Beim Theatersport in der Kammgarn führt einmal im Jahr das Publikum Regie. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.
Bild: „Bühnenpolka“ duellierte sich mit „TS Winterthur“. (Foto: Michael Kessler, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)
Man nehme einen Schiedsrichter, eine Band und zwei zweiköpfige Schauspielerteams. Und schon war die perfekte Backmischung für den Theatersportkuchen kredenzt. Am Freitag und Samstag fand der jährliche Theatersportwettkampf vom Schauwerk in der Kammgarn statt. Diesmal trat das Team «Bühnen Polka» aus München gegen die «TS Winterthur» an. Moderiert wurde das Ganze von einem Schiedsrichter, der Spiele für die zwei Mannschaften auswählte. Sie mussten sodann jeweils ein Kurztheater improvisieren, bei welchem aus dem Publikum Vorgaben wie der Ort, eine Stimmung oder beispielsweise ein Beruf aufgenommen wurden. Zum Schluss der Darbietung durften die Gäste Punkte vergeben und ein Siegerteam bestimmen. Im ersten Stop-and-Go-Spiel brauchte er für die gemeinsame Szene der Schauspieler einen Beruf. «Maurer», «Präsident» und «Archäologin» wurde gerufen. Die Schauspieler entschieden sich für die dritte Möglichkeit. Das Stück startete mit der Suche nach Knochen und Smaragden und endete schliesslich in einem gesungenen Heiratsantrag, bei welchem sich die zwei männlichen Schauspieler küssten. Schon diese Runde gab Einblick in die Kreativität der Künstler. Sie konnten aus winzigen Zutaten und Inputs dramatische und kreative Stücke ins Leben rufen. Einfach faszinierend, wie spontan, offen und talentiert die Bühnenakrobaten das Publikum begeisterten. «Beim nächsten Spiel suche ich einen schönen Ort», sagte der Schiedsrichter und er konnte sich kaum noch beherrschen vor Lachen, als eine Besucherin «Recyclinghof» schrie. Der Input wurde aufgenommen und ein Stück mit pedantischen Entsorgungstagen, der Abfallpolizei und mafiösen Müllganoven nahm seinen Lauf. Beim Lieblingsspiel der Gruppen entschieden sich die Münchner für das «Genre-Spiel». Dabei durfte das Publikum zwei Spielarten auswählen, zwischen welchen die Mannschaft hin- und herspringen wollte. Man entschied sich für Horror und Tierdokumentation. Die Besucherinnen und Besucher kugelten sich vor Lachen, wie die deutschen Schauspieler dabei selbst ein leichtes Chaos bekamen. Die Winterthurer konterten mit dem Spiel «Tour de Suisse», bei welchem sich zum Thema «Hausputz», in verschiedene Kantone reisten und dort mit Dialekten und Klischees jonglierten. «Welches Thema bewegt derzeit Schaffhausen?», wollte der Schiedsrichter wissen und jemand sprach die zersägten Bänkli von der umstrittenen Kunstaktion an. Es folgte nun ein Hardrock-Song zu den zersägten Bänkli, der den Saal zum Kochen brachte. Nach der Pause folgte eine Reggae-Nummer zum Thema «Schaffhauser Züngli», ein Dolmetscher-Spiel und viele weitere amüsante Momente. Am Samstagabend kämpften die Münchner sodann gegen «Tsurigo» aus Zürich und beindruckten beispielsweise mit «Katzenyoga» vs. «Darkyoga». «Wir hatten zweimal eine geballte Ladung voller Improvisationskunst auf der Bühne», freute sich Katharina Furrer vom Schauwerk. Die Kammgarn war zweimal rappelvoll. «Für das Schauwerk ist der Theatersport eine Einstiegsdroge, um alle Generationen ins Theater zu locken», sagte Furrer weiter. Das Schauwerk minimiert das Suchtpotential, indem sie jeweils im Januar eine intensive Ladung an Theatersport freigibt und mit der Schnelligkeit und dem Erfindergeist die Kammgarn-Gäste restlos begeisterte.
Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 13. Januar 2025.