Verblüffende Kartentricks und ein fliegender Tisch

Es regnete Konfetti und Feuerwerk über die Gäste, der Magier „Lorios“ sprang an einem Bungee-Jumping-Seil von der Decke, eine Assistentin musste sich gefesselt aus einem Wassertank mit Piranhas und Haifischen befreien und als wäre das noch nicht genug, wurde ein Besucher auf der Bühne live zersägt. Dies ist vermutlich das Programm der Zaubershow „Like Magic“, wie es im „Orient in fünf Jahren aufgeführt wird. Doch bevor es soweit ist, startete die Eventreihe am Freitagabend mit einem etwas Kleineren aber dennoch unterhaltsamen Programm. Der Schaffhauser Loris Brütsch alias Magier „Lorios“ lädt bei „Like Magic“ jeweils einen Gastkünstler ein, der mit ihm zusammen abwechselnd auf der Bühne für magische Momente sorgt. „Lorios“ startete mit einem Seiltrick. Ein kleiner Publikumshelfer namens Samuel assistierte ihm dabei, indem er das Seil mehrfach mit einer Schere zerschnitt. Das weisse Tau schien zerstört und dennoch schaffte es „Lorios“ unter Einsatz seines Zauberstabes, das Seil wieder als Ganzes zu präsentieren. Ein Kennzeichen von „Lorios“ ist nicht nur sein magisches Talent, sondern auch sein Humor. Den Assistenten Samuel etwa forderte er auf: „Bitte teste doch das Seil, ob alles in Ordnung ist. Ob es keine Falltür, Spiegel oder doppelten Boden hat.“ Und auch bei der nächsten Nummer mit Harry Houdinis Handschellen amüsierte er die Gäste aufs Beste. Der Gast-Illusionist Christian Stern hatte eine ganz andere Art und Weise, wie er seine Tricks den Gästen präsentierte. Mit ruhiger Stimme zeigte zunächst einen scheinbar langweiligen Zauberkniff und katapultierte danach mit dem echten Trick die Zuschauer aus den Socken. So wuchs auf einem Schreibblock von ihm einer Giraffe plötzlich wie von Geisterhand ein Hals. Er liess einen Tisch in der Luft schweben und er verblüffte mit Karten und Seiltricks. Der Abend endete mit einer witzigen Zauberparodie auf Siegfried und Roy. „Es war sehr geil“, freut sich der „Lorios“, als er nach der Aufführung mit dem Publikum ein Schwätzchen wagte. Mit dem erfolgreichen Abend hat er nicht nur dem Publikum, sondern auch sich selbst ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 21. September 2015.

Portrait von Sander Kleinenberg – Intersity 2015 Headliner

Der holländische DJ und Produzent Sander Kleinenberg war am vergangenen Wochenende in Schaffhausen einer der Headliner des Intersity Musikfestivals 2015. In den „Schaffhauser Nachrichten“ ist über ihn ein kleines Portrait erschienen. Von Hermann-Luc Hardmeier.

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«Getting ready for Zwitzerland today. Yay», schrieb Sander Kleinenberg auf Twitter, kurz bevor er sich ins Flugzeug setzte. 80 000 Follower sahen den Tweet und fragten sich vielleicht, warum er nicht «Switzerland» geschrieben hatte. «Haha, das ist die holländische Schreibweise», erklärte der Musiker und freute sich, dass er mit seinen knapp 20 000 Tweets für ein wenig Aufmerksamkeit sorgte. Sander Kleinenberg gilt als einer der besten DJs von Holland und steht dicht hinter Grössen wie Armin Van Buuren oder Martin Garrix. Trotzdem ist er ganz auf dem Boden geblieben und kennt keine Starallüren. Am Sonntag nach seinem Auftritt machte er eine kleine Sightseeingtour und besuchte den Rheinfall. Der Charme von Schaffhausen hat es ihm angetan. «Es ist eine kleine, schöne Stadt», lobt er und bemerkt: «Mir gefällt die hügelige Landschaft hier sehr gut. Bei uns in Holland ist alles flach. Ein wenig langweilig.» Sander Kleinenberg war am Samstagabend einer der Headliner am Intersity- Musikfestival. Nach ein Uhr legte er im «Orient» auf und sorgte für Begeisterung. Welche elektronische – Musikrichtung er genau zelebriert, mag er nicht einordnen. «Ich nenne es einfach House. Die Leute tanzen dazu und machen Party. So, wie ein Rennauto einfach fährt, ohne auf den Tacho zu schauen.»

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Sander Kleinenberg mixt für die Grossen des Showgeschäfts Songs und bringt eigene Lieder in die Hitparade. Soeben hat er zusammen mit Madonna gearbeitet. Im Internet wird er als der nächste grossen Star des Business gehandelt. «Völlig übertrieben », kommentierte er diese Berichte. «Ich will nicht in die Hitparade und will nicht in die Schuhe der Top- DJs schlüpfen.» Er fühle sich wie ein Alien, wenn er so etwas über sich lese.

Das Konzept des Intersity-Musikfestivals hat den Künstler begeistert. Obwohl er normalerweise vor riesigen Menschenmassen auflegt, hat er für Schaffhausen zugesagt. Vor einer Woche spielte er beispielsweise im Club „Pacha“ in Ibiza vor 1500 Besuchern. Vor knapp drei Wochen war er in Buenos Aires an einem Festival mit 10 000 Partygästen. «Vielleicht ist Schaffhausen zu klein für mich. Vielleicht werde ich hier aber auch die Nacht meines Lebens haben. Wir werden sehen», freute er sich auf den Auftritt. Sander Kleinenberg legt Wert darauf, dass es ihm nicht um Geld und Ruhm im DJ-Geschäft geht. «Alles, was ich mache, kommt von Herzen. Die Hitparade ist mir egal.» Sander Kleinenberg sagt das alles locker aus der Hüfte geschossen. Aber ganz ohne die Charts kommt auch er nicht aus. Er lebt zu 100 Prozent vom Auflegen und hat immer wieder Songs, die es ins Radio schaffen. Wenn es so weitergeht, wird man ihn sehr bald sehr gut kennen. Vor seinem Auftritt im «Orient» war er gespannt auf das hiesige Partyvolk. «Ich bin neugierig, ob die Gäste abfeiern und akzeptieren, dass ich nicht die Top 40 rauf- und runterspiele.» Und wie sie abfeierten! Das «Orient» kochte in den frühen Morgenstunden. Sander Kleinenberg hat eine Prise Amsterdam nach Schaffhausen gebracht und wird vielen im Städtchen am Rhein noch lange im Gedächtnis bleiben.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 14. September in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

Martin Suter „korrigiert“ seinen Roman

Von Hermann-Luc Hardmeier: Die Interpretation des Schlusses seines Buches missfiel dem Schweizer Erfolgsautor. Jetzt ist der Schluss umgeschrieben, irgendwie unlogisch, aber dafür eindeutig. Eine Buchbesprechung von Hermann-Luc Hardmeier.

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Das ist eher eine Seltenheit in der Literaturszene. Ein Autor und Schriftsteller ist im Nachhinein unzufrieden mit seinem Buch bzw. mit dem, was die Leser aus seinem Buch machen und greift zum Rotstift. Die Rede ist vom Buch „Die Zeit, die Zeit“ von 2012.

Natürlich gibt es viele Beispiele von Schriftstellern, die bereits das Gleiche gemacht hatten. Am konsequentesten dabei war sicherlich Johann Wolfgang von Goethe mit seine „Werther“. Als er das Buch damals in der „Sturm und Drang“-Zeit schrieb, war es voll von revolutionärem Geist und angriffigem Material. Als Goethe später in den Staatsdienst trat und sich in der Epoche „Weimarer Klassik“ wiederfand, mochte er nicht mehr der Autor sein, der Vaterfigur eines revolutionären Romanes war. Er strich und veränderte das halbe Buch. In seiner Schlussversion war Werther nicht mehr der Stürmer und Dränger, sondern eine von Selbstzweifeln zerfressene Person. Das Buch war – man verzeihe die direkte Sprache – billig langweilig geworden. Kein Wunder, wird auch heute noch die Originalversion verkauft. Die zensierte Version gibt es nur im Paralleldruck mit der ursprünglichen Fassung. So kann der Leser genau mitverfolgen, was verändert wurde.

Ob das Buch „Die Zeit, die Zeit“ mit „Werther“ verglichen werden kann, dies kann man schnell verneinen. Der Vorgang der Korrektur durch den Autor persönlich, ist hingegen durchaus vergleichbar.

Im Buch von Martin Suter geht es darum, dass die Hauptfigur Peter Taler durch einen Mord vor der eigenen Haustür die geliebte Frau Laura verliert. Der Grund war seiner Meinung nach, dass er die Haustür zu spät geöffnet hatte. Er schottet sich ab und tröstet sich mit Bier und einem eintönigen Alltag. Sein Nachbar, der alte Knupp, wird bald zu einer wichtigen Bezugsfigur. Dieser hat seine Frau vor 20 Jahren verloren und lebt in sehr bizarren Vorstellungen. Knupp ist der festen Überzeugung, dass es keine Zeit, sondern nur Veränderungen gäbe. Diese Veränderungen kann man rückgängig machen und somit auch den Lauf der Dinge für ungültig erklären. Konkret: Der alte Knupp will seine Frau zurück. Damit ihm das gelingt, will er sein Haus und das ganze Quartier in den Zustand vor 20 Jahren zurückversetzen. Er rekonstruiert den Todestag seiner Frau bis ins kleinste Detail. Nicht inhaltlich, sondern baulich. Ja baulich! Alles soll so aussehen wie damals. Vom Teppich in der Wohnung bis zur Baumhöhe im Garten. Er ist sich sicher: Wenn alles so aussieht wie damals, kehrt seine Frau zurück und man könnte einen anderen Weg einschlagen, bei welchem er weiterhin eine glückliche Ehe führt. Taler lässt sich durch Neugierde und Erpressung von Knupp für das Experiment einspannen. Es werden Büsche zurückgeschnitten, alte Autos organisiert und Fassaden neu gestrichen. Alles wird penibel und akribisch rekonstruiert. Dies macht den Roman zwar stückweise etwas mühsam zum Lesen, doch man gibt nicht auf. Denn jeder will wissen: Klappt das Experiment? Kehrt die verstorbene am Ende zurück?

Das Buch ist seit drei Jahren auf dem Markt. Da Martin Suters Veränderung nicht verständlich erklärbar ist, wenn man den Schluss nicht kennt, muss er an dieser Stelle verraten werden:

Das Experiment glückt und die Verstorbene erlebt eine Wiederauferstehung. Es passiert jedoch etwas Schockierendes: Taler entlarvt Knupp. Der alte Nachbar hat Laura erschossen, damit Taler depressiv genug wird, um ihm beim Experiment zu helfen. Taler ist ausser sich. Er betrinkt sich, tötet Knupp und schläft ein.

Mit diesem Ende könnte die Geschichte auch als Traum von Taler gelesen werden. Manche Leser fanden dies gut, andere bezeichneten dieses Ende als „billigen Trick“. Diese Interpretation hat Martin Suter sehr geärgert, denn er wollte mehrere Interpretationsmöglichkeiten anbieten, und nicht als Taschenspieler bezeichnet werden. Deshalb hat er den Schluss umgeschrieben. Es sind nur wenige Sätze, doch diese haben es in sich. Taler trinkt nur ein einziges Glas Wein. Er bleibt wach und schreibt ein Geständnis nieder, warum er Knupp getötet hat. Er trifft danach auf die quicklebendige Laura und umarmt sie heftig. Da Laura zu diesem Zeitpunkt nichts von ihrem Tode weiss, reagiert sie nicht fröhlich, sondern sogar etwas genervt über die plötzlichen Zärtlichkeiten.

Nun ist das Ende eindeutig. Es gibt keine Interpretationsmöglichkeiten mehr und auch keine Zweifel mehr. Ob das Buch dadurch besser geworden ist, sei dahingestellt. Die ganze Geschichte mit dem Experiment war ja ohnehin nicht sonderlich logisch. Warum braucht diese Traumreise ein so präzises Ende?

Die Veränderungen von Goethes „Werther“ waren enttäuschend und auch das Vorgehen von Martin Suter enttäuscht ein wenig. Zwei schöne Bücher sind mit einer groben Schere zensiert worden. Was gibt es Schöneres, als dass jeder ein Buch so interpretieren kann, wie es für sein Verständnis stimmt. Man kann nur hoffen, dass die Zeit, die Zeit auch über die neue Version von Martin Suters Buch hinweggeht und wie bei Goethe die Originalversion des Buches von den Lesern bevorzugt wird.

Von Hermann-Luc Hardmeier. 11. September 2015.

(Quellen: Tages Anzeiger und FAZ)

„Ich fand das ‚Orient‘ schon immer cool“

Von Hermann-Luc Hardmeier: Der House-DJ und Produzent Mr.Da-Nos feierte am Samstagabend mit Champagner und Co2-Kanone eine wilde Party in der Munotstadt. Ein Bericht von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Mr.Da-Nos präsentierte euphorische sein neues Album den Gästen im Orient (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Mr.Da-Nos. Ist das nicht dieser DJ von der Street Parade? Weiss nicht, ob der in Schaffhausen rocken wird…“ Solche und ähnlich Kommentare hörte man im Vorfeld der Party „RED“, an welcher Mr.Da-Nos am Samstagabend auftrat und seine 29. CD präsentierte. Um es gleich vorweg zu nehmen: Alle Kritiker hatten unrecht. Der Laden platzte aus allen Nähten und die Partystimmung war bombenmässig. Roland Bunkus alias Mr.Da-Nos nimmt man in der Munotstadt eher als Zürcher-DJ wahr, doch eigentlich ist er ein Weinländer. Er wohnt in Adlikon und ist in der Region ziemlich aktiv. Einerseits hat er regelmässig von 2000 bis 2005 im Orient aufgelegt und eine eigene Partyreihe geschmissen, andererseits gibt es immer wieder Auftritte von ihm wie etwa an der Beachparty in Thayngen oder vor kurzem im Restaurant Sommerlust. Am Samstag eröffnete er die Sause mit einem Apéro um 23 Uhr. Er mischte sich dabei unter die Gäste und nahm sich Zeit für Gespräche und Fotos mit den Fans und Gästen. Zur Housemusik von Steve-O füllte sich das Orient ziemlich schnell und die Tanzfüsschen der Gäste wollten nicht mehr stillstehen. Der Hauptact des Abends liess sich noch ein wenig Zeit, bevor er die Bühne betrat. Mr.Da-Nos war letzte Woche noch mitten an der Street Parade, wo er seit 1996 auflegt und seit 2000 ein eigenes Lovemobile an den Start bringt. Darüber hinaus wird er regelmässig in Zürich und im Ausland gebucht. Unter anderem in Lloret del Mar, Rimini, Deutschland und in Kroatien. Ist bei solch einem Erfolg Schaffhausen nicht eine Nummer zu klein für den 35-Jährigen? „Nein, überhaupt nicht“, sagt er ohne zu zögern. „Ich liebe grosse wie kleine Feste. Wenn ich die Gäste auf Armlänge mit Musik glücklich machen kann, finde ich das sogar fast sympathischer als die riesigen Festivals, die ziemlich unpersönlich sind. Das erinnert mich an meine Wurzeln und an die Anfänge meiner DJ-Karriere.“ Er erklärt, dass er sich schon immer der Region verbunden fühlte, einen grossen Kollegenkreis hier habe und sogar einen Teil seiner „Töfflizeit“ als Teenager in Schaffhausen verbrachte. „Zudem fand ich das Orient immer cool, da es ein Housepalast der ersten Stunde war.“

Das klingt alles ziemlich bescheiden, wenn man sich einige Zahlen von Mr. Da-Nos‘ Karriere einmal verbildlicht. Er hat bisher 29 Alben herausgebracht, über eine halbe Million CDs verkauft, hat über 200 Auftritte pro Jahr, war mehrfach in den TopTen und durch seinen Hit „Hold on“ für den deutschen Kinofilm „Drei Türken und ein Baby“ sogar in den deutschen Charts von null auf Platz 42 eingestiegen.

Kurz vor zwei Uhr morgens war es dann soweit: „Guete Morge Schaffhuse“, rief Mr.Da-Nos fröhlich in die Menge und die Gäste feierten ihn. Die Stimmung war ausgelassen, die Musik richtig Klasse und kleine Attraktionen heizten den Besuchern zusätzlich ein. Beispielsweise ein riesiger Co2-Booster, der wie ein Gewehr aussah und kalte Dampfwolken auf Knopfdruck in die Menge schoss. Oder als Mr.Da-Nos einen Champagner entkorkte und in die Menge spritzte. „Ich mache heute Party, bis die CD-Player kaputt gehen“, bilanzierte der DJ zufrieden und feierte, flankiert von B3mad, Hyprotic und C-Baker, im Orient bis in die frühen Morgenstunden.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8. September 2015.

Mit bissigen Gitarren

Von Hermann-Luc Hardmeier. Die Crossover-Kultband der 90er-Jahre namens Dog Eat Dog brachte den Club „Kammgarn“ in Schaffhausen am Donnerstag zum Kochen. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Frontmann John Connor flippt während dem Konzert von Dog Eat Dog im Sekundentakt auf der Bühne aus. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier).

Erinnert sich noch jemand, wie das damals war? Damals in den 90er-Jahren?
Kein Facebook, kein Google und keine Smartphones. Pure Freiheit, die sich auch in der Musik widerspiegelte. Crossover ohne Schnickschnack und Blingbling. Dog Eat Dog ist eine Band,  die genau jenes Lebensgefühl ausdrückt und mit ihrer Musik die Boxen zum Schmettern bringt.  Die Musiker aus New Jersey gründeten ihre Band Anfang der 90er-Jahre und starteten in den 90ies harzig mit einem Konzert vor 50 Zuschauern. Als sie in der Kammgarn loslegten, merkte man sogleich, warum sie damals relativ schnell ihren Durchbruch schafften. Verzerrte Gitarren, klarer Gesang, Einflüsse von Hip-Hop und ein unverkennbares Saxofon als Kontrast zum harten Crossover. Diese Zutaten in den Mixer gesteckt und auf der höchsten Stufe genüsslich durchgemixt, ergeben
den unverkennbaren Sound. Doch zunächst knallte es deftig in den Ohren durch die Vorband Second Fiction. Das Schweizer Trio wärmte mit kräftiger Rockmusik schon einmal die Tanzfläche für den Hauptact ein. «Jetzt Vollgas!», rief dann ein Besucher, und die Combo liess sich nicht lange bitten. Mit den Worten: «Switzerland, are you ready to party?», stürmte Frontmann John Connor die Bühne, und Dog Eat Dog feuerte aus allen Rohren. «Der Sänger teilt nicht nur den Namen mit dem Anführer der Rebellen im Film ‹Terminator›, sondern auch die Frisur mit Bob Marley und das Lächeln mit Jack Nicholson», stellte Besucher Boris Litmanowitsch erfreut fest. Neben ihm stand ein weiterer Gast, der die Klänge der fünf Musiker noch aus seiner Jugendzeit kannte: «Es ist für mich wie eine Zeitreise heute», sagte Andreas Hendriks. «Aber es ist geil, hier zu sein.»  Schnell füllte sich die Halle, und die Besucher rückten bis zum Bühnenrand vor. Denn diese Hunde bissen nicht, sondern die Dog-Eat-Dog-Musiker hüpften wie junge Welpen auf der Bühne herum. Begeistert lobte der Frontmann einen Fan in der ersten Reihe, der ein T-Shirt aus der Ursprungszeit trug. Das Tour-Logo von 1995 war auf dem verwaschenen Kleidungsstück zu sehen und beinahe so alt wie die Band selber. Die Gruppe balancierte immer wieder zwischen Hardcore-Punk, Metal und Rap. Den einen waren die heftigen Stücke zu crazy, den anderen die HipHop-Ausflüge zu experimentell. Doch unter dem Strich war für jeden etwas dabei, und die Band schien nichts von  ihrer Frische eingebüsst zu haben. Bei den zwei Hits «Who’s the King» und «No Fronts» verloren die Gäste alle Hemmungen und starteten einen wilden Pogo-Tanz vor der Bühne. Ein weiteres  Highlight war der Song «Rocky». Mit Dog Eat Dog war der Kammgarn ein euphorischer Ausflug in die 90er-Jahre gelungen. Die Gäste waren begeistert, und auf der Tanzfläche wurde definitiv  der wilde Hund in jedem geweckt.

Von Hermann-Luc Hardmeier, Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 5. September 2015.

Mit dem Nachwuchs-DJ an der Parade

Von Hermann-Luc Hardmeier: Der Schaffhauser DJ Levi Blind legte am Samstag auf einem Love Mobile an der Street Parade auf und krönt damit seinen derzeitigen Karriereflug. Er wurde dabei vom Reporter Hermann-Luc Hardmeier begleitet.

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Bild: DJ Levi Blind am Bellevue am Feiern. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Jetzt geht’s los“, freut sich Carim Chenna, als er die steile Treppe auf den Truck namens „Beatrockers“ erklimmt. Das Fahrzeug ist eines von 26 Love Mobiles an der Street Parade 2015 und steht um 13 Uhr in den Startlöchern für den grössten Techno-Umzug des Jahres. Auf der Tanzfläche des Rave-Traktors angekommen, verwandelt sich der 25-jährige Carim in DJ Levi Blind und ist bereit, für eine Million feiernde Raver Musik zu machen. Nun ist er nicht mehr im Management-Support bei der Axa Winterthur tätig, sondern ein DJ, der eine steile Karriere hinter und vor sich hat.

Vom Chäller nach England

Noch vor fünf Jahren hielt er nicht viel von der Faszination der Plattenteller. 2010 machte er einen spontanen Auftritt an einer WM-Party im Chäller Schaffhausen. Sofort fing er Feuer und wollte mehr. Der ehemalige Ska- und Punkrockfan setzte von Anfang an auf House und elektronische Musik. Sein Sound begeisterte, bald durfte er im Orient an die Turntables. DJ Levi Blind vermarktete sich gut und durch die richtigen Kontakte legte er schliesslich in Zürich auf. Dies öffnete ihm Türen zu Clubs in England, Holland, Österreich und, und, und. „Es war unglaublich“, sagt Levi Blind. „Ich habe mehr erreicht, als ich mir erträumen konnte. Und immer wenn ich dachte, den nächsten Schritt schaffe ich nicht, dann klappte es.“

Eigene CD und Ibiza

Vor wenigen Wochen kam seine erste CD namens „Beautiful Life“ heraus. Er lächelt aus seinem braungebrannten Gesicht, wenn er von seinem Erstling erzählt. Die Bräune hat er übrigens von der Sonne Ibizas, wo er noch vor einer Woche in einem der bekanntesten Clubs der Insel namens Amnesia auflegte. Und nun geht ein weiterer Traum in Erfüllung. Das Love Mobil fährt mit hämmernden Beats los. Im Schritttempo hüpft es im Takt der wuchtigen Bässen entlang dem Zürcher Seebecken. Fast 250 Raver tanzen zur Musik der 6 DJs auf dem Love Mobile. Innerhalb der sechsstündigen Fahrt beglücken Levi Blind und das Beatrockers-Team die riesige Menschenmenge, die ekstatisch und ausgelassen feiert. Es sieht ein bisschen aus wie ein stürmischer Ozean, bei welchem Levi Blind für den Wellengang verantwortlich ist. Unter den rund 200 DJs an diesem Tag ist der junge Musikfan übrigens nicht der einzige Schaffhauser Plattenleger. Neben dem Weinländer Mr. Da Nos legt auch das Munotstadt-Urgestein DJ Sam auf einem Love Mobile namens Alice Choo auf, spielt auf zwei Stages und am Abend im Club Plaza mit dem Hitparadenstar Oliver Heldens. So weit ist Levi Blind noch nicht, doch der Nachwuchsstar ist am Aufholen und Durchstarten. Nach drei Stunden ist er am Bellevue und strahlt wie ein Honigkuchenpferd: „Es ist phantastisch! Die Leute feiern meine Musik und flippen völlig aus!“.

Gebrochene Versprechen

Beinahe hätte Levi Blind im Anschluss an den farbigen Umzug auf einer der Mainstages am Bürkliplatz auflegen können. Doch er bekam vor einer Woche eine Absage. Schmerzt das nicht? Fühlt man sich da nicht enttäuscht, wenn der Karriere Steine in den Weg gelegt werden? DJ Levi Blind winkt ab. „Ach was! Wenn ich mich jedes Mal ärgern würde, über Dinge, die man mir als DJ versprochen hat und nicht einhielt, dann hätte ich schon lange aufhören müssen.“ Er meint, es ergeben sich immer wieder Chancen. Mit dieser Einstellung und seiner Energie an den Plattentellern scheint dies nicht nur ein Wunsch, sondern ein Versprechen zu sein. Schaffhausen drückt ihm dafür die Daumen!

Von Hermann-Luc Hardmeier, erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 31. August 2015.