Müslüm kämpft im Hawaiihemd für die Integration

Müslüm, der grosse „Integratör“, trat im Kulturclub Kammgarn in Schaffhausen auf. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Müslüm ist mehr als nur Hawaiihemd und pinker Anzug. Dieser Mann hat eine Botschaft imt Tiefgang. (Foto: www.tageswoche.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Ich hatte zuerst ein wenig Angst hierher zu kommen“, sagte Müslüm gegenüber den Schaffhauser Nachrichten vor seinem Konzert in der Kammgarn. „Schliesslich klingt für einen Immigranten der Stadtname „Schaffhuse“ eher wie „Schaff use!“ Semih Yavsaner ist eine Stunde vor seinem Auftritt noch ungeschminkt und man würde ihm auf der
Strasse wahrscheinlich nicht ansehen, dass er den türkischen Immigranten Müslüm spielt, der mit seiner CD „Süpervitamin“ 23 Wochen die Schweizer Hitparade gerockt hatte. Der Sohn einer türkischen Gastarbeiterfamilie machte Müslüm mit Telefonscherzen beim Radio bekannt. Er versuchte beispielsweise beim Waffenhändler illegal an eine Pistole zu kommen, als krimineller Ausländer bei der Polizeischule aufgenommen zu werden oder entschuldigte sich im Hallenbad, weil er aus Versehen ins Bassin gemacht habe. Als das alternative Berner Kulturzentrum „Reitschule“ durch die SVP geschlossen werden sollte, fand Müslüm zur Musik und veröffentlichte seinen Protestsong „Erich, warum bisch du nid ehrlich?“ Spätestens dann wurde klar, dass Müslüm nicht bloss ein Komiker sein will. „Ich kämpfe gegen Klischees und Vorurteile“, sagt Semih Yavsaner. „Als Kunstfigur Müslüm kann ich die Leute erreichen.“ Eine Stunde später setzt er seine Mission in die Tat um. Man nehme ein Hawaiihemd, einen pinken Anzug, eine Sonnenbrille, einen extrem buschigen Schnauz in Kombination mit einer voluminösen Mono-Augenbraue und fertig ist der freakige Immigrant. Der Saal wird dunkel und orientalische Klänge erklingen. Gut 300 Gäste rufen „Müslüm! Müslüm!“ und unter lautem Applaus stürmt er auf die Bühne. Gleich im ersten Song „Orang Utan“ singt er, dass man Ausländer respektieren soll. „Hört auf zu schubladisieren!“ Müslüm würzt seine Botschaften mit sehr viel Humor. Er sagt nicht: „Brecht aus euren Klischees aus.“ Bei Müslüm klingt dies so: „Die Menschen haben vor lauter Red Bull trinken ihre Flügeli verloren.“ Die Gäste lachen, feiern und tanzen. Müslüm feuert das Ganze mit einem Hüftschwung an, der Elvis Presley Konkurrenz machen würde. Spätestens beim Hit „Süpervitamin“ kocht die Stimmung. Müslüm singt von einer Glücksdroge, die in allen Regenbogenfarben leuchtet. Ein gute Laune Musik mit einer orientalisch-poppigen Geschmacksnote. Selten hat Gesellschaftskritik so viel Spass gemacht. Zwischendurch stoppt Müslüm die Musik und fordert: „Nehmt mich ernst! Vergesst eure Vorurteile. Ich esse keinen Kebab und fahre keinen BMW.“ Dann wendet er sich an die Menschen, die ihn während dem ganzen Auftritt mit dem Smartphone filmen: „Streichelt nicht euer iPhone, streichelt lieber eure Freundin.“ Einige Besucher merken, dass dies ein Seitenhieb gegen die Konsumgesellschaft war. Andere amüsieren sich einfach über die gute Pointe des Witzes. Müslüm sorgt für ausgelassene Stimmung während gut zwei Stunden. Der „türkische Integratör“ versabschiedet sich augenzwinkernd mit den Worten „Schaffhuse! Schaff ine!“

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung Schaffhauser Nachrichten.