Neuer Zeitungsartikel von mir über die Poetryslammerin Lara Stoll

lara

Erschienen am Montag, 1. September in der Zeitung Schaffhauser Nachrichten. Von Hermann-Luc Hardmeier. Hier geht’s zum vollständigen Bericht:

Lara Stoll turnte, tanzte und lachte sich in die Herzen der Zuschauer

Bei der Slam-Poetry-Lesung von Lara Stoll in der Kammgarn standen die Lachmuskeln unter Dauerbeschuss. Von Hermann-Luc Hardmeier

„Ich freue mich, die Schauwerk-Saison zu eröffnen“, sagte Lara Stoll und gestand der rappelvollen Kammgarn: „Obwohl ich schon ein paar Mal hier war, hätte ich mir wieder fast in die Hosen gemacht vor Nervosität.“ Doch die 27-Jährige kannte in den folgenden eineinhalb Stunden keine Berührungsängste. In ihrem Programm namens „Im Krisengebiet“ schoss sie vielmehr gezielt auf alle, die das Gefühl hatten, sie könnten dem Charme der vierfachen Poetryslammeisterin wiederstehen. Sie hat den Titel der Wortakrobaten in der Kategorie U-20, bei den Gesamtmeisterschaften, bei der Europameisterschaft und im Team-Poetryslam geholt. Und dass dies nicht zu Unrecht war, bewies sie schon bei der Ankündigung des Programminhaltes: „Heute geht es um Erste-Welt-Probleme wie Rösser, Bäume, Würste und Mütter.“ Bei ihrem ersten Text über die Verweiblichung der Männer und die noch viel drastischere Vermännlichung der Frauen bilanzierte sie selber, dass sich Alice Schwarzer nicht nur im Grab umgedreht, sondern auch gleich wieder zurückgedreht hätte. Im nächsten Text kämpfte sich Lara durch einen vollgefüllten Kühlschrank bis zum 10-Kilogramm-Tombola-Speck des Vaters. Ganz stark waren danach ihre Gedanken zum Thema: „Die Mutter, deine Stalkerin.“ Für einen jungen Menschen gibt es laut Lara Stoll einen schlimmen Gewissenskonflikt, wenn man von der Mutter eine Freundschaftsanfrage auf Facebook bekommt. „Sie hat einem unter Schmerzen geboren. Also wäre es doch das Mindeste, die Anfrage zu akzeptieren.“ Doch dann kommt es vielleicht dazu, dass die liebe Mama im Facebook peinliche Badewanne-Fotos „posted“, die alle Freunde sehen können. Und im Chat will sie wissen: Wer ist dieser Patrick? Der, der das Foto „geliked“ hat, wo du die Bierflasche mit den Zähnen aufmachst?“ Da hat wegrennen keinen Sinn mehr. Denn die Mutter ist mit ihrem E-Bike sowieso schneller. Spätestens beim Text „Überall ist Pferd drin“ zeigte sich das, was die Zuhörer so an Poetryslam mögen. Der Text war lustig, absurd, teilweise dadaistisch und herrlich schräg. Poetryslam ist keine Comedy. Lara Stoll benutzte den Humor nur als Tarnmantel für Gesellschaftssatire, Unterhaltung und gelegentlich für köstlich schrägen Stumpfsinn. Dies machte sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. So führte sie auf der Bühne Turnübungen und „Dancemoves“ auf. Sie drehte auf der Bühne mit einem 30er-Töffli einige Runden, bis ein leichter Benzinnebel in der Luft lag. Sie führte gekonnt und erstaunlich variationsreich Schnarchgeräusche auf und raufte sich lasziv die Haare, als sie über die sexuelle Anziehung von Pflanzen sprach. Nicht zuletzt gab Lara Stoll den Gästen zwei philosophische Knacknüsse mit auf den Weg: „Ich furze, also bin ich“ und die Erkenntnis „Mini Grosi isch en Töff“. Der Abend war ein voller Erfolg und eine sehr gelungene Saisoneröffnung des Schauwerks.

Von Hermann-Luc Hardmeier