Eine perfekte Symbiose von Coolness und Tiefgang

Das Trio «Fettes Brot» aus Hamburg zog mit Ironie und kräftigem Flow gestern Abend alle Register. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Björn Beton, Dokter Renz und König Boris (v.l.) liebten Sarkasmus, Tiefgang, aber auch Partykracher (Bild: Michael Kessler, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier).

«Wir glauben, das wird eine grosse Party», freute sich Mediensprecherin Nora Fuchs auf den Auftritt von «Fettes Brot». Die Stars in Town-Gäste waren deftig aufgeheizt von der HipHop-Ikone Stress und fieberten um 20 Uhr den drei Sprachakrobaten entgegen. Gemäss den Musikern flogen aber nicht nur die verbalen Frikadellen durch die Luft, sondern man konnte auch auf einem Auge blöd werden und alle Science-Fiction-
Freunde sollten sich warm anziehen, denn das Präteritum schlug gnadenlos
zurück. Jawohl Schiffmeister. Es galt Fettleibigkeit zu vermeiden. Es sei denn, sie wurde von Dokter Renz himself diagnostiziert. Mit seinen zwei weiteren MCs König Boris und Björn Beton rockt der HipHop-Arzt den Operationssaal, bis die Herzfrequenzmessgeräte friedlich im Flow mitpiepsten und nur noch in Moll-Dur Geräusche von sich gaben. «Fettes Brot» wissen, wie man Party macht. Seit einem Vierteljahrhundert sind sie in der Hitparade präsent. Jeder kennt einen Song von ihnen. Sei es ihr Durchbruch «Nordisch by Nature », den ultimativen Chartsknacker «Jein» oder doch eher «Emanuela.» Die Hamburger Musiker feierten mit den Gästen auf dem Herrenacker und hatten sichtlich Spass an ihrem Auftritt. Ihre Gewohnheit, Geschichten zu erzählen und innerhalb der Strophen die Zeilen untereinander aufzuteilen, riss jeden
Tanzmuffel vom Hocker. «Fettes Brot», das sind nicht nur adipöses Hefegebäcke, sondern man braucht die gesamten 2.5 Tonnen Eiswürfel des Festivals, um
so viel Coolness einen würdigen Empfang zu bereiten.

«Heute lass ich den Tiger raus», freute sich Besucher Pascal Müller. «Mir klingt das Ganze zu fest nach Ballermann», kritisierte hingegen Zuschauerin Murielle Gasser. Egal wie man es dreht und wendet, Fettes Brot steht nicht nur auf Halligalli, sondern hat durchaus Botschaften in ihren Songs. Allen voran sei «Schwule Mädchen» genannt, das gegen Homophobie ein Zeichen setzt. «Emanuela » warnt mit «Lass die Finger von …» vor Drogenkonsum und mit «Bettina, zieh dir bitte etwas an», unterstrichen
die Brote die Wichtigkeit der Sexismus-Thematik. Ans Stars in Town war das Trio aber eigentlich nicht mit der Zeitmaschine ihrer 90er-Jahre-Hits, sondern mit ihrem neusten Album «Lovestory » angereist. Auch hier zeigten die drei ihr ganzes Können. Von groovend, bis ironisch und politisch bis natürlich vor allem auch nordisch. Ganz nach
dem Motto des letzten Songs: «Schon Störtebeker wusste, dass der Norden rockt, und hat mit seinem Kahn hier gleich angedockt.» Beim neuen Lied «Du driftest nach rechts». hingegen streute «Fettes Brot» Tabasco in die offene Wunde der Hasskommentare im Internet. Im Song entfremdet sich ein Liebespaar, da die Frau aufgrund ihrer Cyberspace-Lektüre mit rechtsradikalem Gedankengut konfrontiert wird.
Knapp 6000 Menschen feierten am Freitagabend auf dem Herrenacker. Und es war klar: Ein Festival ohne Tiefgang wäre zwar unterhaltsam, aber wie ein lauwarmer Waschlappen. «Fettes Brot» war nicht nur fett im Klang, sondern auch fett im Nachgang. Die drei Jungs aus Hamburg überraschten nicht nur philosophisch, sondern auch, indem sie immer wieder den «Schwiizer-Nati»-Refrain anstimmten und die FC St. Pauli-Flagge schwenkten. «Feiern, bis der Arzt kommt», würde Dokter Renz dazu zufrieden sagen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 10. August 2019 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.