Von Luc Hardmeier: Eishockeyspielerin Andrea Brändli behauptet sich mit Bravour in einem Sport, der angeblich der Männerwelt vorenthalten ist.
Foto: Andrea im Einsatz im Tor. (Foto: zVg. Bericht: Luc Hardmeier).
Mit einem giftigen Zischen saust der Puck mit 100 km/h Richtung Tor. Die Nerven der Spielerinnen liegen blank. Es ist das Finale der U-18-Weltmeisterschaft der Damen 2014. Es darf nicht wahr sein: Die deutsche Mannschaft schiesst 98 Sekunden vor Schluss ein Tor. Der Traum der Schweizerinnen auf der Gegenseite scheint zu platzen. Eine Spielerin ärgert sich besonders: Andrea Brändli. Sie steht im Tor und in diesen 98 Sekunden vor Schluss sind alle Blicke auf sie gerichtet. Die 17-Jährige hat an dieser Weltmeisterschaft alles gegeben. Eine Fangquote von 97 Prozent. Sie wurde zwei Mal als „best Player“ und „best Goalie“ des Turniers ausgezeichnet und sie hatte drei Spiele ohne Gegentreffer, so genannte „Shutouts“. Und so kurz vor Schluss muss sie sich ein faules Ei einfangen.
Immer nach vorne schauen
Jede andere hätte in so einem Moment vielleicht losgeheult, doch nicht so Andrea Brändli: „Man fühlt zwar Verzweiflung und Wut, doch in diesen Situationen muss man einen kühlen Kopf bewahren und weiter kämpfen“, sagt die Lernende, die derzeit ihr zweites Ausbildungsjahr an der UNITED school of sports absolviert. Sie wirkt abgeklärt und viel erwachsener als 17 Jahre alt, wenn sie über die Bedeutung des damaligen Finales spricht: „Wenn wir damals verloren hätten, wäre es im ersten Moment sicherlich ein Weltuntergang gewesen. Doch man darf nicht ewig über Niederlagen nachgrübeln. Man muss nach vorne sehen und daraus lernen, um es beim nächsten Mal anders zu machen.“
Freizeit ist kostbar
Foto: Die stolze Medaillenträgerin. (Foto: zVg. Bericht: Luc Hardmeier).
Die 17-Jährige steckt sehr viel Energie in ihren Traumberuf. Bis zu neun Mal pro Woche trainiert sie. Da bleibt nicht viel Zeit für das Partyleben übrig. Doch das stört Andrea Brändli nicht gross: „Nein, ich vermisse es nicht. Ich habe so viel mit dem Eishockey zu tun, dass ich gar keine Zeit dazu habe. Wenn ich dann überhaupt mal Zeit hätte, bin ich viel zu müde. Dann bin ich einfach nur froh, dass ich einmal relaxen kann.“ Anstatt im Club die Korken knallen zu lassen, entspannt Andrea Brändli lieber zu Hause im Kreise ihrer Familie oder geht mir dem Familienhund spazieren. Auch sonst unterscheidet sich die Sportlerin von anderen KV-Lernenden im gleichen Alter. Rauchen? Das wäre Gift für die Kondition. Drogen? Das würde bei der Dopingkontrolle auffallen und das Ende der Sportlerkarriere bedeuten. Shopping? Das sieht ein wenig anders aus: Wenn Andrea Brändli auf Shoppingtour geht, dann geht es nicht um Fingerringe, Nagellack und Louis -Vuitton -Taschen. Das Preissegment ist jedoch ähnlich: Neue Schlittschuhe: Mindestens 1000.-. Eine komplette Torhüterausrüstung: Mindestens 3000.-. Ohne Unterstützung der Eltern und des Vereins würde das nicht gehen. Auch in Zukunft nicht.
Hockey – Ein Männersport?
Als Frau mit dem Hockeysport Geld zu verdienen, ist allenfalls in Kanada oder den USA möglich. In der Schweiz steht das Eishockey nach wie vor im Schatten der Männer. Warum eigentlich? „Frauenhockey ist nicht so schnell wie jenes der Männer und Checks sind verboten, Das macht das Spiel weniger attraktiv. Doch wir holen auf!“, sagt Andrea Brändli. Auch die eingangs beschriebene Szene sollte eigentlich belegen, dass Frauenhockey alles andere als langweilig ist. 98 Sekunden war das Spiel nämlich noch nicht zu Ende. Die Schweizer Frauen nahmen nochmals all ihren Mut zusammen und versuchten, das Ruder herumzureissen. Sie lancierten nochmals einen Angriff und 43 Sekunden später erzielten sie tatsächlich den Ausgleichstreffer. „Das Einzige, was ich in diesem Moment gedacht hatte, war „JA, wir haben es geschafft! Ich spürte eine riesige Freude darüber, dass wir gewonnen hatten“, erzählt Andrea Brändli über den Moment, als der Schlusspfiff ihr Team erlöste. Denn ein Unentschieden reichte den Schweizerinnen aufgrund der Tordifferenz zum Sieg und Weltmeistertitel. Kaum zu glauben, die damals 16-jährige Andrea Brändli war Weltmeisterin und hatte wesentlich zum Sieg ihres Teams beigetragen. Dieser Sieg und die Bronzemedaille der Frauen in Sotschi sollte doch eigentlich Beleg genug sein, dass auch die Damenmannschaft im Hockey Grosses vollbringen kann.
Ein strenges Doppelleben
Heute spielt die Klotenerin beim SC Weinfelden und bei der Herrenmanscht des EHC Winterthur. Sie absolviert ihre KV-Ausbildung an der UNITED school of sports und hat somit einen Plan B, falls es mit dem Profisport nicht klappen wird. „Ich will gleichzeitig Spitzensport betreiben und eine gute Grundausbildung machen. Das wäre in einem normalen Lehrbetrieb sehr schwierig.“ Manchmal sei es aber schon hart, wenn man aus dem Trainingslager kommt, im Kopf noch in Erinnerungen schwelgt und dann auf einen Schlag Buchungssätze lösen muss oder eine Kommaprüfung ansteht. Trotzdem möchte Andrea Brändli nichts anderes machen.
Traum von Olympia
Andrea Brändlis Traum ist es, Profisportlerin zu werden. Als Alternative könnte sie sich auch ein Studium oder eine Karriere als Coach vorstellen. Doch zuerst stehen andere Ziele an: In einem Jahr findet die WM in Kanada statt. Sie wird hart dafür arbeiten, um dabei zu sein. Ein Traum wäre für sie zudem eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2018. Doch zuerst heisst es: Auf in den Lehrbetrieb. Und wie man Andrea Brändli kennt, sieht sie auch dieser Aufgabe optimistisch entgegen: „Ich freue mich darauf!“ Das freut auch uns und wir drücken ihr bei all ihren Zielen die Daumen!
Foto: Andrea im Einsatz für die Schweizer Nati. (Bild: zVg. Bericht: Luc Hardmeier)
von Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitschrift „amPuls“ am 22.Mai 2015.