Wenn Geheimagenten Physiker jagen

Im Stadttheater wurde am Mittwoch eine etwas brave, aber auch anregende Inszenierung von Dürrenmatts Klassiker aufgeführt. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Die drei Physiker Newton, Möbius und Einstein werden nach ihren Morden neu von Pflegern bewacht. (Foto: Jeanette Vogel, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Mord im Stadttheater Schaffhausen. Das Stück «Die Physiker» von Friedrich Dürrenmatt begann am Mittwochabend damit, dass eine tote Krankenschwester auf der Bühne lag. Für den Tod verantwortlich war ein Patient der psychiatrischen Klinik «Les Cerisiers», der sich für den berühmten Physiker Albert Einstein hielt. Auch ein zweiter Bewohner des Sanatoriums hatte eine Krankenschwester ermordet: Er hielt sich für den Physiker Newton. Die zwei waren jedoch keineswegs mentale Pflegefälle, sondern in Wirklichkeit vom Geheimdienst der USA und der Sowjetunion. Sie jagten den Physiker Möbius, der ebenfalls Patient im Sanatorium war. Dieser hatte die Weltformel entdeckt, welche im Wettrüsten zwischen den zwei Grossmächten fürchterlich Waffen und entscheidende Vorteile hervorbringen könnte. Damit seine Erfindungen nicht missbraucht werden können, spielte Möbius den Verrückten und versteckte sich in der «Irrenanstalt». Ihm erscheine der König Salomo, behauptete er.

Missbrauch der Wissenschaft

Das Stück aus dem Jahre 1961 ist eine Parabel für den Kalten Krieg. Möbius spielte in diesem Gleichnis den Wissenschaftler, der die Gefährlichkeit seiner Erfindung erkannte und zum Schutze der Menschheit ins Irrenhaus flüchtete. Ganz anders als Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe, nahm er seine Verantwortung als Wissenschaftler wahr. Dürrenmatt konzipierte das Stück als Tragikomödie, welche humorvoll beginnt, danach aber eine grässliche Wendung nimmt, weil die Anstaltsleiterin Mathilde von Zahnd die Weltformel von Möbius missbraucht. In der Parabel steht sie stellvertretend für die Politiker des Kalten Krieges. Ihr «Spiel» mit dem Atomkrieg ist «irre» und brandgefährlich. Das Theater Kanton Zürich inszenierte unter der Regie von Niklaus Helbling eine Version des Stücks, welche sehr nahe am Text war. Im Vergleich zur Version von Herbert Fritsch im Schauspielhaus Zürich war dies eine sehr «brave» Auslegung. Interessant war das Bühnenbild mit den doppelten Türen und doppelten Stühlen. Es unterstrich die Botschaft, dass niemand auf der Bühne die Person war, die er vorgab zu sein. Gut umgesetzt waren Mordszene und der Besuch von Möbius’ Familie, welche im Original etwas langatmig sind, in der Version des Theater Kanton Zürich jedoch actionreich und humorvoll. Zum Schluss erschien im Gegensatz zum Originaltext König Salomo, der Möbius wie in einem Horrorfilm als Marionette benutzte. Hätte dies Dürrenmatt gefallen? Einerseits nein, da es seine Botschaft veränderte. Anderseits ja, da es grotesk war und eine Verfremdung erzeugte, die zum Nachdenken anregte. Der sogenannte V-Effekt war eins von Dürrenmatts Lieblingsstilmitteln. Insofern war das Stück gelungen inszeniert: Man lachte, aber erinnerte sich auch an die Gefahren des Kalten Kriegs. Leider wieder ein sehr aktuelles Thema.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 15. November 2024.

Deville teilte genüsslich gegen alle Seiten aus

Ex SRF-Moderator und Satiriker Dominic Deville schockierte und begeisterte im Stadttheater. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

«Momentan wäre es ein guter Moment, um Kokain zu konsumieren», war einer der derben Sprüche von Dominic Deville. Der Satiriker trat am Donnerstagabend im Stadttheater Schaffhausen auf. Er galt als designierte Erbe der sonntäglichen Satiresendung Giacobbo-Müller auf SRF und hat sieben Jahre und 153 Sendungen lang das politische und gesellschaftliche Geschehen durch den Kakao gezogen. Wer einmal «live» im Publikum sass, weiss, dass Deville immer wieder Sprüche servierte, die zu heftig für SRF waren und sodann rausgeschnitten wurden. Gesendet wurde eine gezähmte Version des ehemaligen Punkrockers und ausgebildetem Kindergartenpädagogen. Bei seinem Bühnenprogramm «Off» scheint es nun, als müsste er keine Rücksicht mehr nehmen und kann sich von allen Fesseln lösen. Im Stadttheater sorgte das zuweilen auch dafür, dass man manchmal leer schluckte. Einige der Scherze waren köstlich, einige tanzten auf dem schmalen Grat des guten Geschmacks und einige überschritten die Grenze auch deutlich. Dominic Deville teilte beispielsweise kräftige gegen Abtreibungsgegner aus und bezeichnete die «Marsch für s’Läbe»-Teilnehmer als Gebärmutter-Taliban. Er fand, die Hamas hätte den Gotthardtunnel besser als die Schweizer bauen können und schimpfte über Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli. Besonders hart ging er mit den SBB ins Gericht, weil sie auch nach 20 Jahren es nicht geschafft haben, alle Bahnhöfe barrierefrei zu gestalten und körperlich beeinträchtigte Personen nach wie vor Probleme beim Nutzen des ÖVs dadurch haben. Keine Frage: Dominic Deville ist kein Peach Weber, der einfach amüsieren und unterhalten will. Der Satiriker hat viel zu sagen und will es explizit auch in derben und eindeutigen Worten ausdrücken. Dass er dazwischen Scherze einbaut und dabei weder Menschen mit Beeinträchtigung, Politiker oder Drogenkonsumenten schont, gehört für ihn klar zum Programm. Als der deutsche Satiriker Jan Böhmermann 2016 sein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Erdogan veröffentlichte und dabei von fast allen Seiten dafür Schelte kassierte, hörte man als Rechtfertigung immer wieder folgenden Satz: Satire darf alles, solange sie als Satire erkenntlich ist. Diesen Freipass nutzt Dominic Deville ausgiebig und geniesst es sichtlich. Er kennt keine Tabus und keine Grenzen. Das ist erfrischend, unterhaltsam, humorvoll aber auch immer wieder erschreckend. Fazit: Zum Glück kein Abend für oberflächliches Gefasel und belanglose Witzchen. Aber auch kein Abend für politische Korrektheit und schwache Nerven.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 2. Nov. 2024.

Der Hippie-Bus machte einen Partyhalt in Schaffhausen

Der Schweizer Reggaesänger Dodo begeisterte am Samstagabend in der Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

«Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl», war einer der magischen Sätze, welche das Publikum am Samstagabend von Dodo zu hören bekam. Der Entertainer mit den warmen Vibes und dem grossen Hut brachte einen riesigen Rucksack voller guter Stimmung in die Munotstadt. Die Kammgarnhalle war sehr gut besucht und unter den Gästen fanden sich nicht nur Partygängerinnen und Partygänger, sondern auch Familien mit Kindern. Kurzum, der Reggaesänger Dodo spricht eine grosse Bandbreite von Menschen an, die mit ihm feiern und von seiner rauen und trotzdem warmen Stimme begeistert sind. Wenn Dodo zu singen beginnt, fühlt man sich, als ob man in der Karibik am Strand nach einer langen Reise und einem harten, kalten Winter erstmals in den warmen Sand steht und die Wärme und Glut der kleinen Steinchen ausgiebig geniesst. Das Gefühl der guten Laune krabbelt die Beine hoch und nimmt den ganzen Körper in Beschlag. Bei seinen Liedern wurde mitgesungen und mitgetanzt. Die Musikerin Wiyaala aus Ghana war als Vorband nur kurz auf der Bühne, tauchte aber bei diversen Musikstücken während des Dodo-Konzerts immer wieder auf, um mit ihm im Duett zu singen. Sie ergänzte den gemütlich-braven Sound von Dodo mit einer powervollen Stimme und satten Klängen. Bei einem Song griff sie zu einem afrikanischen Perkussionsinstrument, welches die Gäste zum ekstatischen Mitklatschen animierte. Die musikalische Reise ging dabei mit dem Hippie-Bus von der Schweiz aus quer durch den afrikanischen Kontinent. Auch das Nachwuchstalent Jared Lembo hatte einen gemeinsamen Auftritt mit Dodo, bei welchem sie den Song «Was du liebst» spielten. Die Freude an Gastmusikern hat Dodo spätestens seit seiner Rolle als Gastgeber der TV-Sendung «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» gefunden. Dort zeigt Mr. «Good Vibes» regelmässig, was die Schweizer Musiker für unentdeckte Rohdiamanten durch Neuinterpretationen bekannter Songs zu Tage fördern können. Die Highlights des Abends waren sicherlich, als Dodo in der Kammgarn seine Hits «Hippie-Bus» und bei der Zugabe «Brütigam» spielte. Der Abend endet mit Feuerfontänen auf der Bühne, viel Applaus und einer ausgiebigen Autogrammstunde für die Fans.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Dienstag, 29. Okt. von Hermann-Luc Hardmeier.