Buchkritik: Martin Suter- Der Elefant

Martin Suter ist mittlerweile einer der erfolgreichsten Autoren der Schweiz. Was sein neuestes Werk „Der Elefant“ mit Kultregisseur Quentin Tarantino (Pulp Fiction, The Hatefull Eight) gemeinsam hat und ob es gelungen ist, zeigt folgende Buchkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Martin Suter kann sich mittlerweile, ohne bescheiden zu sein, in die Reihe erfolgreicher Schweizer Autoren wie Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt einreihen. Er schreibt qualitativ hochwertige Bücher am Laufmeter und die Verkaufszahlen geben ihm recht. Seine Literatur ist gefragt.

Es stimmt zwar, dass seine Bücher auch an den Bahnhofskiosken und nicht nur in Bücherläden verkauft werden. Kritiker werfen ihm deshalb vor, Trivialliteratur zu schreiben. Doch dieser Vorwurf trifft nicht zu. Es ist gerade ein Zeichen seines geschliffenen Schreibstils, dass ihn nicht nur studierte Menschen, sondern auch Otto Normalverbraucher am Bahnhofskiosk gerne liest. Und dies hat seinen Grund. Martin Suter hat eine sehr spezielle Schreibtechnik entwickelt. Er beschreibt einerseits eine spannende Krimigeschichte oder einen psychologische Schatzsuche in familiären oder persönlichen Abgründen, andererseits ist er ein Fachmann. Ein Fachmann? Ja, ein Fachmann. Er informiert sich intensiv bei jedem seiner Bücher im Detail zu einem Thema, welches das Leitmotiv seines Buches ist. Und somit lässt Martin Suter den Leser an der Seite der Hauptpersonen selber zu einem Fachmann in diesem Gebiet werden. In „Der Koch“ weiss der Leser nach dem Buch alles über den Sri-Lanka-Konflikt. In „Small World“ wird der Lesende zum Experten zum Thema Alzheimer und im neuesten Buch von Martin Suter erfährt man sehr viel über die Obdachlosen in Zürich und über genmanipulierte Lebewesen. Martin Suter hat dafür übrigens mehrere Obdachlose in Zürich über einen längeren Zeitraum begleitet. Den genauen Ablauf seiner Recherche kann man im aktuellen „Surprise“ (Zürcher Strassenmagazin) nachlesen.

Ein kurzer Überblick über die Story des neusten Buches „Der Elefant“:

Der Obdachlose Fritz Schoch findet in seiner Schlafhöhle an der Limmat eines Tages einen pinken Elefanten. Dieser hat zwar nur Spielzeuggrösse, ist aber ansonsten lebendig, gefrässig und alles andere als eine Marionette in Kinderhänden. Er birgt ein dunkles Geheimnis. Im Laufe des Buches erfährt der Leser die Geschichte, wie der Elefant in die Höhle des Obdachlosen kam, was ein chinesischer Geheimagent, eine liebenswerte Tierärztin, ein verzweifelter Zirkusdirektor und ein ruhmsüchtiger Genforscher mit dem Ganzen zu tun haben.

Doch mehr sei an dieser Stelle nicht verraten…

Vergleich zu Quentin Tarantino

Die Geschichte ist auf 348 Seiten nicht nur spannend, sondern auch intelligent. Wie bei Kultregisseur Quentin Tarantino (Pulp Fiction, The Hatefull Eight) wird die Geschichte anachronistisch erzählt. Bei „Pulp Fiction“ etwa gibt es Sprünge in der Erzählung, in welcher die zwei Auftragskiller anstatt mit ihren schicken Anzügen plötzlich in T-Shirt und Badehosen vor der Türe ihres Bosses auftauchen. In „The Hatefull Eight“ ist eine mysteriöse Tür im Zentrum des Geschehens, die nicht geschlossen, sondern nur zugenagelt und aufgebrochen werden kann. Während des Filmes wird stückweise der Zeitstrahl zusammengesetzt und der Kinobesucher erfährt, welche witzigen und schrägen Ereignisse dazu geführt haben, dass es zum vermeintlichen Zeitsprung kam.

Und genau die gleiche Ausgangslage bietet sich bei Martin Suter an. Zu Beginn hat der Leser keine Ahnung, warum sich die Protagonisten so verhalten, wie sie es tun, woher der sonderbare Elefant kommt, warum er Pink ist und im Dunkeln leuchtet. Und vor allem: Warum ist er eine Miniaturausgabe eines richtigen Elefanten? Immer wieder beleuchtet Martin Suter neue Figuren im Buch, erzählt Details aus deren Biographie, springt dann aber zur nächsten, um die Spannung aufrecht zu halten. Langsam setzen sich die Puzzleteile zusammen und führen schlussendlich zu einem fulminanten Ende mit Verfolgungsjagden auf verschiedenen Kontinenten und natürlich wird der Weg auch mit der einen oder anderen Leiche gepflastert.

Martin Suter hat mit seinem neuesten Buch ein weiteres Werk geliefert, das den Qualitätsansprüchen der Leser gerecht wird, das eine kleine – wenn auch nicht absichtliche – Hommage an Quentin Tarantino darstellt und das unglaublich spannend zu lesen ist.

Ich wünsche viele Spass beim Lesen und warte schon ungeduldig auf das nächste Buch von Martin Suter.

Von Hermann-Luc Hardmeier, 19. Februar 2017.