Ein „Supertyp“ mit einem Plan B

Von Hermann-Luc Hardmeier: Nicolas Lüchinger ist eine Nachwuchshoffnung des FC St. Gallen. Neben dem Sport absolviert er eine KV-Ausbildung an der „UNITED school of sports“. Das ist nicht immer einfach, aber das spezielle Schulmodell erlaubt Nicolas, Sport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Ein Bericht von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Nicolas Lüchinger an seinem ersten Schultag an der UNITED school of sports. (Foto: unitedschool.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Tore schiessen. Prüfungen schreiben. Trainieren. Hausaufgaben lösen. Im Büro Vollgas geben. Unterschiedlicher könnten die Ansprüche an den 18-jährigen Nicolas Lüchinger kaum sein. Im Sport, in der Schule und in der Ausbildung ist er zu 200% gefordert. Er absolviert seit dem Sommer 2013 beim Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen im Sportamt den berufspraktischen Teil seiner KV-Lehre. Seit dem Frühjahr 2013 trainiert er mit der 1. Mannschaft des FC St. Gallens und gilt dort als Nachwuchshoffnung. Eingesetzt wird er erst in der U-21. Doch, wenn alles gut läuft, geht es nicht mehr lange bis zu seinem Debut in der 1. Mannschaft. Die Kombination von Ausbildung und Sport hat ihm seine Schule ermöglicht, die „UNITED school of sports“. Das spezielle Schulmodell erlaubt ihm, die KV-Ausbildung innert vier Jahren zu durchlaufen. In den ersten beiden Jahren hat er rund 80% der schulischen Ausbildung absolviert. Beim Lehrbetrieb ist er nun für 2 Jahre angestellt. In der Schule muss er deshalb jetzt nur noch einen halben Tag pro Woche. Die dadurch entstehende „freie“ Zeit wendet er für das Training auf. Am Ende der vier Jahre erfüllt er sämtliche Kriterien einer KV-Ausbildung und erhält das eidgenössische Fähigkeitsdiplom. So kann Nicolas Lüchinger neben der Ausbildung dem Leistungssport nachgehen und seinem heissersehnten Ziel näher kommen: Eines Tages ein Profisportler zu werden.

Ein ideales Modell

„Es ist für uns ein Grundsatz, dass wir keine jungen Menschen ohne Ausbildung aufnehmen“, erklärt Roger Zürcher, technischer Leiter der Nachwuchsabteilung des FC St. Gallen. Er findet es wichtig, dass Nicolas Lüchinger einen Plan B in der Hand hält, falls sich die sportliche Türe nicht oder nicht genug weit öffnen würde. Ein Unfall – man denke beispielsweise an Stanic vom FCZ – kann eine Fussballerkarriere schnell beenden. „Das Modell der United School ist top, denn Training und Ausbildung sind optimal kombinierbar“, lobt Roger Zürcher. „Ein Jugendlicher mit normalen Unterrichtszeiten könnte niemals von uns so sportlich gefördert werden, wie es bei Nicolas Lüchinger der Fall ist.“

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Bild: Nicolas Lüchinger im Dress des FC St. Gallen. (Foto: fcsg.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Nicht immer einfach im Betrieb

Es liegt auf der Hand: Nicolas kann wegen seinen sportlichen Verpflichtungen nicht acht Stunden pro Tag im Büro sein. Deshalb muss die Arbeit gut organisiert werden. „Die Zusammenarbeit ist eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten“, erklärt Andrea Bucher, Berufsbildnerin des Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen. Doch diese Strapazen nimmt sie gerne auf sich: „Es ist für uns klar, dass wir Ausbildungsplätze anbieten, damit die jungen Sporttalente Schule, Sport und Beruf erfolgreich verbinden können.“ Nicolas Lüchinger leistet eine sehr grosse Einsatzbereitschaft, damit er die hochgesteckten Ziele trotz seiner Fehlstunden erreichen kann. Dabei helfen ihm auch seine Eigenschaften, die er im Sport erlernt hat: „Nicolas kann sehr fokussiert und diszipliniert arbeiten“, sagt Andrea Bucher. „Diese Fähigkeiten aus seiner sportlichen Laufbahn kann er bei uns zum Vorteil einsetzen.“

Schlau und sympathisch

„Ich bin sehr glücklich, diesen Weg eingeschlagen zu haben und würde es ohne überlegen wieder tun“, sagt Nicolas Lüchinger. Sein ursprünglicher Ausbildungswunsch eines Hochbauzeichners war nicht kombinierbar mit dem Fussball. Er hätte sich entscheiden müssen. Durch das System der United School of Sports erhält er eine solide Grundausbildung und ist auf bestem Weg, den Aufstieg in die Super-League zu schaffen. Er ist schlau genug, den Goodwill, der ihm vom Lehrbetrieb entgegengebracht wird, zu schätzen und auch etwas zurückzugeben. Wie weit er sportlich jemals kommen wird, steht noch in den Sternen, aber seine Grundeinstellung ist richtig. Und wenn alle Stricke reissen, hat er mit der Ausbildung zum Kaufmann einen guten „Plan B“. Am besten fasst Andrea Bucher die Situation von Nicolas Lüchinger zusammen: „Ihm gelingt der Spagat zwischen Sport und Schule bzw. Betrieb gut. Wir schätzen ihn in unserem Team und zudem ist Nicolas einfach auch ein guter Typ.“

von Hermann-Luc Hardmeier, Erschienen im Clubheft des FC St. Gallens.