Echte Dichter und zwei Neulinge am Poetry-Slam

Von Hermann-Luc Hardmeier: Am Poetry-Slam im TapTab Schaffhausen nahmen zehn Poeten teil. Ein Bericht von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Der Flyer des Open-List-Poetry-Slams. Foto: TapTab.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Ein Mikro. Ein Teppich. That’s it. Die Dekoration für einen Poetry-Slam ist nicht aufwendig, denn die Aufmerksamkeit gilt an diesem Abend ganz dem Wortkünstler und seinem Text. Das TapTab war am Freitagabend nur im oberen Bereich geöffnet, und auf den Stühlen im Halbkreis um das Mikrofon sassen die Zuhörer dicht gedrängt. Zehn Poeten kämpften um die Gunst des Publikums und um den Whisky, der an solchen Events üblicherweise
als Siegerpokal «verliehen» wird. Zuerst traten alle Wortakrobaten mit einem fünfminütigen Text gegeneinander an, der von einer Publikumsjury mit Tafeln von eins bis zehn bewertet
wurde. Danach folgte das Finale. «In der Schweiz sind die Löcher des Emmentaler Käses
mit strengen Gesetzen gefüllt», startete Organisator Philip Vlahos seinen «Opferlamm-
Text», der die Jury eichen sollte. Er kritisierte darin das Schweizer Asylwesen.
Es folgte mit schnellem Tempo, Witz und Charme Mathieu Heinz. Er erzählte von einer irren WGParty, an welcher missmutige Menschen der Spassgesellschaft spontanen
Sex hatten. Mordgelüste hatte Pierre Lippuner, der über eine fatale Liebesbeziehung
mit einer NSA-Agentin berichtete, und Fehmi Tanner sprach über einen bizarren Abend an einer Schlagerparty.

Lyriker mit Leib und Seele

Doch die Texte waren an diesem Abend nicht nur unterhaltend, lustig, vulgär und intelligent. Nein, angenehm überraschend waren beispielsweise Tobi Heyel aus Stuttgart und Alain Wafelmann aus Bern. Sie waren mit Leib und Seele Lyriker und trugen Gedichte,
Reime und Haikus vor. Es folgten fünf weitere Slammer, von denen zwei besonders hervorstachen: Damon und Tom. Beide sind Schaffhauser und hatten somit einen kleinen Heimvorteil. Viel wichtiger aber: Beide waren zum ersten Mal an einem Poetry-Slam dabei
und machten ihre Sache toll. Damon schaffte sogar den Einzug in die Endrunde.
Im Finale gewann sodann Mathieu Heinz knapp gegen Tobi Heyel. Er hatte mit der humorvollen Beschreibung eines Streits im Bus zwischen ihm und einer Oma den Lyriker ausgestochen. Der Frauenfelder durfte unter grossem Applaus den Siegerwhisky
entgegennehmen. Nach dem Poetry-Slam rauchte er vor dem TapTab genüsslich
eine Zigarette und sagte bescheiden: «Ich habe überhaupt nicht mit einem Sieg gerechnet.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 6. Oktober in der Zeitung Schaffhauser Nachrichten.