Der Balkan-Schnellzug ohne Bremsen

Die bekannte Balkanband „Dubioza Kolektiv“ spielt am Freitag in der Kammgarn. Für sie ist Musik mehr als nur Dekoration. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: „Dubioza Kolektiv“ macht Texte, in denen sowohl Politik als auch Humor eine wichtige Rolle spielen. (Foto: zvg, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Am Freitag könnt ihr Tanzstimmung, Schweiss, Rakija, laute Trompeten, schwere Gitarren, verdrehte Trompeten und ganz viel Energie erleben.“ Brano Jakubovic von der Band „Dubioza Kolektiv“ verspricht vollmundig, dass die Party des Jahres bevorsteht. Doch wer ist die Combo, die jeweils mit acht Musikern die Bühnen Europas rockt? Das Licht der Welt erblickte das Kollektiv im Jahr 2003 in Bosnien-Herzegowina. Ihr musikalischer Cocktail beinhaltet eine deftige Portion Balkan-Partysound, aber auch einen Schuss Ska, eine Prise Punk, ein Löffelchen Reggae und einen Spritzer Hiphop. Abgerundet wird das Getränk mit einem Strohhalm und Schirmchen, welche in elektronischer Musik gebadet wurden. In eine musikalische Schublade möchte die acht Künstler auf keinen Fall gesteckt werden. Das wäre laut ihrer Aussage nicht nur eine Einschränkung des kreativen Potentials, sondern auch ziemlich langweilig.

Interessant ist auch der Bandname, der sich aus dem serbokratischen Slangwort „dubioza“ und der Musikrichtung „Dub“ zusammensetzt. Es heisst soviel wie seltsam, aber auf eine mysteriöse Art auch interessant. Egal, wo die Combo auftaucht, bricht kollektive Euphorie aus. Warum das so ist, kann sich die Band auch selbst nicht so richtig erklären. „Wir haben keine Musiktheorie studiert und sind keine Berufsmusiker. Wir sind eine Mischung aus Punks und Gastarbeiter. Wir haben keine Ahnung, warum man uns so feiert. Aber wir arbeiten wirklich hart dafür“, erklärt Brano Jakubovic.

Songs sollen politisch sein

Wenn man die Texte der Band anhört, dann zeigt sich sofort der Tiefgang. Sie wollen nicht nur berieseln und unterhalten. Sie äussern sich beispielsweise lautstark und kritisch gegen Nationalismus auf dem Balkan. Für sie ist es unverständlich, dass man nicht endlich zu Nachbarn, Brüdern und Schwestern zusammenwächst und die Vergangenheit hinter sich lässt. Jeder Song der Band hat eine ganz spezifische Botschaft. „Neuste medizinische Untersuchungen haben ergeben, dass der Mensch gleichzeitig tanzen und sein Gehirn benutzen kann“, scherzt Brano Jakubovic. „Wenn Musik nur Dekoration ist, dann ist es eine langweilige Zeitverschwendung.“ Ergänzen möchte er zudem, dass politisches Engagement nicht immer ernst sein muss. Humor spielt sowohl in den Texten also auch an den Shows von „Dubioza Kolektiv“ eine wichtige Rolle. Deshalb kommt es auch immer wieder vor, dass es während den Auftritten kleine Pausen gibt, in welchen die Musiker eine amüsante Geschichte erzählen oder sich in kurzen Stand-Up-Comedy-Nummern versuchen. Die Spontanität hat jedoch auch ihre Tücken. Einmal brach Brano Jakubovic mitten auf der Bühne am „Arsenal Festival“ in Serbien in Tränen aus. „Es war die erste Show nach eineinhalb Jahren Corona-Zwangspause. Ich habe den Zuschauern erzählt, wie wichtig Livemusik sei und dass ich glaube, das Internet könne niemals Live-Events ersetzen. Da hat es mich mit voller Wucht gepackt. Vor 10 000 Leuten. Es war extrem befreiend.“

FC Schaffhausen-Shirts?

Auf den Werbeplakaten tragen „Dubioza Kolektiv“ Fussballshirts in den Farben des FC Schaffhausens. Kann es sein, dass man in Bosnien-Herzegowina unseren Club verehrt? Brano Jakubovic muss lachen. „Nein, nein. Die Farben sind Zufall. Gelb und Schwarz sind einfach gute Kontrastfarben, die uns auf der Bühne sichtbar machen.“ In Deutschland habe man sie bereits gefragt, ob sie wegen der Farbkombination Dortmund-Fans seien. Auch dies konnte er guten Gewissens verneinen. Den Mannschaftsgedanken tragen sie aber dennoch im Herzen. Auf der Tour gebe es kaum Streit und man löse Differenzen stets sachlich und effizient. „Voraussetzung dafür ist, dass wir jedem Bandmitglied einen Teilbereich zugewiesen haben, wo er der Chef und Alleinherrscher ist“, so Brano Jakubovic. „Somit haben wir klare Zuständigkeiten und müssen nicht abstimmen.“ Und dann sagt der Musiker einen Satz, der auch aus seinen Songs stammen könnte: „Democracy can be a bitch sometimes.“

Vollgas am Freitag

Der Balkan-Schnellzug wird am Freitag ohne Bremse auskommen müssen. Die Band verspricht, alles zu geben. Zum Tanzinferno wird sicherlich auch die Vorband „Palko Muski“ aus Schaffhausen sorgen. „Wir erwarten Partystimmung, laut Musik und Besucher, die ausflippen“, so Brano Jakubovic. „Wir sind erst zufrieden, wenn wir unseren österreichischen Freund und Terminator zitieren dürfen: „Ich komme wieder!“ Die Band wird zwar keine Kugeln wie Arnold Schwarzenegger benutzen, aber ihre Texte, ihre Musik und ihre Show werden dennoch treffsicher die Kammgarn in Brand setzen.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 19. September 2022.