„Man bringt keinen Frieden mit Waffen“

Am Benefizanlass der Afghanistanhilfe am Donnerstagabend in der Kammgarn erklärten SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn und Afghanistanhilfe-Präsident Michael Kunz im Podiumsgespräch, welches die grössten Ängste der Bevölkerung sind.

(Foto: Roberta Fele, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Ein Lehrer, der sich verstecken muss, eine Medizinstudentin, die nicht mehr zur Uni darf oder eine Künstlerin, deren Passion für Musik und Kunst verboten wird. Mit der Schilderung von vielen Einzelschicksalen bekamen die Besucher in der rappelvollen Kammgarn am Benefizanlass der Afghanistanhilfe einen tiefen aber auch tragischen Einblick in die Situation der Bevölkerung am Hindukusch. „Bevor die Taliban kamen, war ich voller Leben“, berichtete eine Betroffene und brachte damit die Problematik auf den Punkt. Im Zentrum des Anlasses stand ein Podiumsgespräch mit Thomas Gutersohn, Südasien-Korrespondent  von SRF 1. Mit ihm auf der Bühne war Michael Kunz, Präsident der Afghanistanhilfe, und durch den Abend leitete Moderator Matthias Wipf. Schnell wurde klar, Afghanistan ist viel mehr als ein Land mit bösen bärtigen Leuten. «Die Menschen sind offen, warmherzig und die Gastfreundschaft ist riesig», schwärmte Gutersohn, der das Land sechs Mal bereist hat. Auch Michael Kunz war der Meinung: «Wenn man die Medien liest, hat man oft ein falsches Bild.» Zunächst wurde erklärt, wer die Taliban sind und warum die USA an ihnen gescheitert sind. «Die erzkonservativen Islamisten genossen immer einen grossen Rückhalt auf dem Land und vor allem im Süden», erklärte der Korrespondent. «Der Westen habe sich zu stark auf die Städte fokussiert und das Land vernachlässigt.» Sein Standpunkt war klar: «20 Jahre Krieg brachte nichts. Man bringt keinen Frieden mit Waffen. Man muss mit den Taliban sprechen und kann sie nicht ignorieren. Denn dadurch leidet vor allem die Bevölkerung.» Michael Kunz erklärte, wie sich die Afghanistanhilfe im Land engagierte. Der Bau von Schulen, die Betreuung von Waisenhäusern, medizinische Versorgung und vor allem Lebensmittelverteilung sind die zentralen Standbeine. Diese Hilfe wird in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern erbracht und folgt nach dem Grundsatz: Die Afghanen wissen am besten, was sie brauchen. Die Leute vor Ort müssen miteinbezogen werden. «Wir arbeiten nicht mit den Taliban zusammen, aber ohne die Erlaubnis der Taliban könnten die Projekte nicht weiterlaufen. Ja, wir sprechen notgedrungen mit ihnen», erklärte er. Die Finanzierung werde jedoch direkt und nicht via Taliban abgewickelt. Etwas später stiessen Weeda und Malik aus Afghanistan zu den Podiumsteilnehmern. Die zwei geflüchteten Afghanen erzählten, dass das Hauptproblem der Bevölkerung derzeit die fehlende Sicherheit und vor allem der Hunger seien. «Jetzt braucht es sofort Nothilfe. Wir verteilen Lebensmittel und verlangen von der Schweiz ein stärkeres Engagement», so Michael Kunz. Die Afghanistanhilfe will auch in der aktuell schwierigen Situation für die Menschen da sein. Denn schlussendlich geht es um sie, und nicht um Politik.

von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 6. November 2021.