Theaterkritik: Ein Kuss entlarvte die Lüge

Im Theaterstück «Shakespeare in Love» zeigte das Theater Kanton Zürich am Mittwoch auf der Freiluftbühne in Marthalen eine erfundene Liebesgeschichte um den legendären englischen Dichter. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Das Theater Kanton Zürich gastierte mit „Shakespeare in Love“ in Marthalen. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier. Foto: Hermann-Luc Hardmeier.

«Es war der Wunsch der Vereinsmitglieder, wieder einmal ein Openair-Theater zu veranstalten», erklärte Martin Eggenschwyler, Präsident des Vereins Dorfläbe Marthalen. Vor sechs Jahren spielte vor der Mehrzweckhalle im Dorf schon einmal das Theater Kanton Zürich ein Stück. Zufälligerweise ebenfalls im Zusammenhang mit Shakespeare: Ein Sommernachtstraum. «Wir wollen mit dem Theater direkt zu den Leuten gehen, damit sie Kultur im Dorf erleben können», sagte auch Saskia Kehl vom Theater Kanton Zürich. Pro Jahr spielen sie 150 bis 200 Veranstaltungen und haben mit den verschiedenen Veranstaltungsorten in den Gemeinden und der Abhängigkeit vom Wetter viele Herausforderungen zu meistern. Für Mittwoch war ursprünglich Regen angesagt, doch Saskia Kehl entschloss nach Rücksprache mit dem Wetterdienst die Veranstaltung Openair und nicht in der Mehrzweckhalle durchzuführen. Das Stück «Shakespeare in Love» ist eine erfundene Liebesgeschichte nach dem gleichnamigen Hollywoodfilm von John Madden mit unter anderem Joseph Fiennes und Gwyneth Paltrow in den Hauptrollen. In der Bühnefassung von Lee Hall standen Axel Julius Fündeling und Eva Maropoulos in Marthalen mit dem Ensemble des Theater Kanton Zürich vor knapp 100 Besucherinnen und Besuchern. Der junge William Shakespeare litt unter einer Schreibblockade und hatte von seinem berühmten Werk «Romeo und Julia» erst einen Anfangssatz und einen rudimentären Titel gefunden. Zudem sassen ihm zwei Theaterdirektoren im Nacken. Auch die Suche nach geeigneten Schauspielern entwickelte sich zum Desaster. Ein Stotterer, ein aufdringlicher Bühnenschreck, ein Trunkenbold und ähnliche illustre Gestalten brachten William Shakespeare an den Rande der Verzweiflung. Passend zum Inhalt des Stücks weinte just in dem Moment ein Mädchen auf dem nahegelegenen Marthaler Spielplatz herzzerreissend. Offenbar hatte sie sich auf der Rutschbahn den Ellbogen angeschlagen und untermalte mit ihrem Wehklagen die Dramatik auf der Bühne. Doch plötzlich tauchte der Schauspieler Thomas Kent in den Theaterproben auf und begeisterte alle. Er schien die Idealbesetzung zu sein. Wenig später verliebte sich William Shakespeare auf einem Ball in die attraktive Viola und wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie und Thomas Kent ein und dieselbe Person waren. Der Schwindel flog erst auf, als sich bei den Proben die Kussszene nicht nach dem Geschmack des Maestros entwickelte und er den Schauspielern demonstrieren wollte, wie man richtig küsse. Wie ein Blitz durchfuhr es ihn, als er die Lippen von Thomas Kent alias Viola berührte. Dank diesem Kuss und der Hilfe des Theaterdichters Christopher Marlowe gewann Shakespeare seine Inspiration zurück und konnte das Stück zu Ende schreiben. In der Version von «Shakespeare in Love» verarbeitete er darin viele Aspekte seiner eigenen tragischen Liebesgeschichte zu Viola, die noch viele Wendungen nahm und schlussendlich unglücklich für ihn, aber glücklich für zukünftige Theaterstücke endete. Das Theaterstück in Marthalen war sehr humorvoll, kurzweilig und unterhaltsam. Da spielt es auch keine Rolle, dass nicht nur das Liebesleben von Shakespeare erfunden war, sondern auch der komplette Kern der Handlung. Shakespeare erfand die Geschichte nicht, sondern adaptierte sie lediglich fürs Theater, basierend auf dem Versbuch von Arthur Brookes «The Tragicall Historye of Romeus and Juliet», welches 40 Jahre vor Shakespeares Version geschrieben wurde. Und auch dieses Buch basiert auf einer italienischen Vorlage und auch jene kann bis zur griechischen Mythologie auf Sagen wie z.B. Hero und Leander oder auf die mittelalterliche Erzählung Tristan und Isolde zurückgeführt werden. Doch gerade diese fiktive Erzählung gefiel dem Publikum in Marthalen enorm. «Es war perfekt», bilanzierte Saskia Kehl und genau fünf Minuten nach Vorstellungsende setzte doch noch der Regen ein.

Erschienen am Freitag, 12. Juli 2024 in der Zeitung Schaffhauser Nachrichten von Hermann-Luc Hardmeier.

Mehr als „nur“ eine Partymeile

Am Wochenende findet zum 6. Mal das Lindli Fäscht statt. Die Veranstaltung hat sich gewandelt vom Partyevent zum Kulturanlass mit Bands und Tanzgruppen mit über 200 Tänzerinnen und Tänzern. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Das Lindli Fäscht ist mittlerweile einer der wichtigsten Events des Schaffhauser Kulturangebots. Die Veranstaltung startete 2017 mit rund 20 000 Besucherinnen und Besuchern und ist bis zum letzten Jahr auf 50 000 gewachsen. Das Programm ist sehr vielfältig und reicht vom Kinderspielbereich mit Hüpfburgen, vielen Bars, ausgedehntem Foodbereich bis hin zu einer kleinen Chilbi, einem Balkan-Kultur-District und zwei Stages für Livebands und natürlich einer ausgedehnten Partyzone. Vom Beginn der Unterstadt bis hin zum Lindli erstreckt sich eine einzige riesige Festmeile. Ein wichtiger Aspekt sind auch die Tanzgruppen, welche im Verlaufe der Jahre immer präsenter im Nachmittagsprogramm geworden sind. Dieses Jahr werden über 200 Tänzerinnen und Tänzer auf den Bühnen am Salzstadel und im Mosergarten ihr Bestes geben. Das Angebot reicht von Hiphop über Contemporary bis zu Rock’n’Roll. „Wir haben auch dieses Jahr ein bunt gemischtes Angebot für Kinder, Familien und Partygänger“, sagt Aline Gysel, welche am Lindli Fäscht die Tanzgruppen und Bands koordiniert. „Wir hatten 2019 erstmals Tanzgruppen und das Feedback der Gäste war so super positiv und begeistert, dass wir das Angebot stetig ausgebaut haben.“ Aline Gysel wird ebenfalls bei einem Team mittanzen und freut sich über die Doppelrolle auf der Bühne und hinter den Kulissen. „Tanzen ist meine Leidenschaft. Die Kombination von Musik und Sport begeistert mich und ersetzt für mich die Hantelbank.“ Warum die Tanzshows am Lindli Fäscht auf so viel Zuspruch stossen, erklärt sich Sebastian „Seba“ Waldmeider vom OK folgendermassen: „Auf Social Media ist das Tanzen zum grossen Hype geworden und viele freuen sich, das auch „live“ zu sehen.“ Er würde sich vom Publikum wünschen, dass sie sich nicht nur die Shows ansehen, sondern auch den einen oder anderen Tanzschritt gleich selbst am Event ausprobieren. 2024 wartet das Lindli Fäscht zusätzlich zu den vielen Tanzgruppen mit zahlreichen weiteren Neuerungen auf. Es gibt neben der neuen Stage im Mosergarten auch ein EM-Public-Viewing an der Goldstein und weitere Überraschungen. „Neben der Unterhaltung ist für uns auch Sicherheit ein grosses Thema“, erklärt Tobias Hunziker vom OK. „Erfreulicherweise hat sich das Lärmthema sehr beruhigt. Wir haben gute Kompromisse und ein gutes Einvernehmen mit den Anwohnerinnen und Anwohnern gefunden. Sie wissen, dass wir unser Wort halten und wir viel gemacht haben wie die Bühnen zu drehen, Patrouillen, die regelmässig in den Quartieren Präsenz markieren, und wir halten uns strikt an die Auflagen und Grenzwerte.“ Das Team umfasst mittlerweile mehrere Hundert Personen. Selbst den Abend zu geniessen, ist für die Macher des Lindli Fäscht aber nur zeitweise möglich. „Wenn das Wetter mitspielt, es keine Zwischenfälle gibt und alle Zahnräder ineinander greifen, dann freuen wir uns“, sagte Sebastian Waldmeier. „Wir sind am Abend selber aber so stark mit Arbeit und Organisation absorbiert, dass wir oft erst nach dem Fest realisieren, wie toll es war.“ Aline Gysel sieht das ähnlich und unterstreicht: „Wenn die Gäste feiern und zufrieden und inspiriert den Event geniessen, ist das für uns das Schönste am Lindli Fäscht.“

Erschienen am 1. Juli 2024 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“. Von Hermann-Luc Hardmeier.