Theaterkritk: Faust verstehen – leicht gemacht

Von Hermann-Luc Hardmeier: Das Theater Rigiblick wagt eine ungewohnte Herangehensweise an Goethes Faust. Das Projekt ist unglaublich faszinierend und verführt zum Mitsingen. Von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Daniel Rohr als Mephisto und Silvester von Hösslin als Faust überzeugen in der unkonventionellen Faust-Inszenierung. (Foto: www.theater-rigiblick.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Goethes Faust gilt als wichtigstes und bekanntestes Werk des deutschen Schriftstellers. Das Theaterstück von 1808 ist der Klassiker schlechthin in der Literatur.

Wer nicht Germanistik studiert hat und sich nicht gewohnt ist, die Zähne an schwieriger Literatur zu wetzen, der hat jedoch ein Problem: Faust ist nicht nur das bekannteste Stück, sondern auch das zähste. Es ist nicht nur zäh, sondern teilweise so richtig garstig. Das Vorwort (der Prolog im Himmel) ist in einer so gestelzten Sprache geschrieben, dass viele Leser bereits nach wenigen Seiten des Prologs aufgeben. Und somit sind sie noch nicht mal Ansatzweise in die Geschichte des Doktor Faustus mit seinem Teufelspakt eingetaucht. Natürlich hat Goethe absichtlich eine sehr gewählt Sprache gesucht. Das Buch gilt als Kernstück seines Schaffens und er hat es nicht nur über Jahre, sondern über Jahrzehnte bearbeitet. Die gesamte Geschichte mit Faust 1, 2 und dem Urfaust wurde fast 40 Jahre lang von Goethe ausgebessert. Er wollte oft aufgeben, wurde von seinen Bekannten und allen voran von Schiller jedoch immer wieder angehalten, das Buch fertigzustellen. Es sollte ein Meisterwerk werden. Nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich. Diese wichtige Geschichte ist darum in so eine, je nach Betrachtungsweise, bedeutungsvolle oder mühsame Verpackung gesteckt.

Das Theater Rigiblick ist sich dieser Thematik vollends bewusst und hat für diese verzwickte Lage eine Lösung gefunden:

Sie erzählen Goethes Faust neu, untermalt mit Rock- und Popsongs. Das Schauspieler-Duo wird bei ihrem Auftritt von einer Band unterstützt, die Goethes Text mächtig Feuer unter dem Allerwertesten macht.

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Bild: Das Cover des Klassikers von Goethe. (Foto: www.reclam.de, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Der Klassiker ist zeitlos und wurde immer wieder neu entdeckt. Warum deshalb nicht eine moderne Annäherung mittels der Musik versuchen? Wenn Faust mit Mephisto auf das Motorrad steigt, ertönt „Highway to Hell“. Wenn sich Mephisto vom Pudel in Luzifer verwandelt, erklingt „Devil in Disguise“ von den Rolling Stones. Beim Stück Daniel Rohr und Silvester von Hösslin wird schnell klar: Dass die Themen von Faust auch Themen der aktuellen Rock- und Popmusik sind.

Der Pakt mit dem Teufel, der Genuss des Augenblicks, die Bewusstseinserweiterung, das Nirgends-Zuhause-Sein, die Rebellion gegen das Althergebrachte und nicht zuletzt natürlich die Liebe. Deshalb sind in der Inszenierung auch Songs von AC/DC, den Beatles bis zu den Rolling Stones und Frank Zappa zu hören. Gesungen von den zwei Schauspielern. Die Dialoge sind vereinfacht, und dennoch alle wichtigen Szenen des Buches berücksichtigt. Die wichtigsten Faust-Zitate dürfen ebenfalls nicht fehlen; sie werden mit einer Zitat-Hupe jeweils deutlich gemacht.

Wer Faust verstehen will, der darf sich diese Vorstellung nicht entgehen lassen. So hat man Faust noch nie erlebt: Lustig, dynamisch, schnell und zum Mitsingen. Wüsste Goethe von dieser modernen Inszenierung, er würde ohne Frage einen Purzelbaum schlagen und mit Schiller ein Tanzduell veranstalten.

Von Hermann-Luc Hardmeier