Jugendwort 2016: Der Tindergarten und der Fleischdesigner

Bist du ein Fleischdesigner oder ein Uhrensohn? Magst du Banalverkehr oder bist du so krass am fly, dass dein Vater nicht mehr aufhören kann zu darthvadern?

Wer bei diesem Kauderwelsch weder Bahnhof noch Bushof versteht, der hat die Rechnung ohne den Langenscheidt Verlag gemacht. Wie jedes Jahr sammelt das Buchhaus im Internet Vorschläge für Jugendwörter und kürt danach das Siegerwort der Jugendsprache. Hier die Hitliste der vergangenen Jahre des deutschen Jugendwortes. Die Wahl des Schweizer Jugendwortes wurde 2013 eingestellt. Offenbar gibt es seit diesem Jahr keine Jugendlichen mehr in unserem Lande 😉

  • 2015: Smombie (Smartphone + Zombie = Smombie)
  • 2014: Läuft bei dir (wenn einfach alles klappt)
  • 2013: Babo (der Boss)
  • 2012: Yolo (You Only Live Once = Lebe so, als wärs dein letzter Tag «Carpe Diem»)
  • 2011: Swag (cooler Typ, der den Style gepachtet hat)
  • 2010: Niveaulimbo (Absinken des Gesprächsniveaus)
  • 2009: hartzen (nicht arbeiten, auf der faulen Haut liegen)
  • 2008: Gammelfleischparty (Ü-30-Partys)

Und wer jetzt denkt, bei diesen Wörter habe man den Duden durch den Fleischwolf gedreht und danach zu lieblosen Sprachkomposthäufchen zusammengepappt, der hat noch nicht die Vorschläge für das kommende Jahr gesehen. Die einen hassen sie, die anderen lieben sie, doch eines muss man jedes Jahr erneut mit Respekt feststellen: Die Jugendsprache ist extrem kreativ. Man wird niemals alles verstehen, und das ist auch gut so.

jugendsprachehardmeier

(Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Und los geht’s, hier eine kleine Auswahl aus den Top-30 der diesjährigen Wahl:

Wenn man besonders abgeht, so nennt man das „am fly sein“, Ein Hopfensmoothie ist die Bezeichnung für ein Bier, ein Tintling ein Tätowierer und eine Vollpfostenantenne ein Selfiestick. Wer Analog-Spam erhält, der hat einfach einen guten alten Werbe- oder Bettelbrief per Post erhalten. Der beste Freund/ die beste Freundin ist das/der/die „bae“ (before anyone/anything else). Wenn ich also „Party with my Bae“ mache, so ziehe ich mit meiner Freundin oder meinem besten Kumpel um die Häuser. Hast du eine Bambusleitung? Dann ist die Internetverbindung mal wieder so richtig mies. Ein belangloser Chatverlauf ist ein Banalverkehr und wenn jemand sagt „isso“, dann stimmt er dir zu. Jawohl! Äh, isso. Wenn jemand mal so richtig den Vater raushängen lässt, dann ist er am darthvadern (Ich bin dein Vater, Luke!). Ein Fleischdesigner ist ein Chirurg, ein Uhrensohn benimmt sich zur falschen Zeit wie ein Idiot, ein Dumfall ist ein dummer Unfall. Jemand, der einen Tindergarten auf dem Telefon hat, der sammelt Onlinekontakte und was Mois, gz, mailden und Yologamie bedeuten, ja damit könnte man noch ganze Bücher füllen.

Derzeit führt Tintling. Wir sind gespannt, wie die Wahl ausgeht und trinken während der Wartezeit jetzt erstmals ein Hopfensmoothie mit dem Bae. Isso.

Von Hermann-Luc Hardmeier

„Eine Badewanne voller guter Ideen ist nutzlos“

An der 7. Impulsveranstaltung des ITS ging Roland Haas der Frage nach, ob man Kreativität messen kann und was das einer Firma für Vorteile bringt.

«Ich bin sehr gespannt, was uns erwartet», freute sich Roger Roth vom Industrie- und Technozentrum Schaffhausen (ITS). Die Organisation hatte ins Haus der Wirtschaft
geladen. Roland Haas vom «five is – innovation management» stellte dort am
Donnerstagabend seine Überlegungen zum Thema «Kreativität messen» vor.
Viele Besucher dachten nun, er spreche vielleicht über bahnbrechende Erfindungen
wie das Internet oder innovative Produkte wie selbstfahrende Autos. Doch der Redner hielt bloss eine simple Konservendose in der Hand. «Ich gebe Ihnen eine Minute
Zeit, mir Verwendungszwecke für diese alte Raviolidose aufzuschreiben
», sagte er und forderte vom Publikum gleich selbst eine kreative Leistung
ein. Die Besucher fanden erstaunlich viele Möglichkeiten. Schnurtelefon,
Musikinstrumente, Schutz vor Fäulnis bei Pfählen, Blumentöpfe, Lampenschirm
oder Zahlungsmittel. Ein Gast hatte sogar dreizehn Ideen notiert. Nun
sammelte Roland Haas dreissig Vorschläge auf einer Flipchart und liess
diese anschliessend vom Publikum bewerten. Es gab drei Siegerideen, und
der Referent erklärte nun, was hinter diesem kleinen Experiment steckte.
Prinzipiell hatte er fünf Grundpfeiler für die Messung von Kreativität gefunden.
Wobei er eine wichtige Einschränkung vornahm: Kreativität kann
man nicht messen, sondern «nur» divergentes Denken (im Gegensatz zu
konvergent-fokussierendem Denken) und Originalität. Denn Kreativität ist
immer subjektiv und relativ. Zum Zweiten stellte er fest, dass die kreative
Leistung immer vom Umfeld beeinflusst wird. Es ist also kaum erstaunlich,
dass Firmen wie Google sehr viel Geld und Energie in das Arbeitsumfeld
investieren. Der Google-Campus erinnert an eine Mischung aus Spielplatz
für Erwachsene, Wellnessoase und Familienbetrieb. Drittens braucht kreative
Leistung auch Hintergrundwissen. Roland Haas sprach von sogenanntem
«Domänenwissen». «Ansonsten erhält man eine Badewanne voller guter
Ideen, die aber wegen ihrer zu breiten Streuung nutzlos sind.» Beim vierten
Punkt zeigte Roland Haas ein Bild der «Let’s Dance»-Jury und illustrierte damit,
dass Produktekreativität von einem Fachgremium beurteilt werden
muss. Und als letzten Punkt legte er fest, dass es viel hilfreicher sei, kreative
Ideen zu ordnen, statt sie zu beurteilen. Mit einer spannenden Diskussion,
welche Rolle der Faktor «Zufall» spiele und ob die Atombombe eine kreative
oder eine teuflische Erfindung gewesen sei, endete der Anlass mit einem feinen Apéro.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 20. August 2016.

Humor, Provokationen und Musik

An der 1. Open Stage – Show im Orient gab es am Donnerstagabend Zauberer, Clowns, gezähmte Punkmusiker und einen Überraschungsgast. Von Hermann-Luc Hardmeier.

„Wir sind ausverkauft!“, freute sich Mitorganisator und Moderator Loris Brütsch vor der Show. Die offene Bühne im Orient wartete zwar nicht mit Gästen aus Las Vegas und Miami auf, aber mit einem illustren und vielfältigen Programm aus Schaffhausen, der halben Schweiz und Deutschland. Kommentiert wurden die Auftritte von einer Jury, die aus drei ebenfalls bunten regionalen Paradiesvögeln bestand. Kultgastronom Bruno Meier, Musiker Marco Clerc und dem gut vorbereiteten „Tintenbaron“ Beat Hochheuser. Es gab keine Punkte oder Bewertungen, sondern die Jury gab Tipps, Kritik und Sprüche à la Dieter Bohlen zum Besten. Zauberer Tom Thomson wurde beispielsweise gelobt für seine Kombination aus Magie und Comedy, Sängerin Jacky für ihre bombastische Stimme und Komikerin Kerstin Luhr für ihre Selbstironie. Sie machte Witze über Übergewicht, worauf Bruno Meier meinte: „Wir kämpfen ja in der selben Gewichtsklasse.“

Appenzeller Wundertüte

Marco Clerc gab konstruktive Kritik ab, indem er einer Künstlerin sagte, sie müsse sich mehr ins Zentrum der Bühne stellen. Er lobte aber auch Sänger Denis Spitzer, der eigentlich Punkmusiker ist und als Singer/Songwriter einen starken Auftritt mit gefühlvollen Songs aufs Parkett legte. Die grösste Wundertüte des Abends war der Appenzeller Entertainer „Dä Sepp“. Mit Hornbrille und ulkigen Gesten legte er einen Kalauer nach dem anderen in die Scherzkiste. Plötzlich begann er zu jodeln, dann erstaunlich gut zu beatboxen und schlussendlich strippte er im Orient und zeigte sich im homoerotischen engen Kleidchen den Zuschauern. Uneinig war sich die Jury beim Clown Bippo, der mit 40 Jahren Bühnenerfahrung einen starken Konstrastpunkt zu den anderen Talenten setzte. Nur mit einem einzigen Wort „Concerto“ kam seine Show aus. Er machte kleine Scherzchen und versuchte auf humorvolle Art ein Alphorn zusammen zu bauen. Vielen älteren Zuschauern gefiel dies sehr gut. „Ein erfrischender Auftritt in unserer heutigen hektischen Zeit“, meint Marco Clerc, während die anderen zwei Jurymitglieder sich nicht dafür begeistern konnten. Die Show endete mit dem Überraschungsgast Gabriel Vetter. Der ehemalige Poetry-Slammer und Künstler testete sein neues Programm am Publikum. Er sprach über eine Kuh, die aus dem Himmel fiel und einen Fischer tötete, über Babybel und Dinosaurier. Beim Thema „Religion“ fühlte sich ein Gast provoziert und es gab ein kleines Wortgefecht. Die Anwesenden waren froh, als der Störenfried ziemlich schnell den Saal verliess. Doch auch dies passte in den Abend, der voller Wundertüten und Überraschungen steckte. Die Gäste erlebten, Humor, Unterhaltung und Provokationen. Manch einer schimpfte danach über die Jury oder lobte die Künstler. Für Gesprächsstoff war gesorgt und man darf gespannt auf die nächste Ausgabe der Talentshow warten.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 10. September 2016.