Die Tastenlöwinnen trafen den Marathonläufer

«Was ist denn hier los?», fragte sich der eine oder andere TapTab-Besucher am Freitagabend. Auf der Bühne stand ein Bügelbrett und darauf thronten zwei Casio-Kinderkeyboards. Was wirkte wie das Setting eines chaotischen Kindergeburtstags, war aber nichts Geringeres als die Arbeitsfläche von Casiofieber. Die zwei Schaffhauser Damen Vree Ritzmann und Nora Vonder Mühll eröffneten den Konzertabend und ernteten immer wieder grossen Applaus. Witzig, harmonisch und fetzig waren ihre Songs, die einmal von depressiven Freunden oder ein andermal von der Vergänglichkeit der Zeit bei «Ich bin die Uhr» handelten. Einmal mussten sie ein Lied erneut starten, aber auch das meisterten sie souverän und sehr sympathisch. Zu «Schüsse im Wald» oder «Land der Zwerge» wurde getanzt oder verträumt mitgeschunkelt. Die zwei Tastenlöwinnen rockten das TapTab und bereiteten den Boden für den Hauptact des Abends. Als der St. Galler Manuel Stahlberger mit seiner fünfköpfigen Band die Bühne betrat, waren die Gäste im rappelvollen TapTab schon ordentlich in Tanzstimmung. Stahlberger bot einen Mix aus elektronischem Discosound und nachdenklichem Hypnose-Pop. Er ist derzeit auf Tour für sein neustes Album «Lüt of Fotene». Zu Liedern wie «Hütte», «Drifte» oder «Gar nöd i» zündete das Stroboskop im Takt und die Bässe wummerten durch den Saal. Dazwischen ergriff Stahlberger immer wieder das Wort und erzählte kleine Anekdoten zu den Songs. Sein trockener, lakonischer Humor zeichnete dabei abwechselnd ein Lächeln oder ein Fragezeichen auf die Gesichter der Besucher. Und genau dieser Mix schien dem Maestro vorzüglich zu gefallen. Ein Beispiel: «Ich habe geträumt, ich treffe meinen Onkel. Er sage mir, es sei Welt-Aufräumtag. Aber ich dürfe nicht mitmachen.» Während man noch über die philosophische Tiefe der Aussage rätselte, startete bereits das nächste Lied. Die Musik von Stahlberger glich einem powervollen Marathonlauf, bei dem zwischendurch in die Steckdose gegriffen wird. Treibend, mitreissend, energetisch, aber auch gemütlich. Einfach der perfekte Soundtrack, um sich für das Wochenende einzustimmen. Der Abend endete mit fetzigen Vinyl-Beats von DJ Fancy Fingers.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 9. Mai 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.