Mit der Zeitmaschine nach Woodstock

Flower-Power mit älteren Herren in der Kammgarn: Die Band Canned Heat, die mit ihren Hits eine ganze Epoche prägte, macht im Rahmen ihrer Europatournee auch in Schaffhausen halt. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

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Wow, das war eine abgefahrene Zeit! Woodstock 1969. Das bisher grösste Flower-Power-Festival lockte 400 000 Besucher an und gilt bis heute als einer der Höhepunkte der Hippiebewegung. Bei sommerlichen Temperaturen im August zelebrierte die Partymeute gute Musik und freie Liebe. 32 Bands spielten damals für die Festivalbesucher. Darunter Canned Heat, die im selben Jahr ihren grössten
Hit «Going up the Country» herausgebracht hatte. Mittlerweile ist viel Zeit vergangen. Verschiedene Bandmitglieder – unter anderem Frontmann Bob Hite – starben an den Spätfolgen ihres Drogenkonsums. Von den Woodstockbands touren nur noch zwei durch die Welt. Eine davon ist Ten Years After, die andere nennt sich Brennpaste in Blechdosen.
Oder zu Deutsch: Canned Heat.

Am heute machen sie im Rahmen ihrer aktuellen Europatournee in der Kammgarn halt. Ein Grund für die Munotstadt, kollektiv die Peace-Flaggen an die Fenster zu hängen und die Schlaghosen aus dem Kleiderschrank zu nehmen. Doch wie kommt es, dass eine 1967 gegründete Formation bis heute gefragt ist?

Von den Gründern nur noch einer dabei

«Canned Heat haben so viele Hits produziert, dass sie die Epoche prägten», erklärt
Sabine Trunzer vom Management der Band. «Sie sind ihren Wurzeln treu geblieben. Man
erkennt sie an den ersten zwei Tönen ihrer Songs.» Wer jetzt glaubt, man sehe an den
Konzerten nur Rentner mit Blumenkränzen im Haar, der irrt sich gewaltig. «Wir stellen
fest, dass die Musik auch viele Junge begeistert », so Sabine Trunzer weiter. «Sehr auffällig ist das etwa in Frankreich, wo der Altersdurchschnitt fast wie damals in Woodstock selber ist.» Wegen Todesfällen und Austritten ist von der Gründerformation nur noch Bassist Larry Taylor dabei. Verstärkt wird er aber von Urgestein Adolfo «Fito» del Parra. Dieser hatte kurz vor Woodstock Frank Cook ersetzt, doch er wollte zunächst nicht am Open Air auftreten. Die Band hatte seiner Meinung nach zu wenig geprobt. Er drohte, aus der Formation auszusteigen, und konnte nur durch den damaligen Manager Skyp Taylor überzeugt werden. Dieser schloss mit dem Generalschlüssel das Hotelzimmer
auf, überrumpelte den widerspenstigen Drummer und verfrachtete ihn mitsamt den anderen Musikern in den nächsten Helikopter nach Woodstock. Doch diese wilden
Zeiten sind vorbei. Das Quartett ist mittlerweile brav, und die zwei Urgesteine werden
verstärkt von John Paulus, zehn Jahre Hausbassist bei John Mayall, und Dale Spalding
aus Texas, einem der namhaftesten Mundharmonikaspieler aus dem Süden der USA. Canned Heat haben Bluesrock mit Boogie kombiniert. Sie setzten Mundharmonika und Flöten ein, was zur Kombination aus sanften Klängen mit deftigem Tiefgang führte. An den Auftritten fühlt man sich beinahe in die Swinging Sixties verfrachtet. Einziger Wermutstropfen ist jeweils der Abschiedsgruss der Band. Früher beendete Bob Hite das Konzert mit den Worten «And don’t forget to boogie!» Heute nehmen die Besucher diese Botschaft in den Herzen mit nach Hause.

Von Hermann-Luc Hardmeier, Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 4. Juni 2018.