Theaterkritik: Russischer Angriff auf die Lachmuskulatur

Die russische Nationalmannschaft „Teatr 05“ errang einen Doppelsieg beim Theatersport am Freitag und Samstag in der „Kammgarn“ in Schaffhausen. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Es war wie ein Boxkampf zwischen Präsident Putin und Bundesrat Ueli Maurer. Allerdings ohne Fäuste und ohne diese zwei Politiker. Aber immerhin: Die Länder stimmten. Russland gegen die Schweiz. St. Petersburg gegen Bern und Winterthur. „Teatr 05“ gegen „Theater am Puls (TAP)“ und „Winterthur TS“. Gut 550 Besucher waren gekommen, um den jährlichen Theatersportwettkampf vom Schauwerk in der Kammgarn zu sehen. Am Freitag war sogar ausverkauft. „Wir organisieren den Theatersport nun zum 15. Mal und sind davon genauso begeistert wie das Publikum“, freute sich Katharina Furrer vom Schauwerk. Das Improvisationstheater mit den zwei Mannschaften und dem Schiedsrichter war in den ersten Jahren jeweils ein Duell von Schweizer Teams. Später kamen Künstler aus Berlin dazu. Und nun also aus Russland. Allerdings schon das zweite Jahr in Folge. „Wir suchen die Abwechslung bei unseren Events“, erklärte Katharina Furrer. „Sergey Sobolev und Eugen Gerein sind zwei geniale Schauspieler und können es gut mit den Schweizern aufnehmen.“ Und tatsächlich: Die Russen überzeugten.

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Foto: Michael Kessler, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier

Das Publikum als Regisseur

Doch der Reihe nach: Am Samstagabend eröffnete die „Pocketband“ mit einem Trommelwirbel und fetzigem Intro den Event. Schiedsrichtern Martina Schütze erklärte nochmals die Regeln: „Theatersport ist ein Improvisationstheater, bei dem das Publikum als Ideenlieferant gefragt ist.“ Spielorte, Themen der Stücke, Gefühle, Farben und, und, und wurden jeweils von den Zwei Mannschaften gefragt. Danach spielten sie damit kurze Szenen, die dann von der Publikumsjury mittels roter und blauer Karten bewertet werden mussten. Kurzum: Die Interaktion war wichtig und man staunte immer wieder, was die Schauspieler spontan für humorvolle und dramaturgisch geschickte Szenen auf die Beine stellten. Besonders schwierig dabei war, dass einer der Russen nur seine Landessprache beherrschte. Glücklicherweise sprach der zweite Russisch und Deutsch und konnte somit die wichtigsten Begriffe dolmetschen. Meistens war dies jedoch gar nicht notwendig. Im ersten Spiel trugen alle vier Schauspieler zusammen zum Gelingen des Stückes bei. Durch Klatschen konnten sie jeweils die Rolle eines anderen übernehmen und sprangen in eine thematisch andere Szene. So entwickelte sich ein Stück vom Gespräch zwischen Schuhputzer und seinem Kunden zum Ritterkampf, zum Flirt in einer Bar und endete im Streit zwischen einem russischen Ehepaar um die Vaterschaft von ihrem Baby.

Millionäre und Gangster

Danach suchte die Schiedsrichterin im Publikum nach vier schweizerdeutschen Sätzen. Selbstverständlich solche, welche die Russen nicht verstanden. Mit diesen Sätzen mussten die ausländischen Gäste nun ein Theater spielen und die Ausdrücke einbauen. Die Zuschauer kugelten sich dabei vor Lachen, denn die Russen schlugen sich sehr gut. Im nächsten Stück musste das Publikum einen Wunsch für 2018 formulieren: „Bei den Euromillions gewinnen“, rief ein Gast und das Thema wurde aufgegriffen. Nun spielten die Schauspieler also ein Stück rund um zwei frische Lottomillionäre, die plötzlich von zwei Gangstern überfallen wurden. Es folgten weitere Runden mit spontanen Liedern und den Lieblingsspielen der zwei Mannschaften. Während die Berner ein superlustiges Fragetheater beim Hundecoiffeur spielten, bereiteten die Russen ihren Favoriten vor: Ein Tanzsprechtheater. Dabei nahm der erste Schauspieler die Rolle des Tänzers ein, während der anderen den Regisseur spielte und dem Publikum erklärte, was nun aufgeführt werde. Da der russische Tänzer die deutschen Erklärungen natürlich nicht verstand, mussten die zwei gegenseitig vermuten und interpretieren, was der anderer nun tanzte beziehungsweise erklärte. Die Russen spielten sich damit in die Herzen der Schaffhauser.

Ein Toter, der singt

Der stärkste Moment des ganzen Abends war sicherlich, als der Russe Sergey bei einem Stück auf dem Friedhof plötzlich aus dem Grab hüpfte und von den Toten auferstand. Dabei sang er einen zornigen Punksong, der davon handelt, dass ihn der Friedhofsgärtner Josef mit seinem lauten Rasenmäher beim Schlafen störte. Nach riesigem Applaus durch die Zuschauer wurden die Gäste aus St. Petersburg nach dem Freitag auch am Samstag zu den Siegern gekürt. Der Doppelsieg markierte einen schönen Abschluss des Theatersports dieses Jahres. Die Gäste freuten sich bereits auf dem Nachhauseweg auf die Fortsetzung im nächsten Jahr.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 15. Januar 2018.