Der Soul-Onkel mit der frechen Fliege

Am Mittwoch spielt Ben «L’oncle Soul» in der Kammgarn. Er dreht die Hitparade durch den Soulmixer und will, dass die Leute mit ihm feiern. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Schaffhausen? Ich habe nie davon gehört. Im Internet sahen die Bilder des Städtchens aber ziemlich schön aus», antwortet der Franzose Ben Duterde auf die Frage, ob er schonmal in der Munotstadt gewesen sei. Ben nennt sich «L’oncle Soul» und hat in seinem Studio nicht nur viele Instrumente, sondern auch einen Soulmixer stehen. Gnarls Barkley, «Barby Girl» oder «I kissed a girl” von Katy Perry spielte er schon in fetzigen Soulversionen. Seinen Durchbrauch feierte er aber 2010 mit einer souligen Coverversion des Songs «Seven Nation Army» von den White Stripes.

Überraschung am Konzert

Wer jetzt aber denkt, Ben L’oncle Soul schmücke sich nur mit fremden Federn, liegt ganz falsch. Mit «Red Mango» hat er mittlerweile sein sechstes Album mit vielen eigenen Liedern herausgebracht. «Ich spiele Musik, die von Soul sowie R’n’B inspiriert ist. Besonders die 60er-Jahre haben es mir angetan», erklärt er. Wer aber an schon einmal an einem Auftritt vom Soulonkel war, der stellt überrascht fest: Die Lieder klingen fast nie wie auf dem Album. «Ich liebe es, den Sound meiner Seele und meine aktuelle Stimmung in allen Facetten auszuleben. Ich halte mich nicht an Regeln, sondern spiele die Songs, wie ich mich gerade fühle.» L’oncle Soul kann man klanglich fast schon mit den «Motown Classics» in einen Topf werfen. Er klingt ein bisschen wie Otis Redding, Aretha Franklyn oder Ray Charles. Seine grosse Inspirationsfiguren waren jedoch auch Stevie Wonder und Al Green.

Politik nicht inspirierend

Soul als Musikrichtung entwickelte sich aus der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik Ende der 1950er Jahre. Taktgeber waren Gospel sowie Rhythm and Blues. Die Musik hatte aber nicht nur eine entspannende, sondern in den 1960er-Jahren auch eine wichtige politische Komponente. Soul ist eng verknüpft mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, welche sich gegen die Rassentrennung in den USA wehrte. Aktivisten wie Martin Luther King setzen sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen ein. Die Rede «I have a dream» aus dem Jahr 1963 war damals und heute weltberühmt. Fragt man Ben L’oncle Soul zum Thema Politik, winkt er jedoch ab. «Ich finde Politik für die Musik nicht wirklich inspirierend. Ich bevorzuge die Poesie, die Malerei oder einen Abend mit guten Freunden.» Der Künstler erklärt, dass seine Musik nicht zum Hauptziel habe, die Welt zu verändern. «Ich schreibe Texte, weil ich die Musik liebe und mir das viel zurückgibt. Das genügt mir völlig.» Seine Lieder seien immer emotional. «Das ist das Beste, was dir Musik geben kann.»

Religion und Schokolade

Auf dem neuen Album von Ben L’oncle Soul ist aber dennoch ein Lied, das aufhorchen lässt. Bei «Is it you?» fragt sich der Künstler, ob Gott existieren. «Bei diesem Text schaue ich mich um. Ich sehe Farben, die Natur und sage mir, dass es doch ein Irrsinn sei, dass jemand das alles erschaffen habe. Die Welt ist wunderschön. Und deshalb spielt es gar keine Rolle, ob sie einfach so entstanden ist oder ein Schöpfer dahintersteht. Man soll die Natur einfach geniessen, so wie sie ist.» Ein ganz anderes Lied von Ben Duterde sorgte 2012 übrigens ebenfalls für Furore. Es liess die Zuhörer jedoch auf eine ganz andere Art aufhorchen: Sein Song «Petite Soeur» wurde für den TV-Werbespot von Duplo verwendet.

Neue Sphären

L’oncle Soul macht auf seinem neuen Album nun auch Ausflüge in den Reggae und Rocksteady. Doch seine Basis ist und bleibt Soul sowie R’n’B. Die Coverversion von William Bell namens «I forgot to be your lover» ist dafür ein gutes Beispiel. In den aktuellen Charts ist Ben derzeit der Soulbrother number one. Wenn er in der Kammgarn sodann noch sein Markenzeichen – eine Fliege – trägt, dann wird ihn nichts mehr aufhalten können. «Ich hoffe, die Schaffhauser zeigen Emotionen und haben Lust zu tanzen», freut er sich. «Ich möchte in der Kammgarn jede Menge Spass haben.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 13. Februar.

Poetryslam: Plötzlich rappte der ganze Löwensaal

Am 3. Provinzslam im Löwensaal in Andelfingen texteten, reimten, sangen und überraschten fünf Slammerinnen das Publikum am Laufmeter. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Heute könnt ihr die Regeln in den Müll werfen», freute sich Moderatorin Rahel Fink. Den Gästen im Löwensaal hatte sie noch kurz zuvor die Regeln an einer typischen Poetryslam-Veranstaltung erklärt. Doch beim 3. Provinzslam in Andelfingen handelte es sich eher um eine Poetry-Show als um einen Slam. Unter dem Motto «Sisters of Slam» traten drei Poetinnen und eine Musikerin zusammen mit der Moderatorin auf. «Im Knock-Out-System bei Poetryslams fliegen immer wieder Kandidatinnen und Kandidaten hinaus, von welchen man gerne mehr gehört hätte», erklärte Rahel Fink die Idee der Veranstaltung. «Um dem entgegenzuwirken, werden wir deshalb heute von allen zwei Texte hören und niemand muss von der Bühne.»

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Der Poetinnenrat mit Sarah Anna Fernbach, Annika Biedermann, Jessy James LaFleur, Rahel Fink und Eva Niedermeier (v.l.n.r.) rockte die Bühne in Andelfingen. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Falten und Spinnen

Nachdem Eva Niedermeier den Anlass mit einem Song eröffnete hatte, startete Rahel Fink in ihrer Doppelfunktion als Moderatorin und Slammerin mit dem ersten Text. Ihre Zeilen trugen den Titel «Falten». Sie erklärte darin den Gästen, dass jedes Gesicht eine Geschichte erzählt. Egal ob vom Nachdenken über die Weltpolitik oder beim provokativen Anlächeln eines SUV-Fahrers, jedes Erlebnis ergibt eine Gesichtsfalte. «Inspiriert für diesen Text wurde ich übrigens dadurch, als ich mein erstes graues Haar fand», berichtete sie lachend. Im Anschluss verblüffte Sarah Anna Fernbach die Zuhörer. Ihr Tempo, ihre Reime, ihre Tiefsinnigkeit und das kreative Sprachspiel zog einem sofort in den Bann. «Wenn du heute sterben würdest, könntest du damit leben?», fragte sie rhetorisch. Sie amüsierte sich darüber, dass Frauen beim Duschen eine Vielzahl von Düften und Aromen benutzen, Männer hingegen einen Allzweckreiniger in einer Mischung aus Stahl, Beton und Natronlauge verwendeten. Seitenhiebe gab es auch gegen den Fitnesskult und man erfuhrt von ihrer Spinnenphobie. «Beim Workout sehe ich aus wie eine Süsskartoffel», gestand sie und beschwerte sich, dass Spinnen 10 Centimeter über ihrem Bett und über ihrem Kopf nichts verloren hätten.

Mehr Drachentöterinnen

Annika Biedermann nahm die Zuhörer mit auf eine philosophische aber auch amüsante Reise durch ihr unaufgeräumtes Wohnzimmer. «Wenn mein Zimmer für dich schon Chaos ist, dann warte, bis du in meinen Kopf schaust», konstatierte sie. «Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich aufgeräumt», sagte sie zuerst, verneinte es jedoch im Verlaufe des Textes. Ihr «Sturm-und-Drang»-Charakter müsse sich emotional und kreativ ausleben. Eine Ordnung wäre dabei hinderlich und anstrengend. Dennoch schlug sie zum Schluss versöhnlich vor, dass man doch gemeinsam aufräumen könnte. «Ich bin hier, um Stress zu machen», versprach schlussendlich Jessy James LaFleur. Sie kritisierte stereotype Rollenbilder im Märchen. Frauen hätten keine Lust darauf, gerettet und erlöst zu werden. «Ich will keinen Stalker, der im ganzen Land meine Füsse sucht, um mir Glasschuhe anzuziehen», nahm sie die Geschichte von Aschenputtel aufs Korn. Sie gestand jedoch ein, dass sie den 100-jährigen Schlaf von Dornröschen manchmal gut gebrauchen könnte. Für sie war klar, dass es in Märchen mehr Drachentöterinnen und mehr Piratinnen brauche. Zudem solle man weibliche Leserinnen dazu animieren, sich auf keinen Fall für einen Mann oder für die Gesellschaft zu verändern. «So wie du bist, ist es richtig», forderte die Slammerin und bilanzierte: «Die nächsten Märchen bestimmen wir selbst und sie sind noch längst nicht fertig geschrieben.» Es folgten weitere schöne, aber auch traurige Lieder von Eva Niedermeier. Die Slammerinnen kritisierten danach die Geheimnistuerei beim Thema Lohn, die Korruption im Fussball oder das Microsoftprogramm Excel. Der 3. Provinzslam war vielfältig und gelungen. Doch das Highlight des Abends war sicherlich der zweite Auftritt von Jessy James LaFleur. Sie inszeniert spontan zusammen mit der Gitarristin einen Rapsong namens «City of Soul». Sie brachte die Besucher dabei zum Mitsingen und Mitklatschen. Ihr Auftritt hatte Power und einen dickem Flow. Die Überraschung war gelungen und sie meinte zum Schluss: «Andelfingen, ich nehme euch mit auf Tour. Ich habe Tränen in den Augen.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 30. Januar.