Müslüm will den Zaun am kleinen helvetischen „Gärtli“ einreissen

Der Musiker und Entertainer Müslüm befreit am Freitag Schaffhausen vom «Bünzlitum» und will uns den orientalischen Hüftschwung lehren. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

Von Hermann-Luc Hardmeier.

Müslüm ist wieder da. Der «Süpervitamin»-Sänger erscheint auch diesmal im Gewand des subversiven Einwanderers mit maximalem Erleuchtungspotential. Mit seinen knallharten Texten lässt er regelmässig Vorurteile wie Schnee in der Sonne schmelzen. Er pulverisiert Spiessbürger, stürzt sich auf gesellschaftliche Tabus und bringt selbst gestandene Parteien ins Wanken, wenn er im Samichlaus-Kostüm gewissen Nationalräten die Leviten liest. Bald ein halbes Dutzend Mal besuchte Müslüm bereits die Munotstadt. Abwechselnd mit kompletter Band oder wie diesmal als musikalisches Duo. In Schaffhausen schätzt er die Offenheit für seine Musik und scheut sich auch nicht, ohne grosses Orchester anzureisen: «Ironischerweise nennt man es Klein-Kunst», sagt er, «doch Kunst lässt sich nie kleinkriegen.» Sein aktuelles Programm trägt den Titel «Helfetisch». Damit deutet er an, dass Helvetia nicht nur wunderbar Berge und leckeren Käse zu bieten hat, sondern um das «Schweizertum» auch ein Fetisch gemacht wird. Um 22 Uhr wird die Nachtruhe eingefordert, die Züge haben pünktlich zu sein und am 1. August wird die Schweizerfahne vor dem Haus gehisst. Müslüm liebt es, den eingefahrenen Traditionen gnadenlos den Spiegel vorzuhalten. «Ich bin der erste echte Helfetischt», erklärt er. Bei seinem neuen Programm wird der «Süperimmigrant» nicht müde zu erklären, warum Helvetia das beste Land aller Zeiten ist. Als Kunstfigur Müslüm trägt er Perücke, eine Mono-Augenbraue und ist stark geschminkt. Das ist sicherlich Teil seines Erfolgsrezepst. Die Sprache, das Kostüm, das Verhalten und die Übertreibungen helfen den Zuschauern, Vorurteile humorvoll zu hinterfragen und abzulegen. «Ich muss eine Maske tragen», erklärt Müslüm. «Ist das nicht tragisch-komisch?» In seiner Verkleidung muss er auf niemanden Rücksicht nehmen. Dass er sich als Türke verkleidet und auf Missstände und Vorurteile aufmerksam macht, kam nicht immer gut an. Früher gab es auch schon Drohungen von Menschen, die sich auf die Schippe genommen fühlten. Die Figur Müslüm polarisiert. Doch das stört den Künstler nicht. «Ich tue das ja nicht, um zu gefallen.» Das Spiel mit den Gegensätzen sei sehr reizvoll und produktiv. Zudem betont er: «Was die anderen denken, ist mir egal. Einzig, was ich bin, zählt.» Müslüm tritt in freundlicher Zusammenarbeit mit dem kongenialen Gitarristen Raphael Jakob auf. Dieser tanzt auf verschiedenen Hochzeiten und spielte auch schon als Gitarrenheld bei Baze, Seven, den Tequila-Boys oder bei seinem eigenen Projekt 2forSoul. Müslüm trat früher als Popstar mit mitreissender Band auf und brachte grosse Säle zum Kochen. Während den Konzerten gab es jedoch immer wieder Momente, in welchen er die Musik abdrehte und dem Publikum zurief: «Ich meine es ernst!» Ein Teil der Gäste verstand ihn falsch. Er ist nicht ein bunter Vogel, der «herumblödelt». Müslüm hat eine Botschaft und will die Welt zumindest zum Nachdenken bringen. Deshalb sind die Auftritte im Kleinkunst-Format eine logische Folge davon. Ohne Klamauk und Partybefehl kann er viel besser und direkter zu den Zuhörerinnen und Zuhörer sprechen. Es scheint fast so, als sei dies ein Befreiungsschlag für den Künstler. «Es ist nicht wichtig, wie etwas aussieht», so Müslüm. «Vielmehr was es bewirkt, ist von Belang.» Müslüm möchte am kommenden Freitag eine «Swissterie» auslösen. Der Zaun am kleinen Gärtli soll eingerissen werden, die Steuerverwaltung macht frei und in der Kehrichtverbrennungsanlage verrauchen böse Gedanken. Was genau auf der Bühne passieren wird, möchte er noch nicht verraten: «Man darf von der Kunst nichts erwarten, denn Erwartung tötet», so Müslüm. Der Künstler wird jedoch sicherlich viel zu erklären und humorvoll zu verpacken wissen. In Kombination mit seinem orientalischen Hüftschwung, werden die Besucherinnen und Besucher an diesem Abend nicht nur etwas lernen, sondern jede Menge erleben.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 23.9.2024 von Hermann-Luc Hardmeier.