (Der Verschollene)», welches am Dienstag im Stadttheater von der Württembergische Landesbühne Esslingen (WLE) aufgeführt wurde. «Bei Kafka leidet man oft als Zuschauer», erklärte Knut Spangenberg beim Theatergespräch vor Vorstellungsbeginn. «Uns gefiel, dass das Buch Amerika für einmal zum Schmunzeln einlädt und ein wenig an Charlie Chaplins Film «Modern Times» mit der Zahnradszene erinnert.» Am Dienstagabend schlitterte der Protagonist Karl Rossmann von einer vertrackten Situation in die nächste. Chaplins Zahnräder waren jedoch nicht aus Metall, sondern zeigten sich als Metapher bei den Mitmenschen von Rossmann. Er schien gefangen in einem Labyrinth von äusseren Zwängen, die er nicht beeinflussen konnte. Die perfekte Beschreibung für die kafkaesken Situationen, in welche Kafkas Figuren immer wieder hineingeraten. Der Protagonist Karl Rossmann hatte eine Affäre mit seinem Kindermädchen und nach ihrer Schwangerschaft flüchtete er nach Amerika. Einerseits aus Angst vor der familiären Schande, andererseits, um keine Alimente zahlen zu müssen. Nur zu gerne hätte er dort einen bürgerlichen Beruf angenommen, doch es wird ihm ein Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine geworfen.

Foto: Jeannette Vogel. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Die Peripetie erreicht das Stück, als seine Karriere als Liftboy in einem Edelhotel scheiterte. Es stellte nicht nur der Wendepunkt in seinem möglichen bürgerlichen Aufstieg dar, sondern war auch ein humoristisches Highlight für Kafka-Kenner. Das telefonische Streitgespräch zwischen der Oberköchin und Rossmanns Vorgesetzten sorgte für ungewohnte hochgezogene Mundwinkel. Das Esslinger Ensemble warf zudem spannende Interpretations-Scheinwerfer auf die Figur des Randständigen Robinson: Vom Saboteur zur moralischen Stütze für Rossmann. Aber auch auf die Schlusszene im «Oklahoma Theater». Kafkas Fragment lässt den Ausgang offen. Auch der Tod Rossmanns scheint denkbar. Am Dienstag jedoch wurde er vom neuen Arbeitgeber endlich mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Humor und Happy End? Absolut untypisch für Franz Kafka. Für den Theaterbesucher jedoch ein überraschendes und spannendes Erlebnis.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten am 19. Januar 2023. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Bierdusche bei der Plattentaufe von „Purple Headspace“

Im „Klub 8“ in Schaffhausen taufte am Freitagabend die Band „Purple Headspace“ ihre neue CD. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Der Abend begann ganz harmlos und endete in einem kochenden Partykessel. Die Schaffhauser Band Purple Headspace hatte in den Klub 8 geladen, um ihre neue Scheibe namens «The art of ruining evertythin» zu taufen. Zuerst füllte sich der Klub 8 verhalten mit Besuchern, doch plötzlich war der Raum voll mit tanzhungrigen Gästen, welche von der Vorband «Kugelwal» deftig aufgemischt wurden. Die Band war wie ein musikalischer Schneepflug, der alles überfuhr, was sich ihm in den Weg stellte. Das Duo war nur mit Bass und Schlagzeug ausgerüstet, doch die zwei Instrumente hatten viel Power und die selbstironischen Songs animierten zum Mitsingen. Besonders ein Lied, bei welchem es um ein Spanferkel ging. Danach erklang das Intro der Filmreihe «Star Trek» und Purple Headspace enterte die Bühne. Das Trio startete mit Gitarre, Bass und Schlagzeug etwas ruhig, doch es braute sich ein Unwetter zusammen und beim dritten Song brach das Gewitter aus. Es donnerte und blitzte heftig. Der Sänger zog das T-Shirt aus und die Leute tanzten wilden Pogo vor der Bühne. Es erklang ein wilder Mix aus Punkrock, Grunge, Psychodelic-Rock und Stonerrock. «Unsere Musik hat extremen Punch und Energie», erklärte Drummer Loris Brütsch. «Wir überraschen gerne und die Songs verlaufen nie 0815-mässig.» Und er sollte recht behalten. Das Gewitter verwandelte sich in einen Tanz-Tornado und erlebte seinen Höhepunkt, als das Trio mit einer Bierdusche die neue Scheibe feierlich tauften. «Es war genial», sagte Dogukan Karatas vom Klub 8 – Team. «Wir möchten unser kulturell vielfältiges Programm zeigen und freuen uns sehr, dass Purple Headspace als erste Band im neuen Club so einen tollen Start aufs Parkett gelegt hat.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Dienstag, 3. Januar 2023.