Theaterkritik: Rasante Jagd nach dem Piratenschatz

Das 2. Stück des Szenario-Ensembles namens „Die Schatzinsel“ sorgte im Fasskeller für Begeisterung. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Die Crew auf dem Schiff der Schatzsucher gerät durch Piraten in Bedrängnis (Foto: Phillip Schmanau, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Wow, das haut mich einfach um“, freute sich ein Gast nach der Vorstellung von „Die Schatzinsel“ am Samstagabend im Fasskeller. „Das Bühnenbild, die Requisiten und der viele Text, den sich die Schauspieler merken müssen – da bin ich baff.“ In der heutigen Zeit, in welcher viele Menschen gerade einmal ihren Handy-Pin-Code“ auswendig können, beeindruckt ein Theaterbesuch aus verschiedenen Gründen. Doch das wichtigste ist nach wie vor, dass die Gäste von einer spannenden Geschichte, einer packenden Dramaturgie und einem mitreissenden Spiel der Protagonisten gefesselt werden. Sie sollen die Emotionen des Stücks mitfühlen können. Ganz anders als im Kino springt der Funke im Theater viel leichter von der Bühne auf die Zuschauerränge. Und genau das ist den fünf Schauspielern unter der Regie von Manuela De Ventura und Xenia Ritzmann vorzüglich gelungen. Die Jagd nach dem Schatz des verstorbenen Piraten Käpt’n Flint sorgte für gute Unterhaltung. Als in einer Gaststätte ein Matrose starb, tauchte plötzlich die legendäre Schatzkarte auf. Der Sohn der Restaurantbesitzerin, der Arzt und der Friedensrichter kauften ein Schiff, heuerten eine Crew an und machten sich auf die Reise. Dumm nur, dass ihr Plan aufgeflogen war und ihre Mannschaft aus ehemaligen Piraten von Käpt’n Flint bestand, die ihnen bei der erstbesten Gelegenheit an die Gurgel wollten. Die Ausgangslage war spannend und das Abenteuer konnte beginnen. Der Roman des schottischen Autors Robert Louis Stevenson wurde von Josha Schraff ins Schweizerdeutsche übersetzt und dem Team der Theatergruppe Szenario auf den Leib geschrieben. Vielleicht war man damit dem Original noch näher als mit anderen englischen Theaterversionen, denn schliesslich war Stevenson die Idee für die Story bei einem Kuraufenthalt in Davos 1880/1881 gekommen. Bei der Umsetzung des Stücks für Schaffhausen war spannend, dass in der Geschichte selber fast nur Männerrollen vorgesehen sind, bis auf Josha Schraff aber nur Frauen im Szenario-Ensemble mitmachen. Zudem mussten jeder mehrere Rollen spielen, was der Aufführung eine zusätzliche Dynamik gab. „Das war schon eine Herausforderung“, erklärte Fanny Nussbaumer, die in die Rolle des grimmigen Piraten Long John Silver und der Restaurantbesitzerin geschlüpft war. „Was mich zusätzlich forderte, waren die vielen Requisiten. Man musste im richtigen Moment ein Fass über die Bühne ziehen, ein Brett aufhängen oder den Revolver an der richtigen Stelle deponieren. Da musste man immer zu 200% bei der Sache sein.“ Intensiv war nicht nur, was auf der Bühne passierte, sondern auch, was im Vorfeld gelaufen war. „Wir haben ein halbes Jahr lang geprobt, in den letzten zwei Wochen vor der Hauptprobe täglich“, erklärte Regisseurin Manuela De Ventura. „Zwischendurch hatten wir vom Fasskeller schon ein wenig den Kellerkoller, aber wir sind sehr glücklich und zufrieden mit der Première und den bisherigen Aufführungen.“ Die Anzahl der Vorstellungen ist übrigens streng limitiert, damit nicht nur das Publikum, sondern auch die Schauspieler hungrig gehalten werden können. Eine frischgebackene, knusprige Pizza bleibt schliesslich auch viel besser in Erinnerung, wenn man sie nach zwei Stücken dem Tischnachbarn weitergeben muss. Die interessante und humorvolle Aufführung der Schatzinsel bereitete den Besuchern einen tollen Abend und man wartet bereits ungeduldig auf den nächsten Streich des Szenario-Ensembles.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 18.11.207.