Die verflixte Ex und der gewiefte Agent

Das Sommertheater „Nichts als lauter Liebe“ brachte am Mittwoch Humor, Intrigen und Coronamasken nach Unterstammheim. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

„Das ist indiskutabel!“, schimpfte der Protagonist auf der Bühne und liess eine Reihe von vulgären Flüchen folgen. Beim Sommertheater in Unterstammheim hatten am Mittwochabend die Emotionen einen wichtigen Stellenwert. Und das hatte einen guten Grund: Der Agent und der Theaterregisseur hatten ein riesiges Problem: Die weibliche Hauptrolle war wegen ihrer Schwangerschaft ausgefallen. In der Note suchten sie sich die 2. beste Besetzung, welche die Region zu bieten hatten: Gigi. Doch besagte Dame trug eine Altlast mit sich: Die frühere Liebesbeziehung zu Hugo, dem Protagonisten. Da die zwei in Streit und Zorn auseinandergegangen war, glich ein gemeinsames Theater der Quadratur des Kreises. Doch der fiese Agent spannte so ein gerissenes Lügengeflecht, dass selbst eine Spinne mit Judo-Kenntnissen nicht ohne weiteres daraus hätte entkommen können. Die Ausgangslage war verzwickt, und sorgte damit für viele Lacher.

Proben via Videokonferenz

Der Abend im Schwertsaal hatte ein bisschen schwerfällig begonnen, weil die Hitze auf die Besucher drückte. Ursprünglich wäre das Sommertheater des Theater Kanton Zürich auf dem Dorfplatz in Unterstammheim geplant gewesen. Trotz schönsten Sonnenstrahlen wurde aber nach drinnen verschoben. „Meteo Schweiz sprach von einer Gewitterlage und einen Blitzeinschlag wollten wir nicht riskieren“, erklärte Silvia Müller vom Theater Kanton Zürich. Sie war trotzdem überglücklich mit dem Abend, denn endlich konnte wieder gespielt werden. Eigentlich wäre ja das Stück „Der Geizhals“ von Molière geplant gewesen, doch die Corona-Krise verunmöglichte das Inszenieren eines neuen Theaters. „Somit fiel die Wahl auf ein bewährtes Sommerstück, welches mit Social Distancing und vier Schauspielern realisierbar war“, erklärte Sara Schneider vom OK. „Geprobt wurde während dem Lockdown teilweise via Videokonferenz.“

180-Grad-Wende

Auf der Bühne hatten sich mittlerweile die Ereignisse überstürzt. Das Ex-Paar Hugo und Gigi stritten sich so intensiv, dass an „normales“ Proben nicht zu denken war. Der Theateragent hatte dazu beigetragen, indem er behauptet hatte, Hugo hätte Lungenkrebs. Zudem sei es sein letzter Wunsch gewesen, mit Gigi zu proben. Es setzte für ihn eine gepflegte Ohrfeige, sein Jackett wurde zerrissen und Hugo zerkratzte den Porsche des Intriganten. Doch dann passierte das Unglaubliche. Plötzlich tauchten die Gefühle des streitlustigen Paares wieder auf und sie machten eine 180-Grad – Wende. Nun wurde geknutscht anstatt gestritten.

Besser als Netflix

„Wir haben uns unglaublich aufs Spielen gefreut“, erklärte vor Beginn der Vorstellung Andreas Storm, der in die Rolle des bösen Agenten geschlüpft war. „Es herrschte eine Lagerfeuer-Atmosphäre. Die Leute freuen sich, endlich wieder einmal etwas anderes als Netflix zu sehen.“ Für ihn sei das eine der schönsten Erfahrungen, nach der Corona-Pause wieder spielen zu können. Auch die Schutzmasken im Publikum störten ihn nicht. Etwa ein Drittel der Besucher trugen den Atemwegsschutz. Mittlerweile hat man sich an das Bild gewöhnt und war eher erstaunt, dass nicht ein Grossteil des Saales wie ein Operationssaal im Spital aussah.

Das humorvolle Theaterstück unterhielt die Gäste vortrefflich. Wie die Geschichte ausging, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Doch eins ist klar: Harmonisch konnte das Ganze nicht enden, solange der Agent noch ein Wörtchen mitzureden hatte.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 4. Juli 2020.