Theaterkritik: „Der Richter und sein Henker“ – Die schmutzigen Tricks von Kommissär Bärlach

Am Dienstagabend überzeugte im Stadttheater die Aufführung von Friedrich Dürrenmatts «Der Richter und sein Henker» mit Witz, Charme und einem Bühnenbild, das nur auf den ersten Blick langweilig erschien. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Gibt es das perfekte Verbrechen? Wenn es nach Gastmann geht, dann ist diese Frage mit «Ja» zu beantworten. Der finstere Bösewicht des Stückes in «Der Richter und sein Henker» wettete einst mit Kommissär Bärlach darum, dass er vor den Augen des Polizisten einen Mord begehen könne, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Er sollte recht behalten, doch Bärlach sann nach Rache. 40 Jahre später geschah ein Mord am Polizisten Ulrich Schmied, der offenbar als verdeckter Ermittler bei Gastmann eingeschleust war. Zusammen mit dem ehrgeizigen Polizisten Tschanz startete Bärlach seine Untersuchungen. Dabei wurde der Protagonist vom Wachhund, einem schwierig zu beschreibenden Ungeheuer, angegriffen. Tschanz rettete ihm das Leben, indem er das Tier tötete. Das Buch von Dürrenmatt ist eine Persiflage auf den Kriminalroman und nahm deshalb immer wieder unerwartete Wendungen. Schmieds Mörder war offenbar Polizist Tschanz selber. Sein Motiv: Eifersucht auf den beruflichen Erfolg von Schmied. Um seine Spuren zu verwischen und jemand anderes den Mord anzuhängen, tötete er sodann Gastmann. Aber: Bärlach hatte insgeheim als vermeintlicher Richter alles so geplant und Tschanz als Henker für seine Pläne benutzt. Kein Wunder freute sich der Kommissär zum Schluss riesig über seinen Sieg in der Wette. Doch diese erinnert stark an den Pakt zwischen Gott und dem Teufel in Goethes Klassiker «Faust», bei welchem auch das Gute gegen das Böse antrat. Nur hatte Dürrenmatt das Ganze umgedreht: Bärlach erschuf keine Gerechtigkeit, sondern übte Rache. Der Ermittler ist eigentlich kein «Guter», sondern hat sich auf die finstere Seite des Gesetzes geschlagen. Passend dafür war auch das Bühnenbild, welches die undefinierbare Bestie darstellte, welche Bärlach angegriffen hatte. Zunächst war man als Zuschauer enttäuscht, weil nach dem Tod des Tieres das Bühnenbild nutzlos und etwas langweilig erschien. Doch bei genauerem Betrachten erkannte man im mehrköpfigen Wuschelknäuel eine literarische Parabel auf das ganze Stück. So unfassbar wie das Äussere des Tieres waren in der Geschichte auch die Begriffe gut, böse, Wahrheit oder Gerechtigkeit. Das Altonaer Theater hatte die Inszenierung mit viel Witz und Charme sowie gutem Tempo umgesetzt. Man durfte gespannt den Ermittlungen folgen oder über Dürrenmatts groteske Ironie lachen. Tschanz als Henker und Bärlach als Chefplaner und Richter blieben zum Schluss ungestraft. Das sorgte für hitzige Diskussionen und einen gelungenen Theaterabend.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 16. März 2023.

Max Frisch komplett auf den Kopf gestellt

Das Theater Kanton Zürich veränderte am Dienstagabend in Oberstammheim das Stück Andorra von Max Frisch auf eine sehr kreative Art. Die brutalste Szene jedoch fehlte. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Der Schweizer Erfolgsautor Max Frisch hat mit Andorra 1961 ein Theaterstück geschrieben, das eine Messerscharfe Botschaft hat. Der Protagonist Andri gerät völlig unverschuldet in einen Tornado voller antisemitischer Vorwürfe und wird von der Gesellschaft als Jude abgestempelt und diffamiert. Die Geschichte endet schlussendlich mit seinem Tod. Andris Halbschwester versuchte seine Ermordung gegen den Widerstand der Andorraner zu verhindern und wird zum Schluss wahnsinnig. Mit Andorra ist nicht der echte Kleinstaat gemeint, sondern der Ort diente Frisch als literarische Parabel, um vor den Folgen von Antisemitismus, Mitläufertum und einer Unkultur des Wegschauens zu warnen. Vermutlich kritisierte Max Frisch mit Andorra das Verhalten der Schweiz im 2. Weltkrieg angesichts des Holocausts im Nachbarland. Auch Deutschland selbst könnte gemeint sein. Am Dienstagabend nun hatte das Theater Kanton Zürich im Schwertsaal in Oberstammheim eine neue Inszenierung von Andorra aufgeführt. Um es vorwegzunehmen: Max Frisch wurde dabei auf eine erfrischende Art und Weise komplett auseinandergenommen. Die Aufführung begann in einer Klinik oder in einem Krankenhaus, in welchem die verrückt gewordene Barblin als Patientin eingeliefert wurde. Um ihr Trauma zu verarbeiten, hat sie einen sonderbaren Plan: Mit dem Pflegepersonal spielt sie die Geschichte nach. Die Erzählung geschah also in einer Rückblende, in einem Theater innerhalb eines Theaters. Die Angestellten der Klinik übernahmen nun die Rollen der Andorraner und behandelten Andri genau so mies wie in der Ursprungsfassung von Max Frisch. Technisch wurde das vom Theater Kanton Zürich sehr spannend gelöst: Via Beamer wurde jeweils ein Bild mit Berufsbezeichnung und «normaler Kleidung» eingeblendet, welche Figur aus der echten Geschichte gerade dargestellt wurde vom Pflegepersonal. Zudem wurde eine weitere Metaebene eingebaut: Immer wieder wurden während der Aufführungen Filmausschnitte eingeblendet, welche die echte Story von Andrins Schicksal erzählen sollten. Diese Filmausschnitte waren im Stile von Medical Detectives abgedreht: Mit Zeugenaussagen, Statements von Polizisten und halbgaren investigativen journalistischen Ermittlungen. Der Zuschauer hatte daher eigentlich zwei Handlungsstränge und zwei Theaterstücke zu bewältigen: Die Filmausschnitte und das «Rückblende-Spiel» von Barblin in der Klinik. Diese Aufgabe war anspruchsvoll, hatte jedoch grossen Unterhaltungswert und forderte die Gäste kognitiv heraus. Die Medical-Detectives-Version hatte zudem den Vorteil, dass es die Zeitlosigkeit des Stückes unterstrich. Insgesamt war der Spagat zwischen Werktreue, Film und Schauspiel eine sehr kreative und innovative Umsetzung von Max Frischs Klassiker. Besonders gut gelungen daran war, dass man dabei auch die Männerbastion von Frisch geknackt hatte. Beim Original spielen Frauen keine wichtige Rolle. Das Theater Kanton Zürich hat jedoch Barblin ins Zentrum gerückt und liess sie die Geschichte erzählen. Einziger Kritikpunkt: Das psychisch brutalste Element von Andorra, die Judenschau, wurde weggelassen. Angesichts der Brutalität des Holocaust ist es fraglich, ob dieses zentrale und perfide Element fehlen darf. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Inszenierung von Andorra am Dienstagabend als kreativ, innovativ und absolut gelungen bezeichnet werden darf.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 30. März 2023 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

Horror-Kuh und Westernheld in Barzheim

Beim Theatersport vom Freitag- und Samstagabend in der Kammgarn war das Publikum Regisseur und eine kleine Schaffhauser Gemeinde wurde zum Running-Gag.

Foto: Jeannette Vogel

Einmal im Jahr lädt das Theater Schauwerk in die Kammgarn zum grossen Theatersport-Event. Dabei treten zwei Schauspieler-Teams gegeneinander an, welche im Vorfeld weder Drehbuch noch Inhalt ihrer Stücke kennen. Dies wird vom Publikum bestimmt und die Künstler inszenieren danach ein Kurztheater mit den gewünschten Zutaten. Moderiert wird das Ganze von einem Schiedsrichter und zum Schluss jeder Runde wird abgestimmt mittels roter und blauer Karten, welche Formation kreativer, frecher oder lustiger gespielt hat. Die Veranstaltung ist bei den Schaffhausern sehr beliebt und sorgte für ein ausverkauftes Haus an beiden Abenden mit insgesamt 570 Besuchern. Am Freitagabend traten vom Team «Improphil» aus Luzern Reto Bernhard und Randulf Lindt gegen ihre Herausforderer «Improtheater» aus Konstanz Britta Lutz und Roberto Hirche an. Am Samstagabend gab es einen thematischen Theatersport mit dem Thema Natur. Anlass war das 50-Jahr-Jubiläum des WWF Schaffhausen. Unterstützt wurden die Künstler von der dreiköpfigen Pocket-Band.

Bildlegende: Bollywood-Show in der Kammgarn am Theatersport-Event. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier. Foto: Jeannette Vogel)

Vom Mond in die Kirche
Das erste Spiel am Freitagabend nannte sich «Stop’n’Go», bei welchem von den vier Schauspielern möglichst unterschiedliche Kombinationen und stetig wechselnde Schauplätze und Szenen gefordert waren. Das Publikum gab als Vorgabe, dass die Szene auf dem Mond beginnen sollte, ein Zahnarzt musste vorkommen und jemand musste als Hobby Wrestling-Kampfsport betreiben. Die Szenen nahmen überraschende Wendungen mit Schwangerschaftsgymnastik, einem Reggae-Song, Hantelstemmen im Fitnesscenter und schlussendlich endete die Darbietung mit einem «Ave Maria» in der Kirche.

Barzheim als Highlight
«Für die nächste Szene brauchen wir einen Ort, den man in Schaffhausen kennen müsste», fragte der Moderator. «Rheinfall», «Lindli» und «Barzheim» wurde gerufen. Die Theatertruppe entschied sich für das kleine Dorf Barzheim und musste unter grossem Gelächter der Gäste zunächst eine gewöhnliche Alltagssituation in Barzheim spielen. Diese sollte dann von Hollywood neu verfilmt werden. Das Publikum wünschte sich dafür ein Remake als Horrorfilm, als Bollywood-Tanzfilm und einen Western. Es folgte nun Szenen, wie es sie wohl in Barzheim noch nie gegeben hatte. Eine blutrünstige Kuh zog eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt, eine fröhliche Bollywoodtruppe sang auf dem Marktplatz so mitreissend, dass sogar das Rindvieh die Hüften kreisen liess und zum Schluss lehrte ein Revolverheld die kleine 174-Seelen-Gemeinde das Fürchten. Die Darbietung war so gelungen, dass es viel Zwischenapplaus gab und bereits die erste La-Ola-Welle des Abends. Barzheim entwickelte sich sodann zum Running-Gag und wurde immer wieder einmal humorvoll in die Aufführungen eingebaut.

Laser-Schwert im Kindergarten
Das Highlight am Freitagabend war sicherlich die Runde mit dem Titel «Lieblingsspiel». Luzern brauchte einen Protagonisten für ein Märchen. Komplett in Versform gereimt spielten sie sodann eine romantische Komödie mit einem verwirrten Zwerg und einem zweiköpfigen Drachen, bei welcher ein Burg-Fräulein befreit werden musste. Konstanz hingegen teilte das Team. Roberto erfand zusammen mit dem Publikum eine Story. Britta wartete vor der Türe und musste danach erraten, wie ein Kindergartenlehrer mit einem Laser-Schwert bewaffnet zur Arbeit ging, das ertrinkende Kind im Aquarium jedoch von einer Kaulquappe gerettet wurde. Der Clou dabei, Roberto erzählte ihr die ganze Geschichte auf Kauderwelsch-Russisch und in Zeichensprache. Der Saal kugelte sich vor Lachen und staunte mit offenen Mündern, als Britta tatsächlich die ganze Geschichte erraten konnte. Viele weitere kreative Spiele und sogar eine Zugabe folgten. «Wir hatten zwei hochkarätige Abende und eine super Stimmung», bilanzierte Katharina Furrer vom Schauwerk zum Schluss erfreut.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. Januar 2023.

Der Liftboy verblüffte die Kafka-Fans

Am Dienstag überraschte das Stadttheater Schaffhausen das Publikum, indem der sonst so düstere und traurige Franz Kafka humorvoll inszeniert wurde. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

«Mein Dienst ist lächerlich und kläglich leicht (…), ich weiss nicht, wofür ich Geld bekomme.» Franz Kafkas Klage über seine Anstellung bei der «Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt» konnte man immer auch humorvoll verstehen. Er bezeichnete seinen Beruf als «Brotjob» und fand seine wahre Passion im literarischen Schreiben. Werke wie «Die Verwandlung», bei welchem ein Handelsreisender sich in einen Käfer verwandelt oder «Der Process», bei welchem ein unbekanntes Gericht einen Herrn einer unbekannten Tat beschuldigt, machten den Autor berühmt. Weniger oft auf den Bühnen gespielt wird hingegen das Buch «Amerika (Der Verschollene)», welches am Dienstag im Stadttheater von der Württembergische Landesbühne Esslingen (WLE) aufgeführt wurde. «Bei Kafka leidet man oft als Zuschauer», erklärte Knut Spangenberg beim Theatergespräch vor Vorstellungsbeginn. «Uns gefiel, dass das Buch Amerika für einmal zum Schmunzeln einlädt und ein wenig an Charlie Chaplins Film «Modern Times» mit der Zahnradszene erinnert.» Am Dienstagabend schlitterte der Protagonist Karl Rossmann von einer vertrackten Situation in die nächste. Chaplins Zahnräder waren jedoch nicht aus Metall, sondern zeigten sich als Metapher bei den Mitmenschen von Rossmann. Er schien gefangen in einem Labyrinth von äusseren Zwängen, die er nicht beeinflussen konnte. Die perfekte Beschreibung für die kafkaesken Situationen, in welche Kafkas Figuren immer wieder hineingeraten. Der Protagonist Karl Rossmann hatte eine Affäre mit seinem Kindermädchen und nach ihrer Schwangerschaft flüchtete er nach Amerika. Einerseits aus Angst vor der familiären Schande, andererseits, um keine Alimente zahlen zu müssen. Nur zu gerne hätte er dort einen bürgerlichen Beruf angenommen, doch es wird ihm ein Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine geworfen.

Foto: Jeannette Vogel. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier.

Die Peripetie erreicht das Stück, als seine Karriere als Liftboy in einem Edelhotel scheiterte. Es stellte nicht nur der Wendepunkt in seinem möglichen bürgerlichen Aufstieg dar, sondern war auch ein humoristisches Highlight für Kafka-Kenner. Das telefonische Streitgespräch zwischen der Oberköchin und Rossmanns Vorgesetzten sorgte für ungewohnte hochgezogene Mundwinkel. Das Esslinger Ensemble warf zudem spannende Interpretations-Scheinwerfer auf die Figur des Randständigen Robinson: Vom Saboteur zur moralischen Stütze für Rossmann. Aber auch auf die Schlusszene im «Oklahoma Theater». Kafkas Fragment lässt den Ausgang offen. Auch der Tod Rossmanns scheint denkbar. Am Dienstag jedoch wurde er vom neuen Arbeitgeber endlich mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Humor und Happy End? Absolut untypisch für Franz Kafka. Für den Theaterbesucher jedoch ein überraschendes und spannendes Erlebnis.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten am 19. Januar 2023. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Mit Emil ist sogar die Steuererklärung ein Gaudi

Comedy-Urgestein Emil Steinberger zeigte am Montagabend in Dachsen, dass er auch noch mit 89 Jahren das Publikum zum Lachen bringen kann. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Alle wollten ihn sehen. Die Mehrzweckhalle in Dachsen war am Montagabend restlos ausverkauft. 270 Gäste waren für den Auftritt des Urgesteins der Schweizer Comedyszene gekommen. Steinberger ist nicht nur bekannt durch seine zahlreichen, jahrzehntelange Bühnenshows, sondern auch durch seine Rolle im Film «Schweizermacher» oder sein einjähriges Gastspiel im Zirkus Knie. Mit seinem Programm «Emil schnädered», tourt er derzeit durchs Land und gibt nochmals einen vielfältigen Einblick in sein Können. «Sie werden mir nicht glauben, was mir heute in Dachsen passiert ist», begann Emil seine Erzählungen. Als er im hiesigen Café bei einer Zeitungslektüre und einem koffeinhaltigen Getränk entspannen wollte, setzte sich eine Frau zu ihm und prellte zum Schluss die Zeche. Als er sie vor der Tür zur Rede stellen wollte, wurde er prompt verhaftet, da ihn die Dame angezeigt hatte. Die unglaubliche Geschichte war humorvoll erzählt und Emil löste zum Schluss auf: «Ich habe Ihnen einen Bären aufgebunden.» Der Mix aus echten Begebenheiten und erfundenen Geschichten, die durchsetzt mit lustig nachgespielten Alltagsbeobachtungen waren, sind eine Stärke von Emil. Egal ob er ein neuzeitliches Märchen erzählt, in welchem Aschenbrödel zusammen mit Schneewittchen ein Nailstudio eröffnet und zum Schluss der Schweizer Post der Nobelpreis verliehen wird, oder ob er sich über das Wort Kohlensäure aufregt. Emil ist auch mit 89 Jahren eine Wucht. Immer wieder lässt er durchblicken, dass er trotz weissen Haaren im Herzen ein schelmischer Lausbube geblieben ist. Er zieht den Abbau des Service Public durch den Kakao oder macht sich über Weinkenner lustig, die mit Ausdrücken wie «Der Wein schmeckt nach Karamell, Schokolade, aber auch Liebstöckel und Essigstich», wichtig und mondän auftreten. «Wer will schon einen Wein mit Essigstich?», mokierte er sich. Einer der stärksten Momente der Show war, als Emil einen genervten Ehemann spielte, der eine Hochzeitskarte für ein befreundetes Paar verfassen sollte. Er dachte sich die lustigsten Kombinationen aus, welche sich reimen könnten. Zwischendurch stritt er sich mit der imaginären Ehefrau, welches Hochzeitsgeschenk gekaufte werden soll und warum sie um Himmels Willen dieses Paar überhaupt kenne. «Wegen diesem Seich geht mein ganzer Samstag flöten», fluchte er. Danach setzte Emil an zu einer Mathematiklektion, bei welcher er anschaulich die Mengenlehre erklärte: «Ein Kreis sind Zürcher, ein Kreis ist Kalbfleisch. Was ist die Schnittmenge?» – «Züri Geschnetzeltes», rief das Publikum im Chor. Im zweiten Teil des Abends hatten einige Programmpunkte ein wenig an Schwung und Biss verloren. Vielleicht war die Aufführung mit zwei Stunden ohne Pause ein wenig zu lange geraten. Mit einem sehr amüsanten Rollenspiel, bei welchem ein Paar eine Steuererklärung ausfüllte, und mit einer Vielzahl von Zugaben schickte der Comedy-Meister jedoch alle Zuschauer beschwingt und vergnügt nach Hause.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 12.10.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Ein kreativer Mix aus Theater und Sport

Beim Format „Theatersport“ in der Kammgarn erfanden Teams aus Deutschland und der Schweiz Kurztheater mithilfe der Inputs des Publikum. Das Resultat war eine rasante Doppelvorstellung am Freitag und Samstag.

Bild: Teamplayer trotz Konkurrenzkampf. Team Berlin vs. Team Bremen. (Foto: Roberta Fele, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Beim Format „Theatersport“ in der Kammgarn erfanden Teams aus Deutschland und der Schweiz kreative Kurztheater mithilfe der Inputs vom Publikum.
„Fünf, vier, drei, zwei, eins – los!“ Beim Theatersport am Freitag- und Samstagabend in der Kammgarn wurde jede Szene kollektiv eingezählt. Am Freitag duellierten sich zwei Teams aus Bremen und Berlin, am Samstag wurde Bremen durch Bern ersetzt. Wie immer bei diesem Format existieren für die vielen Kurztheater keine Drehbücher. Das Publikum ist der Regisseur und bringt Inputs für die improvisierenden Schauspieler. Ein Ort, ein Beruf, eine Eigenschaft oder ein Gefühl. Je nachdem, was der kreative Schiedsrichter und Moderator Sven für die Kurzszenen haben musste. Am Schluss jeder Runde wurde mittels roter oder blauer Karte bewertet, welches Team besser war. Der Moderator fragte eine Dame nach ihrem Namen und ihrem Beruf. Die Archäologin Isabelle bekam sodann den Auftrag, im Saal eine kollektive La-Ola-Welle zu initiieren. Ihr Beruf wurde im Verlaufe des Abends ein Running Gag. Die Berliner nahmen Bezug auf die Ausgrabungen beim Barfüsserkloster. Sie liessen die Geschichte in der Vergangenheit spielen und erfanden eine witzige Story, warum dort überhaupt Skelette zu finden waren. Die Bremer wünschten sich aus dem Publikum zwei Mäntel und eine Stofftasche. Zudem einen Ort. „Spielplatz“ erklang es von den Gästen. Zunächst begann die Szene mit einer harmlosen Begegnung zweier Elternteile. Sie suchten jedoch in den Taschen der Zuschauermäntel nach interessanten Gegenständen und hatten plötzlich Medikamente und Tabletten in der Hand. Unter herzhaftem Gelächter der Gäste nahm das Stück sodann eine frappante Wendung. Plötzlich wurden auf dem Spielplatz Drogen gedealt und eine Liebesbeziehung schien sich zwischen den Protagonisten anzubahnen. Bei einem weiteren Spiel gaben die Besucher das Thema des Stücks und drei verschiedene Genres vor. „Aufklärung“ rief jemand und der Schiedsrichter grinste. Die Bienchen-und-Blümchen-Story musste sodann zuerst am Königshof, dann in einer James-Bond-Version und zu guter Letzt als Musical aufgeführt werden. Diese Szenen waren nicht nur spannend und witzig, sondern auch sehr beeindruckend. Scheinbar aus dem Nichts und nur mit wenigen „Zutaten“ stellten die Theatersportler jeweils ein Kurztheater auf die Beine, das wirklich beeindruckte. Ein kreativer Moment des Abends war auch, als der Schiedsrichter eine Sitcom aufführen wollte. Durch ein Missverständnis hiess die Hauptperson dann plötzlich „Munot“ und musste sich mit einem Untermieter, einem gefrässigen Piranha und einem kuschelbedürftigen Mondfisch herumschlagen. Das Highlight daran war aber, dass man wie die Amerikaner in den Sitcoms jeweils laut klatschen musste, wenn jemand neues die Bühne betrat oder im Kollektiv halblustige Szenen mit lautem Herauslachen, Weinen oder auch mit bedauernden „Ouuu“-Lauten kommentieren sollte. Normalerweise sieht man bei Sitcoms diese Zuschauer ja nicht, aber nun sass man mittendrin und merkte: Das macht unglaublich viel Spass. Es folgten viele weitere witzige Spiele. Beispielsweise jenes, bei welchem der Schiedsrichter ein gelbes Reclam-Schulheft dabei hatte und einer der Schauspieler für seine Sprechrolle nur Sätze aus Wedekinds „Frühlings Erwachen“ vorlesen durfte. Als sich die 130 Jahre alten Zitate mit einem Sozialpädagogen und einem Vermieterehepaar nicht vereinen liessen, kam es zu einem aberwitzigen Streit. Das Publikum war enthusiastisch gestimmt von den kreativen Kurztheatern. Auch die Organisatoren Katharina Furrer vom Schauwerk meinte: „Wegen Corona haben wir halb so viele Leute, aber die genauso scharfe und coole Stimmung wie sonst. „Ich bin total begeistert.“

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 17. Januar 2022.

Eine grosse La-Ola-Welle für den Theatersport auf der Kammgarnterrasse

Zwei Schauspieler versetzten die Kammgarnterrasse mit Improvisationstheater am Freitagabend ins Staunen!

Fünf, vier, drei, zwei, eins – Los! Jede Szene auf der Kammgarnterrasse wurde mit diesem Countdown eingezählt. Die zwei Schauspieler Nike Erichsen und Gunter Lösel vom Theatersportteam Winterthur hatten am Freitagabend ein spezielles Konzept für die Gäste im Gepäck. Sie nannten es „Gameshow“. Wie beim Theatersport übernahm das Publikum die Rolle des Regisseurs. Die Schauspieler wollten von ihnen Themen, Orte, Gefühle und Hauptpersonen der Stücke wissen. Es war jedoch kein Wettbewerb zwischen den zwei Schauspielern, sondern es wurde alles gemeinsam aufgeführt. Bei besonders gelungenen Vorführungen hatte Zuschauerin Katharina jeweils die Aufgabe, eine kollektive La-Ola-Welle zu initiieren. „Was hattet ihr als Kinder für einen Berufswunsch?“, wollte Gunter Lösel für eines der ersten Spiele wissen. „Helikopterpilot. Aber schliesslich bin ich Chemielaborant geworden“, sagte ein Zuschauer und prompt wurde aus diesen „Zutaten“ ein Stück gespielt. Es folgte eine „Mord-und-Totschlag“-Geschichte mit zwei Handwerken. Sobald jemand „Das klingt nach einem Lied“ aus dem Publikum rief, mussten beziehungsweise durften die Schauspieler ihre Gefühle in einem spontanen Song ausdrücken. „Bei der Auswahl der Stücke und den „Zutaten“ war sehr viel Humor im Spiel. Die Gäste amüsierten sich prächtig und waren immer wieder auf’s neue verblüfft, wie die zwei Schauspieler aus den wenigen Vorgaben gute interessante und ansprechende Stücke aufführen konnten. Ein Höhepunkt des Abends war, als Gunter Lösel in die Rolle eines Erfinders schlüpfen musste. Das Publikum legte zuvor ohne sein Wissen fest, welche Erfindung er gemacht habe: Ein TV-Sessel, der gleichzeitig ein WC ist. Die Gäste kugelten sich vor Lachen, als der Tüftler nun herausfinden musste, was zum Teufel er denn da überhaupt entwickelt habe. Es folgten viele witzige Episoden wie eine kleine Oper, eine Lovestory inklusive Kinderzeugung auf dem Munot hinten den Kanonen und ein Hund namens Elvis wurde zum Publikumsliebling erkoren. Der Abend endete mit einer grossen und verdienten La-Ola-Welle von Katharina und viel Applaus.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. August 2021.

Eine Wundertüte mit klarer Botschaft zur Wiedereröffnung des Stadttheaters

Die erste Vorstellung im Stadttheater Schaffhausen nach der Coronapause verwirrte und begeisterte die Zuschauer zugleich. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Zugemüllt und vernebelt. Die Umweltverschmutzung und der einfluss des Menschen dabei wurden am Dienstag im Stadttheater Schaffhausen schonungslos angeprangert. (Fotos: Melanie Duchene, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Es ist toll und schön, dass wir wieder spielen können“, freute sich Kulturbeauftragter Jens Lampater auf die erste Vorstellung nach der Coronapause. Damit der Wiedereinstieg fulminant wird, hatte sich das Stadttheater dafür einen besonderen Leckerbissen ausgesucht. Ein Stück des Theaterensembles Ontroerend Goed unter der Leitung von Alexander Devriendt. «Mir gefällt an ihren Aufführungen, dass sie starke, eigenständige Stücke auf die Beine stellen und nicht einfach zum 37. Mal Shakespeares Sommernachtstraum oder Brechts Dreigroschenoper einspielen und vielleicht ein bisschen modernisieren», so Lampater. «Es ist konzeptionell und strukturell eine ganz andere Art von Theater.» Was das bedeutet, konnten die Schaffhauser bei den drei bisherigen Auftritten in der Munotstadt miterleben. Einmal errichtete das Ensemble ein Spielcasino auf der Bühne, bei welchen die Zuschauer an den Schalthebeln der Finanzmärkte mitwirken konnten. Einmal eine Abstimmungsarena, bei welchem Schauspieler in einem Knock-Out-System der Rhetorik zum Opfer fielen und ein anderes Mal erzählte die Theatergruppe die gesamte Weltgeschichte innerhalb von eineinhalb Stunden. Rückwärts wohlgemerkt. Kein Wunder waren bei diesen innovativen und partizipativen Ideen die fünfzig Tickets für die Aufführung schnell ausverkauft. Um was es genau ging, konnte man dem Programmheft nur ansatzweise entnehmen. Eine Wundertüte zur Wiedereröffnung der Theaterbühne. Das klang vielversprechend.

Seltsames Chaos

Zunächst begann das Stück unspektakulär. Einsam und alleine stand ein Baum auf der Bühne. Rot funkelnd und majestätisch baumelnd ein einzelner Apfel an einem Ast. Die Schauspieler bewegten sich seltsam rückwärts, verhielten sich teilweise kurios und sprachen ein seltsames Kauderwelsch. Selbst eingerostete Englischfans bemerkten schnell, dass dies nicht die versprochene Landessprache aus Grossbritannien war, welche man zu hören bekam. Der Baum auf der Bühne wurde misshandelt, Äste zerbrochen, ausgerissen und schliesslich wurde die Pflanze weggeworfen. Als wäre das noch nicht genug, regnete es bunte Abfallsäcke von der Decke und eine seltsame goldene Statue wurde in Einzelteile vor das Publikum geschoben und aufgerichtet. War das Dadaismus? Provokation? Oder einfach ein Chaos, welches hier vorgesetzt wurde? Die Zuschauer waren ratlos, bis es langsam dämmerte. Die Schauspieler sprachen rückwärts.

Plötzlich macht alles Sinn

Nach der Hälfte der Vorstellung trat eine Akteurin vor den Vorhang und sprach plötzlich in „normalem“ Englisch. Eine Leinwand wurde heruntergelassen und das ganze Geschehen auf der Bühne wurde über den Beamer ab Band rückwärts nochmals abgespielt. Jetzt machte auf einmal alles Sinn. Die goldene Menschheitsstatue wurde umgerissen, die bunten Abfallsäcke eingesammelt. Die Menschen verschwanden und übrig blieb nur der Baum. Es war in der Rückwärtsschau faszinierend, welche Details und Verhaltensweisen man übersehen hatte und nun verstand. Das Stück hatte jetzt auch eine klare Botschaft. Eine Parabel, die vor der Klimaerwärmung und die Zerstörung der Umwelt durch die Menschen warnt. Der Baum der Erkenntnis blieb übrig. Die Apokalypse und die Verschmutzung konnten zwar auf der Bühne rückgängig gemacht werden. Doch schaffen wir das auch im echten Leben? Der Auftakt in den Theatersommer ist dem Stadttheater damit nicht nur geglückt, sondern regte auch intensiv zum Nachdenken an.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Donnerstag, 6. Mai.

Die High Heels weit von sich gepfeffert

Slampoetin Lisa Christ ärgerte und amüsierte sich zugleich in der Kammgarn am Freitagabend über die «verknorzten» Erfolge der Gleichstellung. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Foto: Lisa Christ wollte durchaus, dass dem Publikum das Lachen im Hals stecken blieb. (Bild: Michael Kessler, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Pfui Teufel. Eigentlich beginnt das Problem der Gleichstellung von Mann und Frau schon in der Bibel. Lisa Christ erklärte dem Publikum, dass es frustrierend sei, dass schon im heiligen Buch die Frau an der Erbsünde schuld sei. Schliesslich habe sie den Apfel von Luzifer – in Form der Schlange – an Adam weitergereicht. Genervt wetterte sie über das vom Patriarchat dominierte Frauenbild und machte schnell klar, dass es so nicht weitergehen könne. Sie rief zwar nicht zur Revolution auf, aber streute mit Hochgenuss Salz, Pfeffer und Tabasco in die offene Wunde der geschlechterspezifischen Rollenverteilung. Die Zuschauer der Schauwerk-Veranstaltung in der Kammgarn merkten schnell: An diesem Abend war nichts mit «Schenkelklopfer-Humor» à la Peach Weber oder belanglosen Witzchen. Lisa Christ hat eine klare Botschaft und vertritt sie mit grosser Vehemenz. Eine Charaktereigenschaft dabei ist, dass sie sich gerne und schnell in Rage redet. Mehrmals musste sie sich selber wieder besänftigen, indem sie über eine Musikbox beruhigende Musik abspielte. Unterstrichen wurde ihre Kritik noch dadurch, dass sie entnervt ihre High Heels von sich pfefferte und meinte «Ich brauche wirklich neue Schuhe». Die Aktion war sinnbildlich, denn viele Kleidungsstücke lösen gewissen Rollenbilder aus. Zugleich war dies der Titel ihrer aktuellen Tour.

Anklage gemischt mit Humor

Lisa Christ seufzte ostentativ. Sie erzählte von einer Kollegin, die sich zwischen Karriere und Familie entscheiden musste. Diese verzichtete ihrem Mann zuliebe auf einen lukrativen Job in New York oder am Bundesgericht. «…obwohl es genau solche taffen Frauen wie sie in solchen Positionen bräuchte», sagte Christ. Nach wie vor sei die Lohnschere zwischen Mann und Frau enorm. Teilweise verdienten die Damen 20% weniger als die Männer für den gleichen Job. «Man stelle sich das vor», so Christ. «Sie arbeiten eigentlich bis Ende März gratis.» Anstatt dagegen anzukämpfen, scharren laut Lisa Christ junge Damen lieber Millionen von Followern um ihren Instagram-Account und geben Schminktipps. «Dort haben alle die gleichen künstlich hohen Wangenknochen, die gleiche Mono-Augenbraue und am Schluss kommt einem in der Bahnhofsunterführung eine Armee von Kylie Jenners entgegen.»

Ein Hauch von Dürrenmatt

Die Anklage von Lisa Christ wurde immer wieder mit Humor gemischt. Doch dieser wurde dosiert eingesetzt, um das Gesagte nicht zu verwässern. Ein wenig erinnert dies an das Konzept von Dürrenmatts Tragikomödie. Der Humor wird eingesetzt, um die schwere Kost verdaulich zu machen und an den Zuschauer heranzulassen. Doch ist es durchaus gewollt, dass dem Publikum zwischendurch das Lachen im Halse stecken bleibt. Dies geschah beispielsweise so: Im einen Moment mokierte sich Lisa Christ über Leute, die Fitness- und Ernährungstipps geben. «Wer hat sich schon einmal beim Fläzen auf dem Sofa eine Verletzung geholt? Richtig. Niemand. Aber beim Joggen, Yoga oder Crossfit? Bänderriss, Zerrung, Leistenbruch.» Sie forderte zu mehr Müssiggang auf und rief im Stile des Revolutionärs Che Quevara: «Lang lebe Cola und Zuckerwatte!» Im nächsten Moment jedoch sprach Lisa Christ über die «MeToo»-Bewegung. Über alltägliche und gesellschaftlich akzeptierte sexuelle Belästigungen von Freunden und Familienmitgliedern. «Stell dich nicht so an!» oder «Du übertreibst», seien die akzeptieren Ausreden. «Wenn eine Frau nicht geküsst oder begrabscht werden will, dann lass es gefälligst!», schrie sie in die Kammgarn. Lisa Christ hatte humorvoll verpackt auf viele Schwächen und Fehlverhalten in der Gesellschaft hingewiesen. Dies war ein anklagender, aber auch ein sehr wichtiger Aufritt.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 16. November 2020.

Happy End dank Gaddafis Goldbarren

Die Komödie «Bank-Räuber» von Beat Schlatter amüsierte die Zuschauer im Trottentheater Neuhausen am Samstag und überraschte mit einem Promi. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

An der Olma 2009 hatte er fast einen Bundesrat in die Luft gesprengt. Der schräge Erfinder Eberhard ist zu Besuch in der Traditionsbank «Lamm» und braucht 100 000 Franken. Doch die Investitionsanfrage ist nicht das einzige Problem, welches Bankdirektor Kaspar Lamm am Hals hat. Frau Suter vom Pestalozzi Kinderdorf verlangt 900 000.- für eine neue Heizung und Vater Lamm Senior will ein Familienfoto vor dem offenen Geldtresor mit den Goldbarren machen. Eigentlich alle kein Problem, wenn Direktor Lamm Junior nicht alles Geld der Bank verpulvert hätte. Als Sponsor vom «Live at Sunset» brachte ihn die hohe Gage von Rod Stewart arg in Bedrängnis. Die Bank ist pleite und Kaspar Lamm kommt auf die wahnwitzige Idee, seine eigene Bank mithilfe des Erfinders zu überfallen. Es startete ein herrliches und temporeiches Verwirrspiel mit einem bösartigen UBS-Banker Alain Küng und einem Presslufthammer im Kleiderschrank.

Witzig und spannend

Der Komiker Beat Schlatter hat zusammen mit Stephan Pörtner ein Stück geschrieben, das viele wichtige Zutaten einer gelungenen Vorstellung vereint. Spannung, Humor und Überraschungen. Die Dialoge sind witzig und es wird nie langweilig. Schlatter ist ein überzeugender Schauspieler und hat sich ein Ensemble ausgesucht, das ihn perfekt unterstützt. Besonders Pascal Ulli sticht hervor, dem man den fiesen Grossbanker sofort abkauft.

Etwas zu brav

Bei allem Lob sei eine kleine Kritik dennoch angebracht. Beat Schlatter ist ein intelligenter Beobachter des Alltagslebens und war im Jahr 2009 das Aushängeschild der BAG-Kampagne gegen die Schweinegrippe. Seine Aufforderung, Hände zu waschen, ist uns allen noch gut im Gedächtnis. Mit diesem Hintergrund hätten sich ein paar kleine satirische oder selbstironische Seitenhiebe auf die Coronakrise durchaus angeboten. Der Humor des Stückes war gut, aber blieb verhältnismässig sehr brav. Auf der Leiter der Boshaftigkeit hätte Schlatter durchaus noch ein paar Sprossen höher klettern können. Zur Verteidigung kann man aber anfügen, dass es wieder einmal eine Wohltat war, zwei Stunden bestens unterhalten zu werden, ohne dass nur einmal das Wort «Corona» fiel.

Federer am Telefon

Ein Highlight des Stückes war sicherlich, als Roger Federer in der Bank anrief und von Kaspar Lamm Tickets für das Rod Stewart – Konzert verlangte. Die Stimme war natürlich nicht echt, aber trotzdem freute sich das Publikum enorm über die Überraschung. Das Verwirrspiel im Trottentheater nahm seinen Höhepunkt, als der UBS-Banker die illegalen Goldbarren des ehemaligen Diktators Muammar al Gaddafi in der Bank Lamm versteckte und damit unfreiwillig das Verwirrspiel auflöste. Ein Happy End dank Gaddafi? Ein solch pointierter Schlusspunkt kann nur Beat Schlatter einfallen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 28. Oktober 2020 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.