Schaffhauser werfen Slam-Meister hochkant raus

Zum 2. Mal fand am Freitag im Chäller ein Poetryslam Abend statt. Dabei sorgte das Publikum für eine gepfefferte Überraschung. Von Hermann-Luc Hardmeier

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Bild: Renato Kaiser hatte es im Chäller-Wohnzimmer nicht so gemütlich, wie gewohnt. (Foto: Coopzeitung.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Der Chäller war am Freitagabend stilvoll dekoriert. Sofas und Stühle im Publikumsbereich, ein Bild an der Wand, Teppich und Stehlampe sowie Sofastühle auf der Bühne. Der ganze Raum sah aus wie ein gemütliches Wohnzimmer. Ideale Kulisse für den wahnwitzigen Dichterwettstrei namens Poetryslam. Die Moderatoren Diego Häberli und Margerite Meyer erklärten zu Beginn nochmals die Regeln. Jeder Poet hat fünf Minuten Zeit, einen selbstgeschriebenen Text vorzustellen. Hilfmittel wie Verkleidung oder Musik sind verboten. Bewertet wird der Auftritt von sechs zufällig ausgewählten Jurymitgliedern aus dem Publikum. Sie mussten mit Tafeln von 1 bis 10 den Auftritt bewerten. “Eins steht dabei für einen Text, der nie hätte geschrieben werden sollen, und zehn für einen Text, der in die Bibel gehört und einen Kopf-Orgasmus auslöst”, erklärte Margerite Meyer. Diese Definition zeigte schon, das sollte ein Abend werden, der nicht nur zwischen Dichtkunst und Battlerap tänzelt, sondern bei welchem auch der Humor nicht zu kurz kommen sollte.

Umweltschutz und Dialekt

Diego Häberli prüfte die Jury mit seinem “Opferlamm-Text” namens “Wunschkind”. Schon dieser Text zeigte, was viele Leute an Poetryslam so gefällt. Er flüsterte, schrie und setzte rhetorische Pausen ein. Dann wiederrum startete er den verbalen Häberli-Turbo mit extrem schnellen Reimen und eine Prise Zynismus durfte auch nicht fehlen. Beispiel gefällig?: “Wenn es mir langweilig ist, klebe ich mir Scherenschnitte aufs Gesicht und gehe anschliessend ins Solarium.” Es folgte Phibi Reichlin mit einem Text zum Thema Umweltschutz und Littering. “Nein, wirf das Papierchen nicht auf den Boden”, mahnte in seinem Text eine Lehrerin ihre Schülerin. “Es könnte das Atemloch eines Delfins verstopfen und er stirbt daran. Willst du das?” Nach dieser Gesellschaftskritik auf makaberem Niveau erschien der amtierende Schweizer Poetryslam Meister Renato Kaiser. Mit seinem Text “Heb doch eifach de Rand” buhlte er in breitem Ostschweizer Dialekt um die Gunst der Jury. Vier weitere Slammer folgten. Julia Kubicki nervte sich darüber, dass sie Verwandten immer erklären müsse, womit sie derzeit ihr Geld verdiene. Sie empfahl kreative Antworten: “Ich bin Freelancerin im Hüpfburg testen.” Valerio Moser gab sich sehr poetisch. “Die Sprache ist ein Schmetterling, die durchs Land fliegt”. Eva Aoife ärgterte sich über selbstgefällige Selbstdarstellungen der Menschen und Killian Ziegler begeisterte mit einem Text über Handy-Sucht.

Kritische Jury

Nun hatte die Publikumsjury zu bewerten. “Ihr seid aber scheu”, hatte Killian Ziegler das Dichter-Gericht noch gehänselt. Er forderte das Publikum auf: “Gebt mir ein “Yeah”. Und als dieses Erklang, nörgelte er: “Das ist das traurigste “Yeah”, das ich jemals gehört habe. Doch die Schaffhauser waren sehr kritisch. Nur vier Poeten durften ins Finale. Und bei der Punktevergabe kam es zur Sensation: Im Hohen Bogen flog Renato Kaiser, der amtierende Schweizermeister, aus dem Rennen. Pause.
Mit ernster Miene kamen die Moderatoren nach der Pause auf die Bühne. “Ihr habt soeben den Meister abgesägt”, sagte Diego. “Er erwartet, dass ihr euch alle nach der Show bei ihm entschuldigt.” Dann erhellten sich im Gelächter die Gesichter. “Das ist Slam”, freute sich Margerite Meyer. “Man kann nie vorhersagen, welcher Poet weiterkommt.”
Im Halbfinale setzten die Wort-Gladiatoren wieder scharf gezielte Satzsalven ein. Allen voran Valerio Moser. Er löste einen echten Sturm der Begeisterung aus. Mit einer Liebeserklärung an seine Cornflakes, welche er als waschechten und rhythmischen Beat-Box-Song vortrug, erntete er grossen Applaus. Der Erfinder des “Honey-Pop” musste sich im Finale mit Killian Ziegler messen. Dessen Text namens “Boom Shaka-Laka Alpaka-Massaka” handelte vom sehr, sehr haarigen Alpaka-Kamel. Er feuerte volles Rohr mit der Spasskanone und traf ins Schwarze. Grotesker Humor wie “Das Alpaka ist extrem flauschig. Wenn man ein Alpaka schlachtet, gibt es daraus Zuckerwatte” begeisterten. “Selten habe ich so lachen müssen”, sagte eine Besucherin nach dem Text. Killian Ziegler gewann den Slam und konnte den Sieger-Schnaps, diesmal in Form eines giftig-gefährlichen “Slivowic” in die Höhe stemmen. Der 2. Chäller-Slam war ein voller Erfolg.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in den Schaffhauser Nachrichten.