Theatersport: Wenn Rotkäppchen auf seinen Steuerberater trifft

Lead: Doppelt ausverkauft mit 600 Besuchern begeisterte Theatersport vom Schauwerk am Freitag und Samstag die Kammgarn-Besucher. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

„5-4-3-2-1-Los!“ Den Countdown für den Beginn einer Szene durften die Gäste am Freitag und Samstagabend gleich mehrfach durchgeben. Einmal im Jahr organisiert das Schauwerk in der Kammgarn ein Improvisationstheater-Event der Extraklasse. Und das seit zwölf Jahren. Ein Schiedsrichter moderiert und lässt zwei Theatergruppen gegeneinander antreten. „Keine Szene ist geprobt, das Publikum gibt die Vorgaben zu den Theatereinlagen und wir sehen sozusagen Première und Dernière eines Stückes gleichzeitig“, erklärt Schiedsrichterin und Moderatorin Melanie Baumann. Die Veranstaltung ist sehr interaktiv. Die Zuschauer dürfen für die Theaterszenen beispielsweise ein Zeitalter, einen Ort und ein Beziehungsverhältnis der Schauspieler vorgeben. So trafen sich beim ersten Minitheater zwei Menschen im Bestattungsinstitut, sprangen mit der Zeitmaschine ins Mittelalter und endeten schlussendlich in der Wüste im Treibsand. Das Ganze ist nicht nur kreativ, sondern auch unglaublich lustig. Was die Schauspielerteams aus dem Nichts auf der Bühne boten, begeisterte. Egal ob sie ein verkrachtes Ehepaar nach der Silvesternacht, eine Pöstlerin mit Giraffen-Eigenschaften oder ein Opa mit einem Hecht in der Besenkammer spielen müssen, die Ideen gingen den Schauspielern nie aus. Theatersport ist bei den Schaffhausern extrem beliebt. So war die Kammgarn an beiden Abenden ausverkauft und konnte insgesamt 600 Gäste begeistern. Doch warum reisst die Zuschauer die Veranstaltung so stark mit? „Die Schauspieler können Spontanität auf Knopfdruck bieten“, sagt Organisatorin Katharina Furrer vom Schauwerk. „Ich denke, viele Besucher bewundern diese Schlagfertigkeit.“

Speed Dating und Häkeln

Sehr amüsant war bereits der Einstieg am Freitagabend. Die Zuschauer mussten unter Anleitung der Moderatorin aufstehen, den Sitznachbarn an der Schulter massieren und danach beim „Shit Dance“ so dämlich wie möglich während 30 Sekunden tanzen, um sich aufzuwärmen. Es gab viele verrückte Spiele auf der Bühne, in welchen sich am Freitag die „Gorillas“ aus Berlin und Winterthur TS und am Samstag „Improphil“ Luzern gegen die Berliner messen durften. Eines davon hiess „Speed Dating“. Beide Teams mussten die Figuren erfinden, die dort aufeinandertrafen und die grosse Liebe suchten. Da war beispielsweise Hildegard, die gerne kocht oder ein Harry-Hasler-Verschnitt, der auf eine schnelle Nummer aus war. Ein Yogakünstler brachte seinem Gegenüber den Schneidersitz bei und zwei Männer vom anderen Ufer flirteten um die Wette. Es wurde gesungen, getanzt, gelacht, gehäkelt und Rotkäppchen traf auf seinen Steuerberater. Wie immer begeisterte der Theatersport die Schaffhauser und viele können es kaum erwarten, wen nächstes Jahr die Veranstaltung in die 13. Runde geht.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. Januar 2017.