„Ich gab der Bachelorette nur eine Chance von 0.1%“

Mario Osmakcic aus Rafz ist kein Softie. Bei der aktuellen Bachelorette-Staffel auf 3+ sagt er klar seine Meinung und erlebte deshalb in der Berufswelt eine Überraschung. Von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Derzeit noch im Rennen: Mario Osmakcic (Foto: Hermann-Luc Hardmeier)

„Der Typ hat mein Date gecrasht. Das fand ich voll daneben.“ Mario Osmakcic findet auch heute noch klare Worte, als er über seine Erlebnisse bei der aktuellen Bachelorette-Staffel spricht. Der Rafzer mit kroatischen Wurzeln musste seinen Platz am Frühstückstisch mit Bachelorette Adela räumen, weil Konkurrent Giusi eine Joker-Rose eingesetzt hatte. Auch mit markigen Sprüchen wie „Ich hatte Sex auf einem Kinderspielplatz“ und „Du gsesch mega schöns Kleid“ bei der ersten Begegnung mit Adela ist er aufgefallen. Doch im echten Leben ist Mario kein Mensch, der den Duden mit der Kettensäge bearbeitet oder hauptberuflich das weibliche Geschlecht reiheinweise in Ohnmacht fallen lässt. Er studiert Wirtschaftsinformatik an der ZHAW in Winterthur, arbeitet beim Coop an der Kasse und wurde im Alter von 14 Jahren Junior Schweizermeister im Tennis. Die Frage drängt sich auf: Wie kommt ein intelligenter Mensch dazu, bei der Trashsendung Bachelorette mitzuwirken? Sind bei Mario alle Sicherungen auf einmal durchgebrannt? „Nein, natürlich nicht“, lacht der 21-Jährige. Ein Kumpel hat mich aus Jux angemeldet. Als 3+ anrief, war ich total überrumpelt und sagte mir: Warum nicht. Ich bin jemand, der offen ist und sehr gerne auffällt. Das Unbekannte hat mich gereizt.“ In der Sendung polarisiert Mario. Einige finden ihn ultimativ witzig und vergleichen ihn sogar mit Ex-Bachelor Vujo Gavric. Andere empfinden seine Art als arrogant. Ein Beispiel gefällig? Adela: „Mario, hast du in der Schweiz überhaupt Zeit für mich?“. Mario: „Nein, eigentlich nicht.“

Hat Mario gewonnen?

Laut der Eigenwerbung von 3+ ist Adela mit 21 Kandidaten in Thailand, um ihre wahre Liebe zu finden. Wie sieht das bei Mario aus? Hat er sich in Phuket verzaubern lassen? Funktioniert Liebe auf Knopfdruck? „Ich gab der Bachelorette nur eine Chance von 0.1%. Ich war dann total überrascht, dass sie auch aus dem Balkan kommt, sehr hübsch und offen ist sowie eine mega Ausstrahlung besitzt.“ Hoppla, Mario, das klingt aber schon nach Schmetterlingen im Bauch. Hört sich schon fast ein wenig siegessicher an… „Ich darf laut Vertrag nicht verraten, wer gewonnen hat oder ob ich am kommenden Montag rausfliege. Aber ein bisschen verliebt habe ich mich schon.“ In einem Nebensatz fügt der 1.90 Meter grosse Sportler noch an: „Aber sie ist schon ein bisschen klein für mich.“

Selfies auf der Strasse

Was ist eigentlich echt in der Sendung? Was ist inszeniert? Laut Mario geben die Produzenten den Kandidaten vor den Dates Tipps für Gesprächsthemen und machen Vorschläge. „Es ist aber nichts gescripted.“ Man könne frei reden und theoretisch auch „Stopp“ sagen. „Das macht aber niemand.“ Zudem lassen die vielen Cocktails in der Sendung erahnen, was noch mitspielt. „Ich war zu Beginn sehr nervös wegen der Filmerei. 2-3 Schlückli vor dem Dreh lockern uns jeweils die Zunge. So entstehen auch einige der Kultsprüche der Kandidaten“, erinnert sich Mario amüsiert. Kritik fürchtet er dafür keine: Mich kann man gar nicht negativ darstellen. Und wenn, dann ist‘s mir Pipegal. Presse ist Presse.“ Der Student ist nun ein B-Promi. Er wollte auffallen, das hat er geschafft. In Rafz und schweizweit kennt ihn fast jeder. Unbekannte machen Selfies mit ihm auf der Strasse und seine Fangemeinde auf Instagram wächst. Zwischenstand:         20 000 Follower. Während dem Interview kommen 10 neue dazu. Leben kann er vom Ruhm jedoch noch nicht. Aber an seinem letzten Bewerbungsgespräch erlebte er dann doch eine Überraschung: „Ratet mal, was der Personalchef mich als letztes gefragt hat“, schmunzelt Mario. „Sind sie nicht…?“ Die Bewerbung ist noch offen. Ob Mario am Montag rausfliegt oder am Schluss gewinnt, übrigens auch.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 26. Mai 2018.

Patrice katapultierte die Zuhörer an die gemütlichen Strände Jamaikas

Reggae in Schaffhausen, das bedeutet nach wie vor: Gute Laune auf Knopfdruck. Schon bei den ersten Klängen des DJ-Teams „Silly Walks Discotheque“ begannen die Gäste in der Kammgarn zu tanzen. Gemütlich kreisten die Hüften und bei den bekannten Refrains wurde bereits kurz nach Türöffnung mitgesungen. Die Zuschauer waren somit perfekt eingestimmt, als kurz vor elf der Star des Abends die Bühne betrat. Im ersten Moment war da eine kleine Enttäuschung. Patrice kam nicht mit Band, sondern die DJs waren weiterhin für das musikalische Fundament zuständig. Im zweiten Moment rückte dies jedoch wieder in den Hintergrund. Patrice zog mit seiner einzigarten Stimme die Zuhörer so in den Bann, dass man sich sofort auf der Reise an die karibischen Strände von Jamaika befand. Patrice sang auf Englisch und Patois, zur Begrüssung fiel er aber kurz aus seiner Rolle: „Schaffhausen, was geht ab?“ , wollte er wissen und ein begeisterter Jubel kam ihm entgegen. Eigentlich kommt der Künstler aus Deutschland, lebte aber auch schon in Paris und New York. Zehn Alben und diverse Hitsingles darf er sein eigen nennen. Spannend ist nicht nur seine Musik, sondern auch sein bürgerlicher Name. In voller Länge heisst der Künstler Gaston Patrice Babatunde Bart-Williams. Während Gaston der Vorname seines Vaters ist, bedeutet der afrikanische Name Babatunde so viel wie Wiedergeburt. Er kam nämlich exakt am Tag auf die Welt, als sein Grossvater starb. Patrice schliesslich bezieht sich auf den kongolesischen Freiheitsheld Patrice Lumuba. Am Samstagabend kamen die Fans von Livemusik schliesslich doch noch auf ihre Kosten. Nach einigen Liedern griff Patrice zur Gitarre und spielte ohne DJs mehrere Stücke. Dies war eine gute Abwechslung zum Partysound und wirkte dank der sanften und eindringlichen Stimme des Künstlers druckvoll, dynamisch und harmonisch. Als er danach unterstützt von den Plattenlegern einstieg, riss es auch den letzten Gast aus den Socken. Es wurde gefeiert, gesprungen und mitgesungen. Die Dramaturgie des Abends war perfekt gelungen. Vom gemütlichen Reggae steigerte Patrice das Tempo bis hin zum fiebrigen Dancehall. Hie und da mit Jazz oder HipHop-Elementen gewürzt, ergab das eine brodelnde Partysuppe, die vorzüglich schmeckte. Genau ein Jahr nach der ausverkauften Wahnsinnshow von Gentleman hatte die Kammgarn erneut die Hütte zum Schwitzen und Feiern gebracht. Patrice spielte im Juli 2008 im musikalischen Vorprogramm für den Auftritt von Barack Obama an der Berliner Siegessäule vor mehr als 200 000 Menschen. Angesichts der Euphorie, die er auslöst, hätte es nicht verwundert, wenn die Fans von Obama, angestachelt vom Reggaekünstler, anstatt „Yes we can“ gleich auch noch „Yes we dance!“ gerufen hätten. Patrice war damals natürlich nicht zufällig ausgewählt worden. Der Künstler äussert sich in den Songs und in Interviews immer wieder politisch. Nationalismus hat er einmal als „Müll“ bezeichnet. „Man darf stolz sein auf eigene Leistung, ja. Aber nicht darauf, irgendwo geboren zu sein.“ Zudem erschien 2008 sein Song „Dove of Peace“, in welchem er die Politik von George W. Bush kritisierte. In der Kammgarn war die Politik an diesem Abend jedoch nicht auf der Bühne, sondern kuschelte sich fidel am karibischen Strand auf einem Liegestuhl und schlürfte vergnügt einen kühlen Cocktail. Bob Marleys Philosophie „One love, one heart, one destiny“ und „Love the live you live“ waren das Motto des Abends. Patrice hatte die Fähigkeit, das Publikum zu verzaubern und schickte sie nach seinem gelungen Konzert begeistert nach Hause.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am Montag, 30. April in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

Flöten-Folter, Unterleibsprobleme und Beuteschemen im Skilager

Am Freitagabend trat die Schaffhauser Comedian und Bloggerin Pony M. in der ausverkauften Kammgarn auf. Von Hermann-Luc Hardmeier.

„Hallo, hoi! Es ist so schön, zuhause zu sein!“ Pony M. begrüsste die Kammgarn herzlich und erhielt gleich zu Beginn begeisterten Applaus vom vollen Haus. Seit sie 2013 ihr Leben über den Haufen geworfen hat und ihren Job als Psychologin an den Nagel hängte, ist viel passiert. Mit über 64 000 Followern auf Facebook und ihrem Blog auf Watson zählt sie heute zu den erfolgreichsten Bloggern der Schweiz. Derzeit ist sie mit ihrem Programm „Dini Muetter“ auf Tournee und zeigte in der Kammgarn einen Querschnitt durch ihr Werk. Pony M. alias Yonni Meyer erzählte aus ihrer Vergangenheit, gab Alltagsbeobachtungen zum Besten, philosophiert und garnierte ihre scharfzüngigen Kommentare mit einer kräftigen Portion Humor. „Was macht einen echten Schweizer aus?“, war einer der ersten Fragen, die sie in den Raum warf. Sie bediente nun nicht etwa Klischees wie Käsefondue und Jodelvereine, sondern sprach über Skilager, Schulausflüge ins Technorama und Blockflötenunterricht. Sie gestand wildromantische Gefühle für einen der damaligen Lagerleiter. „Hmm, er ist wohl heute 60. Er war damals mein Beuteschema. Heute bin ich möglicherweise seins“, resümierte sie lakonisch. Die Zuhörer schwelgten in Erinnerungen und kugelten sich vor Lachen, als sie detailliert über verkochten Riz Casimir, lauwarmen Sirup aus der Thermoflasche und das Blockflötenspiel an Weihnachten im Familienkreis sprach. Die akustische Flöten-Folter beschrieb sie in allen Details. „Ich litt, die Zuhörer litten und auch die Blockflöte. Manchmal frage ich mich, wie es in so einem vollgespuckten Holzkörper wohl aussieht?“

hardmeier+ponyM

Bild: Evelyn Kutschera

Herr Kunz und sein Koffer

Die Lesung des Abends fand auf zwei Ebenen statt. Einerseits wurden viele Geschichten aus ihrem Zyklus präsentiert, andererseits bestimmte die Story des Geschäftsmannes Herr Kunz die Show. Dieser hatte seinen Koffer beim Flug verloren und mutierte ohne Handy sowie Laptop gezwungenermassen zum Offline-Abenteurer. Häppchenweise erfuhr das Publikum über die ganze Vorstellung verstreut, wie es Herrn Kunz ergangen war. Eins der Highlights des Abends waren sicherlich auch ihre Beobachtungen im Mikrokosmos Krankenzimmer. Welche typischen Menschen trifft man im ärztlichen Warteraum? Heiteres Gelächter brach aus, als Pony M. über den „Plauderi“, den „Google-Hypochonder“ und die „Telefoniererin“ sprach. Letztgenannte spricht mit leiser Stimme und geheimen Codes über Beziehungskrach und Unterleibsprobleme. Trotz allen Sicherheitsmassnahmen erahnen die Zuhörer vieles. Leider zu viel. Pony M. sorgte nicht nur für amüsante Unterhaltung, sondern forderte auch zum Perspektivenwechsel auf. „Vielleicht sind Fünflieber perverse Münzen, die von dir am Selecta-Automaten gerieben werden wollen. Vielleicht wollen die Ramseiers mal etwas anderes, als grasen gehen. Beispielsweise ins Alpamare. Und vielleicht spricht Bundesrat Johann Schneider-Ammann nicht unheimlich langsam, sondern wir alle einfach unheimlich schnell.“ Man hätte gerne noch lange zugehört, doch Herr Kunz hatte sich mittlerweile mit seinem Offline-Leben angefreundet. Er genoss sein analoges Dasein und verzichtete zukünftig auf die geschäftliche Erreichbarkeit in seiner Freizeit. Vielleicht war dies eine der Hauptbotschaften von Pony M. für die Besucher. Wir haben ein schönes Leben. Aber es würde nicht schaden, die Augen zu öffnen und uns mehr mit anderen Menschen, anstatt mit dem Smartphone zu beschäftigen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8.Mai 2018.

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Und so fand Pony M. meinen Bericht. Besten Dank, ich fands auch einen superstarken Abend!