Bombardierung von Schaffhausen im 2. Weltkrieg: Treffer mitten ins kulturelle Herz der Stadt

Vor 75 Jahren wurde Schaffhausen im 2. Weltkrieg bombardiert. Historiker Matthias Wipf erklärte im Museum zu Allerheiligen, was dies für die hiesigen Kunstschätze bedeutete. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Bild: Historiker Matthias Wipf erklärt den Zuhörern, wie das naturhistorische Museum und weitere Gebäude von den amerikanischen Bomben getroffen wurden. (Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Feuer, Flammen, Zerstörung und Tod. Der 1. April 1944 ist der schwärzeste Tag in der jüngsten Geschichte von Schaffhausen und bewegt auch 75 Jahre nach dem tragischen Ereignis die Gemüter. 40 Menschen kamen damals ums Leben, rund 120 wurden verwundet und die Stadt litt unter den unsäglichen Zerstörungen, welche die amerikanischen Flugzeuge mit ihren knapp 400 Bomben angerichtet hatten. Die Piloten kamen wegen Navigationsfehlern und schlechtem Wetter von ihrem ursprünglichen Ziel ab, die IG-Farben in Ludwigshafen zu bombardieren. Der Radar versagte, der Treibstoff ging zur Neige und die blutjungen Piloten suchten ein „Target of Opportunity“, um ihre Fracht loszuwerden und schnellstmöglich zurück auf ihre Stützpunkte zu kommen. Doch das Gelegenheitsziel war nicht – wie fälschlicherweise angenommen – Süddeutschland, sondern Schaffhausen. Die Lage jenseits des Rheins und die Wolkendecke, die genau über der Munotstadt eine Lücke für die Flugzeuge bot, wurden zum Verhängnis. Am Mittwochabend erklärte Historiker Dr. Matthias Wipf den zahlreichen Gästen, was sich in diesem tragischen Frühling damals abspielte. „Nach bis dahin schon knapp 300 Fehlalarmen empfand man die amerikanischen Flugzeuge eher als Spektakel, sprang an die Fenster und ging kaum noch in die vorgesehenen Luftschutzbunker.“ Auch später grossflächig aufgemalte Schweizerkreuze boten keinen Schutz, denn bereits ab 3000 Metern Höhe waren diese nicht mehr erkennbar. Und es hätte wohl auch wenig genützt: „I saw some crosses. What are they?“, soll ein internierter amerikanischer Pilot zu Protokoll gegeben haben. Ein leichtes Raunen ging durch den Vortragssaal des Museums zu Allerheiligen und jemand flüsterte den Namen Donald Trump.

Doch während letztgenannter das 75-jährige Jubiläum des D-Days und den damit verbundenen Startschuss zur Befreiung Westeuropas feierte, schauen die Schaffhauser mit schweren Herzen auf das Jahr 1944 zurück. Die Spreng- und Brandbomben trafen nicht nur den Bahnhof, die Region Beckenstube und Mühlenen, sondern viele weitere Gebäude. Darunter das Museum zu Allerheiligen und das erst vor kurzem eröffnete Naturhistorische Museum. Nicht nur zahlreiche Bilder und Porträts wurden ein Raub der Flammen, sondern auch schöne Exponate und zahlreiche, unersetzbare Kategorisierungszettel. Bei den Rettungsarbeiten der Kunstschätze stand die Feuerwehr im Dilemma: Denn das Löschwasser verschlimmerte teilweise die Zerstörung. Was genau erhalten und restauriert werden konnte, zeigt noch bis zum Oktober eine spannende Ausstellung im Museum zu Allerheiligen unter dem Titel „Kunst aus Trümmern“. Matthias Wipf, der unlängst sein Standardwerk „Die Bombardierung von Schaffhausen“ vorgelegt hat, ist es zu verdanken, dass die tragischen Ereignisse von damals nun umfassend aufgearbeitet sind.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 7. Juni 2019.