Ein fieser Klimasünder schnappte sich den Sieg am Poetryslam in Andelfingen

Beim 2. Provinzslam im Löwensaal wurde der ehemalige Schweizermeister am Samstagabend im Finale gestoppt. Von Hermann-Luc Hardmeier

Bildlegende: Sie brachten Wortwitz, Humor und Tiefgang in den Löwensaal: Joël Perrin, Milena Cavegn, Remo Zumstein, Annika Biedermann, Fine Degen, Claude Ziehbrunner, Jan Rutishauser und Rahel Fink. (v.l.n.r.) Foto: Hermann-Luc Hardmeier.

„Bei diesem Dichterinnen- und Dichterwettstreit dürfen weder Goethe noch Bushido zitiert werden“, scherzte Moderator Joël Perrin bei der Erklärung der Regeln. Die sieben Poeten des Abends mussten ihre Texte selbst geschrieben haben und bekamen 6 Minuten Bühnenzeit im Löwensaal in Andelfingen. Vor und nach der Pause stimmten die Showmaster Rahel Fink und Joël Perrin das Publikum mit einem fetzigen „Opferlamm“-Text ein. Danach begann der Wettbewerb, bei welchem das Publikum mittels Applaus im K.O.-System einen Kandidaten rauswerfen oder in die nächste Runde schicken konnte. Den Beginn machte Qeumars Hamie. Eigentlich sollte es eine Lovestory werden, doch er schrieb dann doch lieber eine Ode an sein Fahrrad. Mit viel Wortwitz schwärmte er von seinem Stahlross und vom „geilen“ Rahmen. Eine ungewöhnliche Zwei-Pedalen-Romanze mit Happy End.

Sprichwörter kreativ vertauscht

Fine Degen verarbeitete in ihrem Text ihren Namenskomplex und kritisierte dabei Eltern, welche aus egoistischen Gründen ihren Kindern mit seltsamen Vornamen eine Hypothek für’s Leben mit auf den Weg geben. Es folgte die erste Abstimmung: Die Gäste wollten mehr von der Tiefgründigkeit der Slampoetin hören und schickten den Veloromantiker zurück nachhause. Eine besonders üble Story erzählte anschliessend Annika Biedermann: Ihr Exfreund trennte sich von ihr am selben Abend, als sie an der Zürcher Slammeisterschaften teilgenommen hatte. In der Pause. „Dieser Text war akut und handelt vom Scheitern“, sagte sie mit Bitterkeit in ihrer Stimme. Sie wäre damit auf jeden Fall das Finale eingezogen, wenn nicht Remo Zumstein mit einem starken Kontrastprogramm pariert hätte. Er präsentierte eine „Mitmach-Rede“, bei welcher er Sprichwörter bis fast zur Unkenntlichkeit vertauschte. Sätze wie: „Es ist nie zu spät, um den Hals aus der Windel zu ziehen“ oder „Der Glauben kann Zwerge verletzen“, brachten das Publikum dazu, in schallendes Gelächter auszubrechen. Das „Mitsprechen“ an gewissen Stellen klappte erstaunlich gut und somit wurde er für die Originalität des Auftritts klar in die nächste Runde „geklatscht“. In der Pause brachte es ein Besucher auf den Punkt: „Eigentlich sehr schade, dass einige bereits disqualifiziert werden. Ich hätte gerne alle Texte von allen Poeten gehört.“

Geldsparen dank Glatze

„Stellen Sie sich vor, sie hätten vor dem nächsten Text gerade zweieinhalb Flaschen Rotwein auf ex getrunken“, leitete Claude Ziehbrunner seinen Auftritt nach der Unterbrechung ein. Er berichtete von einem Flirt und baute dabei die Namen von alkoholischen Getränken ein. „Ich werde dich RUM kriegen, du bist meine PASOA, dir bleibe ich auf ewig TROJKA und danach gehen wir in mein FELDSCHLÖSSCHEN.“ Milena Cavegn berichtete anschliessend von einem wilden Traum. Nach einem Unfall mit kaputter Bremse verkleidete sie sich als Pinzette, um an eine Technoparty zu gehen. Die absurde Odyssee hatte grossen Unterhaltungswert. Den Abschluss machte Jan Rutishauser, der sich selbst auf die Schippe nahm. Er berichtete über Haarausfall und zeigte dabei auf sein kurzgeschorenes Haupt. Er erklärte, warum weder ein Toupet noch eine „Resthaarfrisur“ für ihn in Frage kämen und freute sich, dass er nun viel Geld beim Frisör spare. Damit schaffte er den Sprung in die Finalrunde. Dort liess er sich weder von der gesellschaftskritischen Fine Degen noch vom Bücherfan und ehemaligem Schweizermeister Remo Zumstein stoppen. Jan Rutishauser warf beide raus, indem er seine fiese Ader zeigte: „Anstatt selbst etwas für die Klimapolitik zu tun, verkleinere ich den ökologischen Fussabdruck meiner Mitmenschen.“ Unter grossem Gelächter berichtete er, wie er beispielsweise dem Nachbarn die Luft aus dem Autoreifen lasse, damit er mit dem Velo zur Arbeit fahren müsse. Er sicherte sich damit den Siegerwhiskey, den er gefolgt von einer grossen La-Ola-Welle in Empfang nahm.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten am Montag, 31. Januar 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.