Ein Gewitter aus Punk und Polka

Am Samstagabend wurde im Taptab der wilde Bär von der Leine gelassen. Nebel, Blitze, E-Gitarre und viel Power standen auf dem Programm. Den Anfang machte die Vorband Šuma Čovjek, was auf Kroatisch soviel wie „Waldmensch“ heisst. Die sieben Musiker viel Polka im Blut und sangen auf Französisch, Algerisch, Bosnisch und in weiteren Sprachen. Frontmann Ivica Petrusic war vom Schaffhauser Publikum begeistert. „Es ist schön hier. Die Gäste gaben von Anfang an alles und liessen uns ihre Energie spüren.“ Die Musik bewegte sich zwischen Balkanpop, orientalischen Klängen und einigen harmonischen Chansons. Würde man eine Portion Cevapcici, einen Zirkus, eine Postauto-Hupe und ein Erdbeben in einen Mixer stecken, so hätte man annähernd das Partygefühl beschrieben, welche die Band im proppenvollen Taptab auslöste. Auch bei der Hauptband Palko!Muski gab es keine Zeit für Langweile. Die Gäste tanzten sich die Seele aus dem Leib. Vor der Bühne beherrschten Pogotänzer das Parkett. Sänger Baptiste Beleffi riss sich schon bei den ersten drei Songs das Hemd vom Leib und stand auf den Klavierstuhl, um die Menge anzufeuern. „Cigano-Musik hat etwas von Freiheit und Rebellion“, vermutete Ivica Petrusic, warum die zwei Bands das Publikum so enthusiastisch in ihren Bann zogen. Auf einer Skala von 1 bis 10 steigen Palko!Muski immer gleich auf Stufe 12 in den Konzertabend. Die Mischung von Schlagzeug, Polkaklängen und Akkordeon klingt auf den ersten Moment schräg, hat aber die Wucht einer Dampfwalze. Ein Gewitter aus Punk und Polka, das für Blitzeinschläge, Überschwemmungen und Stromausfälle sorgt. „I wanna Disco“, fordert der Palko-Sänger und sorgte damit bis in die frühen Morgenstunden für eine weitere Eskalation im Hexenkessel.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am Montag, 23. Dezember 2019.

Eine gemütliche Berner Tramfahrt mit Freestyle-Einlage

Die Berner Musiker Lo + Leduc besuchten mit der Hype-Tour die Kammgarn und brachten die Gäste zum Mitsingen. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Die zwei Zeremonienmeister im Einsatz. (Foto: Flavia Grossenbacher, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Leute, überall Leute. Wohin das Auge reichte. Vor der Bühne, auf der Treppe und im 1. Stock am Geländer. Die Kammgarn platzte am Freitagabend aus allen Nähten, als Lo & Leduc zum Konzert einluden. Grosser Jubel brach aus, als die zwei Berner Zeremonienmeister mit ihrer achtköpfigen Band die Bühne enterten. Der Saal badete in blaue-violettem Licht. Gemütlicher Berner Rap traf auf eine mitreissende Bläserfraktion, knackige Schlagzeugbeats und einen Bass, der in den Körper eindrang und alle Organe zugleich massierte. Lo & Leduc sprangen, tanzten und feierten ab der ersten Sekunde in der Kammgarn. Ihre Texte und Raps waren meist als Dialog aufgebaut, sodass sie zusammen wie ein altes Ehepaar im Wohnzimmer unter der Rheumadecke ein entspanntes Gespräch zu führen schienen. Das Wort „alt“ passte ansonsten aber keineswegs zum Auftritt der Reimkünstler. Voller Energie und Power und mit sichtlichem Spass meisterten sie ihre gut zweistünde Show in der Munotstadt. „Das ist das allerletzte Konzert einer wunderschönen Dekade“, erklärt Leduc. Er spielte damit darauf an, dass der Startschuss und das allererste Konzert der Band ziemlich genau vor zehn Jahren stattfand. Damals wollte Leduc noch Fussballprofi werden, erfuhr man im späteren Verlaufe des Abends. „Nun habe ich ja auch eine Art Fussballmannschaft, allerdings eher für ein Grümpeltournier“, scherzte er in Richtung seiner Band. Songs wie „Bini bi dir“ und „Chileli vo Wasse“ und „Cuba Bar“ folgten. „Mir si kei Confiture, cha üs nid konserviere“, sangen die Besucher eine bekannte Textzeile lautstark mit. Ein Highlight des Abends war die Freestyle-Show von MC Lo. Sein Bühnenpartner sammelte zunächst Begriffe aus dem Publikum, die Lo in seinen spontanen Rap einbauen sollte. Diamant, Kiesweg, Birrewegge, Hosensack und Na, Omi waren die Vorschläge der Besucher. Lo legte los und war innert weniger Sekunden auf einem Level einer Zahnradbahn unter Starkstrom. Es ratterte und zischte von seinen Stimmbändern, sodass Rapikone Eminem seine wahre Freude daran gehabt hätte. Der hohe Wellengang des Flows riss alles mit, was sich ihm in den Weg stellte. Die Gäste tobten vor Freude und aus dem hinteren Bereich der Halle stimmten einige Fans im Chor „Freestyleking, Freestyleking“ an. Songs wie „Ingwer und Ewig“ folgten. Die zwei Berner Tramchauffeure schalteten für ihre gemütliche musikalische Rundfahrt wieder einen Gang zurück. Nach einer Stunde war es Zeit für den Song, der in der Hitparade sogar „Despacito“ und alle anderen Ultrahits vom Podest gestossen hatte. „079“ erklang und es gab keinen im Saal, der nicht mitsang. Zeitweise war das Backgroundsängertalent der Schaffhauser Besucher so intensiv, dass es eigentlich gar keine Band mehr gebraucht hätte. Die Musiker liessen die Besucher tanzen, kollektiv auf die Knie gehen und hochspringen. Es gab eine La-Ola-Welle durch den Saal und mehrere Zugaben wurden gespielt. Mit neuen Songs, aber auch mit dem Chartstürmer „Jung verdammt“ und einem neuen Reggaehit, der kein Ende zu kennen schien, spielten sich die Berner einmal mehr in die Herzen der Zuhörer. Ein starker Konzertabend, der definitiv Lust auf die kommende Dekade der Band macht.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 23. Dezember 2019.

„Ich war schon immer ein Chipsfan“

Der gebürtige Schaffhauser Alan Bachmann entwickelt bei Zweifel neue Geschmäcker für Pommes Chips. Bei einem Rundgang in der Fabrik erzählte er von seinem Traumjob. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Drei Tische voller Zweifel-Chips. Die Mitarbeiter probieren nach Herzenslust und der Produktionsleiter informiert über die Wochenziele. Der Montagmorgen in Spreitenbach startet in der Zweifelfabrik genauso, wie man sich das in der Fantasie ausmalen würde. Es fehlt nur noch, dass die Mitarbeiter anschliessend wie Dagobert Duck in den Tresor voller Chips springen und ein Bad in den knackigen Papriksnacks nehmen. Mittendrin steht Alan Bachmann, Leiter Entwicklung, und lacht zufrieden, als er die Zahl von 181 Tonnen produzierter Chips in der vergangenen Woche hört. „Momentan ist Hochsaison. Im Sommer und während der Weihnachtszeit essen die Schweizer am meisten Chips“, erklärt der 37-Jährige. Alan Bachmann ist in Schaffhausen in Buchthalen aufgewachsen und lebt mit seiner Familie nun in Flaach. Er hat seine Lehre bei Knorr (heute Unilever) zum Lebensmitteltechnologen gemacht, die Berufsmaturität absolviert und schliesslich Lebensmittelingenieur studiert. Bei Zweifel ist er seit 12 Jahren, hat dort seine Frau kennengelernt und tatsächlich gehört das Chips essen zu seinem Beruf. Allerdgins anders, als man denkt. Was beim Meeting am Montag so locker aussieht, ist eigentlich eine Degustation, welche der Qualitätssicherung dient. Später zieht sich das Entwicklungs- und Produktionsteam in einen Konferenzraum zurück und beurteilt ausgewählte Test-Chips nach Geschmack, Backfarbe, Salzigkeit und weiteren Kriterien.

Fussball-Chips schon fertig

Bei einer Führung durch den Betrieb erklärt Bachmann, dass jährlich 20 000 Tonnen Kartoffeln verarbeitet werden und zeigt, wie sie gewaschen, geschnitten, frittiert und schliesslich gewürzt werden. Zwischendurch probiert er immer wieder von den frischen Chips und sagt: „Davon kann man einfach nicht genug kriegen.“ Sein Job ist allerdings nicht nur Vergnügen, sondern sehr anspruchsvoll. Sein Team sucht neue Geschmäcker für die Chips. Dafür muss er Trends aufspüren und weit vorausplanen. Die Chips für die nächste Fussball-EM 2020 sind schon fertig und derzeit läuft die Planung für 2021. Die Frage drängt sich auf, ob eigentlich jeder Geschmack machbar wäre. Kann Alan Bachmann beispielsweise Pommes Chips mit Toblerone- oder Lasagne-Geschmack auf den Markt bringen? „Crazy darf es sein, aber natürlich muss das in Zusammenarbeit mit der Marketingabteilung und unseren Kunden passieren“, so Bachmann. „Wir haben beispielsweise Graneo- oder die Vaya-Linie entwickelt.“ Letztgenannte sind Chips, die nicht frittiert sind und dem Wunsch nach gesünderen Snacks entsprechen. Verworfen wurden Ideen für Chips der Geschmacksrichtung Ahornsirup mit Speck oder Cordon-Bleu, um zwei ausgefallene Geschmacksrichtungen zu nennen.“ Als er zurück ins Büro kommt, liegen auf seinem Tisch bereits neue Chips, die er testen soll. „Es ist ein Traumjob, denn ich war schon immer ein Chipsfan“, sagt er stolz. Er räumt aber auch ein, dass man nicht nonstop Pommes-Chips essen könne. „Chips sind kein Grundnahrungs-, sondern ein Genussmittel. Ein Snack. Bei einer ausgewogenen Ernährung liegt auch ab und zu ein Sack Chips drin. Keine Frage, Alan Bachmann ist glücklich mit seinem Job. „I love Paprika“ werde er sich zwar nicht auf den Arm tätowieren, er möchte aber noch lange bei Zweifel bleiben und ist selber gespannt, welche Geschmacksrichtungen für die Schweizer Chipsfans er noch heraustüfteln wird.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 20.12.19.