Theaterkritik: Hommage an eine beeindruckende Frau

Von Hermann-Luc Hardmeier: Im Kulturlokal „Kammgarn“ in Schaffhausen zeigte die Schauspielerin Graziella Rossi am Freitagabend ein spannendes Verwirrspiel mit zwei prominenten Nebenfiguren. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Graziella Rossi zeigte als Sabina Spielrein alle Facetten ihres schauspielerischen Könnens. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier, Foto: Selwyn Hoffmann)

Wer den Namen Sigmund Freud und C.G. Jung hört, denkt an vieles, aber nicht an eine heimliche Liebesaffäre mit einer Patientin. Doch genau in solch ein heikles Thema waren die zwei Psychoanalytiker im Stück „Sabina Spielrein“ verstrickt. Sabina Spielrein ist eine Jüdin, die 1885 in Russland geboren ist. Als sie sechs Jahre alt ist, stirbt ihre Schwester und Sabina kommt in die Nervenheilanstalt „Burghölzli“ nach Zürich. Behandelt wird sie dort von Carl Gustav Jung, in welchen sie sich später verliebt. Es beginnt eine heimliche Affäre mit dem Verheirateten, in welche Sigmund Freud via Briefkontakt später als Streitschlichter einzugreifen versucht. Als wäre dieser Sachverhalt noch nicht anspruchsvoll genug, kommen nun zwei erschwerende Faktoren dazu: Man stelle sich das Leben von Sabina Spielrein und die Affäre mit C.G. Jung als Zeitstrahl vor, der zerschnitten und wild durcheinander gewürfelt wird. Das ganze vorgetragen auf Englisch. Dies waren die Zutaten, mit welchen die Schauspielerin Graziella Rossi jonglierte und während 90 Minuten die Gäste am Freitagabend in der Kammgarn unterhielt. Unterstützt wurde sie dabei von einem Saxophonisten und einem grossen braunen Koffer, der die einzige Requisite war. Das Stück war vom Schauwerk organisiert worden und basierte auf den Briefen von Sabina Spielrein. Diese wurden in einem grossen braunen Koffer gefunden, welcher die Schrecken der Verfolgung und Ermordung von Sabina Spielrein durch die Nazis 1942 überdauert hatte. Daraus wurde ein Monolog von der norwegischen Autorin Liv Hege Nylund geschrieben. Dieser bildet die Basis des Theaterstücks. Die Briefe waren sodann auch das dramaturgische Element, welche jeweils einen Zeitsprung ankündigte. Die Zuschauer mussten sich stark konzentrieren, um die parallel verlaufenden Handlungen in ungeordneter Reihenfolge miterleben zu können. Was zu Beginn sehr anstrengend war, machte aber – je länger das Stück dauerte – den Reiz aus.

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Bild: Es war verblüffend, wie wandelbar Schauspielerin und das Stück sich präsentierten. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Graziella Rossi spielte sehr gut und schaffte es, jeden der Handlungsstränge spannend zu inszenieren. Sie sprach zudem ein klares und deutliches Englisch, dem man gut folgen konnte. Langsam bewegten sich die verschiedenen Lebensabschnitte von Sabina Spielrein aufeinander zu und es war sehr interessant zu sehen, welche Wendungen sie dabei nahmen. Graziella Rossi hüpfte nicht nur in der Zeit, sondern auch in verschieden Rollen. Mal war sie ein russischer Kommissar, der die berufliche Existenz von Sabina Spielrein in Moskau zerstört, dann Freud, Jung oder die Hauptperson. Insgesamt war das anspruchsvolle Stück sehr spannend und gefiel den Gästen gut. Auch die Organisatoren waren zufrieden: „Es war grossartig“, freute sich Katharina Furrer vom „Schauwerk“.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 16. März 2015 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.