Wenn der Packt mit dem Teufel richtig schiefgeht

Von Hermann-Luc Hardmeier. Das Zirkuszelt des „Kultursommers“ auf dem Herrenacker in Schaffhausen platzte aus allen Nähten. 150 Gäste wollten die diabolische „schwarze Spinne“ sehen. Ein Theaterbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

schwarzespinnehardmeier

Bild: Das Cover des Klassikers in der Reclam-Ausgabe. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

„Aaargh!“ Mit einem Schrei, der durch Mark und Bein ging, eröffnete das Theater Sgaramusch ihr Stück „die schwarze Spinne“ im Theaterzelt auf dem Herrenacker. Das Zelt war bis auf den letzten Platz besetzt, knapp 150 Zuschauer wollten das Werk sehen, welches den Schweizer Autor Jeremias Gotthelf berühmt machte und vor Tod und Schrecken nur so strotzte. Der Schrei gehörte einer Bäuerin, die von einer Spinne attackiert wurde. Mit letzter Kraft sperrte sie das achtbeinige Insekt ins Tischbein und versiegelte das kleine Gefängnis. Danach starb sie an den Folgen des Spinnenbisses. Die Szene war eigentlich der Schluss der Geschichte, die von den drei Schauspielern Nora Vonder Mühll, Stefan Colombo und Olifr Maurmann aufgeführt wurde. Doch der Reihe nach: Ein finsterer Ritter quälte ein armes Bauerndorf mit dem Bau einer Burg und wollte innert kürzester Zeit 100 Bäume versetzen lassen. Die Aufgabe war für die Landwirte unmöglich und so schloss die zugezogene Christine einen Pakt mit dem Teufel: Im Gegenzug für das nächstgeborene Kind erlöste er das Dorf von der Aufgabe. Luzifer besiegelt den Packt mit einem Kuss auf die Wange von Christine. Mit einer List wollten die Bauern sodann den Teufel um seine Beute bringen. Jedes Kind wurde gleich nach der Geburt getauft. Beim ersten Kind schmerzte die Wange von Christine fürchterlich, beim zweiten Kind platzte die Wange. Tausende Spinnen schlüpften und töteten alle Kühe des Dorfes. Beim dritten Kind wurde Christine selber zur Spinne. Sie brachte Tod und Verderben über das Dorf. Erst die letzte Dorfbewohnerin schafft es, die Spinne einzusperren. Eine fürchterliche Geschichte, die aber spannend in der Interpretation ist. „Wir wollten einmal etwas richtig Böses spielen“, erklärte Schauspieler Stefan Colombo gegenüber den Schaffhauser Nachrichten. Doch ihn reizte nicht nur die Boshaftigkeit der Spinne, sondern auch die Botschaft der Geschichte: „Was böse ist, das ist auch immer eine Frage des Standpunktes.“, so Colombo. Jeremias Gotthelf, der eigentlich Albert Bitzius hiess, war im richtigen Leben Pfarrer. Für ihn war natürlich der Teufel der Inbegriff der Boshaftigkeit, doch geht es in diesem Stück nicht nur um Religion. „Die Dorfbewohner überlegen sich, ob sie ein Kind zum Wohle des ganzen Dorfes opfern dürfen“, so Colombo. „Auch stellt sich die Frage, ob Christine Schuld an der Tragödie ist.“ Diese Fragen werden nicht beantwortet. Es geht um moralische Standpunkte. Das Publikum muss selber entscheiden, was richtig und falsch ist. Insofern war es auch sehr gelungen, dass die Schauspieler zum Schluss die Verantwortung zur Bewachung der Spinne im Tischbein den Zuschauern überliessen und sich, begleitet von düsterer Schwiizerörgerli-Musik, von der Bühne stahlen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung Schaffhauser Nachrichten.