Die Zaubermeister des Latino-Hip-Hops

Am Samstagabend gab es mit den Delinquent Habits deftigen Hiphop im Schaffhauser Club „Kammgarn“ zu hören. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.hermann+luc+hardmeier+delinquenthabits

Bild: Eine gelungener Abend mit den HipHop-Legenden. (Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht, Hermann-Luc Hardmeier)

Was für ein Abend in der Kammgarn! Harmlos tröpfelten um halb neun die ersten Gäste in die Halle. Gut zwei Stunden später brannte das Haus lichterloh mit 400 Gästen, die ausflippten. Doch von Anfang an. Die amerikanische Hiphop-Formation Delinquent Habits gründete sich 1991 und entwickelten sich zusammen mit Cypress Hill zu den Zaubermeistern des Latino-Hiphops. Mit „Tres Delinquentes“ landeten sie einen ultimativen Hit, der sie weltweit bekannt machte. In den vergangenen 20 Jahren haben sie ein Album nach dem anderen gekonnt auf den Markt geschleudert. Nun standen sie auf der Bühne in Schaffhausen mit ihrem siebten Studioalbum namens „It could be round two“. Es ist erstaunlich, dass man so lange im Geschäft ist, und dennoch, knackig, frisch und würzig in den Boxring steigt. Der Hiphop war mit Soul-Funk und Rockelementen angereichert und klang kein bisschen verstaubt und altbacken.

Gebührend eingeheizt

Die hiesige und auswärtige Hiphopszene liess sich am Samstagabend nicht lumpen und bot den Gästen aus dem sonnigen Kalifornien einen gebührenden Empfang. Gleich vier Vorbands beziehungsweise vier Hiphop-Combos heizten das Publikum deftig ein. Es wurde auf Hochdeutsch und Englisch gesungen und getextet. Ein Team bot exzellenten Italo-Rap und ein anderes hatte sogar französische Texte im Gepäck. Am DJ-Pult standen abwechselnd Mixmeister der Munotstadt oder von auswärts. Zwei besonders beeindruckende Scratchkönige waren die Schaffhauser DJ Tug und Clapto. Das Warm-Up war vielfältig, doch eines hatten alle Künstler gemeinsam: „Seid ihr bereit für Delinquent Habits?“, wollten sie immer wieder wissen. Das Publikum johlte jedes Mal ein wenig Stärker, bis die Forderungen am Schluss ohrenbetäubend euphorisch wurden.

Flow der Extraklasse

„Delinquent Habits haben einfach einen geilen Flow“, freute sich ein Besucher, der die Hauptband schon vor vier Jahren bei ihrem letzten Besuch in der Kammgarn gesehen hatte. Und er sollte recht behalten. Die Vorgruppen waren gut, doch Delinquent Habits von einer ganz anderen Qualität. Wuchtig und pompös klangen ihre Stimmen und fegten jeden Zuhörer aus den Socken, wenn er die Schnürsenkel der Tanzschuhe zu locker gebunden hatte. „Delinquent Habits in the House“, stachelte MC Ives Irie vom Hauptact die Gäste an, betrat die Bühne und schwenkte dabei eine Whiskey-Flasche. Mit schwarzer Sonnenbrille und Skeletthandschuhen folgte der zweite Rapper namens Kemo the Blaxican. Das Partygewehr war geladen und feuerte eine Salve nach der anderen in den Raum.

Tequila für alle

Doch nicht nur musikalisch kam das Publikum auf seine Kosten. Wer schon einmal an einem Konzert von Delinquent Habits gewesen ist, der weiss, dass durstige Gäste ganz vorne stehen sollten. Die Band hat jeweils eine kleine Minibar im Gepäck und schenkt den Fans Tequila-Shots während dem Konzert aus. Gemeinsam wird anschliessend geprostet und auf die Weltherrschaft des Hiphops angestossen. Die Stimmung am Konzert war nicht nur einfach gut, sie war explosiv. Es wurde gesprungen, im Takt die Hände nach vorne gepfeffert, mitgesungen und die Hüften geschwungen. „Das ist purer, echter Hiphop“, freute sich Ives Irie.

Höhepunkt halb 12

Die Zündschnur am Pulverfass brannte schon lange. Um halb 12 explodierte schliesslich das Hiphop-Sprengstoffgemisch, als die zwei Musiker ihren Hit „Tres Delinquentes“ anstimmten. Eine lässige Melodie, unterlegt mit mexikanischen Trompeten und abgerundet mit kräftig hämmernden Bässen war zu hören. Die zwei MCs texteten um die Wette und das Publikum schien jede einzelne Zeile zu kennen. „Ultimativ!“, freute sich eine Besucherin und stürmte in den kochenden Kessel vor die Bühne. Angesichts der ausgelösten Begeisterung wunderte man sich nicht, dass der Song 1996 rund eine Million Mal verkauft worden ist. Eine ganz ähnliche Wirkung wie der Chartstürmer hatte auch der Song „Return of the Tres“, der 2001 und 2005 in der Nike-Werbung zu sehen und zu hören war.

Highfives mit Gästen

Doch die Band spielte nicht nur neue Songs und alte Klassiker, sondern es gab auch Freestyle-Einlagen und Kurzauftritte der Vorgruppen auf der Bühne. Alles voran stand Skinny Fresh, der die Band auf ihrer gesamten Europa-Tour begleitet. Die Musiker hatten sichtlich Spass. Ausgelassen reimten, tanzten und feierten sie. Es gab Highfives für die Gäste, einem glatzköpfigen Besucher trommelte der MC auf das Köpfchen und einen anderen forderte er auf der Bühne zum Tequila-Shots-Wetttrinken auf. Der Abend endete als Feuerwerk und liess keine Wünsch offen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 20. März 2017 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

«Der Begriff Superstar passt nicht zu mir»

Chartstürmer Álvaro Soler eroberte mit seinen Hits «Mismo Sol» und «Sofia» die Hitparade. Im Interview vor seinem in Schaffhausen Auftritt sprach er über Erfolg, Musik und Donald Trump. Das Gespräch führte Hermann-Luc Hardmeier für die Zeitung „Schaffhauser Nahrichten“.

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Bild: Álvaro Soler sorgte für Stimmung. (Foto: Phillip Schmanau, Text: Hermann-Luc Hardmeier)

Willkommen in Schaffhausen. Wie gefällt einem Berliner mit spanischen Wurzeln unsere Stadt?

Álvaro Soler: Ich habe den Rheinfall besucht und bei El Bertin ein Pistazzien­eis mit schwarzer Schokolade und Chili gekauft. Es gefällt mir sehr gut hier. Ihr Schaffhauser habt eine sehr schöne Stadt.

Könnte Sie der Rheinfall oder der Munot vielleicht sogar für einen neuen Song inspirieren?

Mein Lied «Sofia» handelt von einer gescheiterten Liebesbeziehung. Mich inspirieren Emotionen und Erlebnisse, nicht Bauwerke oder touristische Attraktionen. Wenn, dann würde ich über einen Spaziergang durch die Stadt mit den schönen Dächern und der Architektur ein Lied schreiben.

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Sofia gibt es also wirklich?

Ja, es ist wirklich passiert. Aber die Frau hiess natürlich anders. Mich fasziniert an diesem Lied aber nicht nur der Inhalt, sondern der Kontrast zwischen traurigem Text und fröhlicher Musik.

Wollen Sie «nur» unterhalten oder haben Sie auch politische Botschaften in ihren Liedern?

In «Mismo Sol» geht es darum, dass man Spass haben kann, egal woher man kommt. Humanität und soziale Gerechtigkeit sind Themen, die mich beschäftigen.

Sie könnten sich also nicht vorstellen, in einem Song einen Seitenhieb gegen Donald Trump zu machen?

Eher nicht. Politik selber interessiert mich nicht. Ich bin Musiker, kein Politiker.

Aber Sie sind ähnlich bekannt wie ein Spitzenpolitiker. Sie waren in fast allen Top-10 Europas und auch das Lokal „Kammgarn“ heute ist ausverkauft. Sind Sie ein Superstar?

Ich finde, der Begriff Superstar passt nicht zu mir. Ich mache einfach meine Arbeit mit Leidenschaft und bin damit glücklicherweise erfolgreich. Dafür bin ich sehr dankbar.

Hat Sie der Erfolg in dem Fall überrascht?

Ich singe spanisch und hätte nicht damit gerechnet, dass ich damit in Ländern wie Polen oder der Schweiz auftreten werde, wo Spanisch keine Landessprache ist. Man sagt, Musik sei eine internationale Sprache. Aber dass ihre Wirkung so gross ist, das hat mich überrascht.

Kann Erfolg manchmal auch lästig sein, wenn man dauernd auf der Strasse angesprochen und fotografiert wird?

Es gibt Tage, an denen ich müde vom Studio nach Hause komme, und da habe ich auch schon einmal die Strassenseite gewechselt, als ich ahnte, dass eine Gruppe mich ansprechen wollte. Aber normalerweise freut es mich sehr, dass ich mit einem kleinen Foto einem Menschen so grosse Freude machen kann.

Können Sie von der Musik leben?

Mit Musik alleine ist es schwierig. Stichwort Internet. Ein wichtiger Teil ist heute Werbung. Und dort ist es immer die Frage, wie viel Werbung man machen darf, ohne die Credibility bei den Fans zu verlieren.

Aber Sie müssen nicht noch einen Nebenjob machen, um über die Runden zu kommen?

Zum Glück nicht. Ich habe unter anderem eine Ausbildung im Bereich Industriedesign gemacht und habe beispielsweise das Bühnenbild entworfen.

Sieht super aus. In dem Fall ist alles bereit für den heutigen Auftritt?

Klar! Heute brennen wir die Bude ab. Alle Leute die kommen, werden morgen nicht arbeiten gehen können. Ich verspreche, ich werde alles geben.

—- Und hier ist der Konzertbericht —

Álvaro Soler feierte eine bombastische Latinoparty

«Schaffhausen, seid ihr bereit?», begrüsste Álvaro Soler am Sonntagabend die Gäste in der ausverkauften Kammgarn. Der Saal mit den rund 800 Besuchern bebte vor Freude. Eine riesige Schlange über den halben Parkplatz galt es für die Fans zu überwinden, um den Star des Abends zu sehen. Doch das Warten lohnte sich. Die Stimmung war bombastisch und die fünfköpfige Band mit ihrem sympathischen Frontmann live noch viel besser als ab CD. Der Sänger der Hits «Sofia» und «Mismo Sol» zeigte, dass er mit seinem neuen Album «Eterno Agosto» noch viel mehr zu bieten hat als seine zwei bekanntesten Raketenhits. Die spanischen Latinoklänge mischten sich mit fetzigen Beats. Es gab Balladen, akustische Lieder und Partykracher. Die Gäste tanzten, sangen, klatschten im Takt, und natürlich wurden wichtige Szenen mit dem Handy gefilmt. Soler riss mit seinem spanischen Temperament die Zuhörer mit. Es war ein Gefühl, wie wenn man sich im Sommer an den Strand legt, Sonne tankt, das Meer rauschen hört und dazu einen leckeren Cocktail trinkt. Entspannung, Spass, Ferien, Glücksgefühle. Als dann die Klänge von «Sofia» ertönten, gab es kein Halten mehr. Kein Fuss blieb still, und die Stimmbänder wurden zu Höchstleistungen animiert. Es fehlte eigentlich nur noch, dass es Konfetti und Ballons von der Decke regnete. Álvaro Soler begeisterte das Publikum und brachte für kurze Zeit den Sommer in die Herzen und Ohren von Schaffhausen. (hlh)

Beide Berichte von Herman-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten am 13. März 2017

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