Hiphop, Zauberei und ein abgedrehtes Krippenspiel

Bei der „Open Stage“ im Club „Orient“ in Schaffhausen gab es viel zu staunen. Ein Eventbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Hardmeier+Talentshow

„Wir haben heute fantastische Künstler für Sie bereit“, begrüsst Moderator Loris Brütsch am Donnerstagabend das Publikum im Orient. Wie jedes Mal leitete der Gastgeber mit Charme und flotten Sprüchen durch die zweistündige „Open Stage“. Diesmal standen sechs Talenten von Nah und Fern im Rampenlicht. Den Beginn machte Magier Dominic Oesch. Der 19-Jährige verblüffte mit geschickter Zauberkunst, magischen Ringen und einem fliegenden Tisch. Danach sang Roger Stüssi für die Gäste. Seine voluminöse Stimme war voller Energie und stand in überraschendem Gegensatz zu seiner eher zurückhaltenden Begrüssung. Eine Wundertüte, genau wie die Veranstaltung selber. Denn als nächstes kam das schrägste Krippenspiel, welches die Weihnachtszeit je gesehen hat. Komiker Gregor Schaller zeigte den Anwesenden, wie man aus Haushaltsmüll die Weihnachtsgeschichte nachbauen kann. Um das Ganze zimmerte er eine ausgeflippte Geschichte, die sich anhörte, als hätte man einen Duden unter Drogen gesetzt. Für die Maria-Figur benutzte er eine leere Milchpackung, die er mit dem Borer und dem Winkelschleifer bearbeitet, bis die Funken flogen. Aus einer Bierflasche und einem angebissenen Apfel gab es den Josef. Im Mittelalter hätte die katholische Kirche Gregor Schaller wohl auf den Scheiterhaufen geführt, hätten sie gesehen, wie er einen Emmy-Energiedrink mit Stichsäge und Beil zum Jesuskind umarbeitete. Das Ganze war zum Brüllen komisch, doch noch lange nicht der Höhepunkt des Abends. Neben Loris Brütsch, der in die Rolle des Zauberers „Lorios“ schlüpfte und die Gäste einmal mehr mit seinen Kartentricks begeisterte, warteten noch zwei musikalische Leckerbissen auf ihren Auftritt. Gefühlvoll und ausdrucksstark war Fabio Brellos aus Schaffhausen. Der Schaffhauser KV-Lehrling zeigte mit Gitarre und Klavier, dass der nächste Ed Sheeran durchaus auch aus der Munotstadt kommen könnte. Doch der Auftritt, der sich den Anwesenden am stärksten ins Gedächtnis brannte, war jener des Rapperduos „SAR – Neon & Santa“. Mit Wortwitz, dickem Flow und eine Mixtur aus Partysongs und tiefgründigen Gedanken enterten die Wortkünstler aus Stein am Rhein die Bühne. Sie wechselten zwischen ruhigen Balladen und fetzigen Tanznummern. Ein Teil des Publikums stand auf, tanzte und feierte. Sowas gabs bislang noch an keiner der „Open Stage“-Veranstaltungen. Insgesamt bot die Talentshow in ihrer letzten Ausgabe vor der Winterpause viel Abwechslung und Unterhaltung. Von dicken Punchlines der Rapper, über Magier mit telepathischen Fähigkeiten, einem wortgewaltigen Sänger bis hin zum freakigsten Krippenspiel des Jahres war für jeden etwas dabei. Loris Brütsch verabschiedete die Besucher mit den Worten „Wenns euch gefallen hat, dann kommt wieder!“. Viele Besucher werden 2018 dieser Aufforderung mit viel Vorfreude folgen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 18.11.17.

 

Die gemütlichen Soulkönige von Schaffhausen

Nach dreijähriger Pause begeisterte die Band „Min King“ hunderte von Besuchern in der Kammgarn.

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 „Min King“ brachten gute Stimmung in die Kammgarn. (Foto: Phillip Schmanau, Bericht Hermann-Luc Hardmeier)

 „Der Typ hat so eine geile Stimme“, schwärmte Musiker James Gruntz über die Band „Min King“. Der Schweizer Hitparadenstürme war vor einer Woche auf der Kammgarnbühne und lobte neben dem Rheinfall die musikalische Vielfalt unserer Stadt. Mit seiner Einschätzung lag er goldrichtig, denn „Min King“ ist wirklich etwas Aussergewöhnliches. Am Samstagabend war die Kammgarn mit 800 Besuchern ausverkauft. Dicht gedrängt standen Jung und Alt, von Partygängern über Familien bis hin zu Lokalpolitiker vor der Bühne und wartete auf die sympathischen Soulkönige der Munotstadt. Gegen 22 Uhr enterten Sänger Philipp Albrecht und seine sechsköpfige Band sodann das Podium.

Leckerer Musikcocktail

Das Keyboard groovte, die Bläserfraktion fetzte, Gitarre und Bass legten das Tanzfundament und der Drummer pfefferte knackige Beats durch die Boxen. Garniert wurde das Ganze mit der rauchig-sanften Stimme von Philipp Albrecht. Und fertig war die Mixtur für den wohl leckersten musikalischen Cocktail, der den Besuchern in der Kammgarn seit langem serviert wurde. Zwischen Soul, Funk, Blues und manchmal einer Prise Reggae und Offbeat balancierten die sieben Musiker perfekt. „Die Band macht mit viel Sorgfalt Musik von der grossen Welt, bringt sie in unsere Stadt und verankert sie so gekonnt in unseren Ohren, das wir sie als heimisch empfinden“, lobte Besucher Gregor Szöllösy die Band. Ihn erinnerte „Min King“ ein wenig an eine Schaffhauser Version der Blues Brothers. Und tatsächlich erklangen während dem Konzert viele bewusste oder vermeintliche Referenzen an bekannte Musiker. Gewisse Songs erinnerten an Soulgrössen wie Otis Redding, Stevie Wonder oder Al Green. Kurz wurde sogar der Song „I Shot The Sheriff“ von Bob Marley angespielt. Doch natürlich spielte „Min King“ keine Covers, sondern liess sich von Soulklassiker inspirieren, wandelte es in ihre ganz eigene Musik um und unterlegte es mit Texten, die auf Schaffhauser Mundart gesungen wurden.

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Band und Sänger ergänzten sich perfekt. (Fotos: Phillip Schmanau, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Gelungene Plattentaufe

Die zwei bekanntesten Lieder, die auch national im Radio gespielt werden, sind „Bluemeweg“ und Philipp Albrechts Solostück „Fründin“. Als sie erklangen, war die Stimmung auf dem Siedepunkt und in der Halle herrschten nicht nur Tanzstimmung, sondern auch Saunatemperaturen. Doch die Band zeigte nicht nur Bewährtes, sondern auch ihre neusten Songs und taufte in der Kammgarn ihr zweites Album namens „Immer wieder“. Während die ersten Stücke von 2012 ein bisschen den Partytornado-Kurs eingeschlagen hatten, sind die neuen Lieder von 2017 eher auf der Stufe einer gemütlichen Sommerbrise anzusiedeln. Den ganzen Abend herrschte eine behagliche Stimmung. Man hätte gerne ewig weitergehört, doch plötzlich war die Bühne leer und erst mit enthusiastischen Zugabe-Rufen konnte man die schönen Klänge noch einmal zurückholen. Im letzten Teil des Abends gab es neben einer zusätzlichen Ladung „Min King“-Songs auch Gastauftritte des Rappers E.K.R. und des Musikers der Vorband Mory Samb. Die dreijährige Pause von „Min King“ von 2014 bis 2017 schien der königlichen Klangwelt nicht geschadet zu haben; im Gegenteil. Die Musik ist gereift, hat sich weiterentwickelt und entfaltete am Samstagabend ihre ganze Power in der Kammgarn. Es ist schön zu sehen, dass eine kleine Herblinger Quartierstrasse wie der „Bluemeweg“ am Samstagabend so vielen Menschen in der proppenvollen Kammgarn einen so tollen Abend beschert konnte.

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Am Schluss gab es noch Verstärkung auf der Bühne E.K.R. und Mory Samb. (Fotos: Phillip Schmanau. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Text von Hermann-Luc Hardmeier, erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 13.11.17.

Der Goldfisch, der auch ein Hai sein kann

Am Freitag verzauberte der Berner Musiker die Kammgarn mit seiner hypnotischen Stimme. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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James Gruntz in Schaffhausen. (Foto: Selwyn Hoffmann, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Wow, was für ein Ambiente. Mysteriöses blaues Licht, ein riesiges Bild von Felsen im Meer thront über den Instrumenten. Durch die Lichteffekte von LED-Säulen auf der Bühne wirkte es, als sprudle Sauerstoff und blaues Wasser in die Luft. Als wäre die Bühne ein riesiges Aquarium, in welchem der Goldfisch James Gruntz aus dem Fenster der versunkenen Burg hinausschaue und friedlich seine Runden drehe. Kurzum: Die zauberhafte Umgebung für die Charakterstimme von James Gruntz war perfekt hergerichtet. Mit seiner vierköpfigen Band spielte sich der Singer-Songwriter bereits mit den ersten Klängen in die Herzen der Zuhörer. Er hat seine ganz eigene Mischung aus Pop, Jazz, Rock und anderen Mixturen. Eine wichtige Rolle spielt der Synthesizer, der eine Prise Funk dazu streute. James Gruntz traf die Töne gekonnt und überraschte zwischendurch, als er ganze Passagen oder einzelne Einwürfe mit der hohen Kopfstimme sang. Den Wechsel zwischen hoch und tief lösten die Illusion aus, als würden gleich mehrere Sänger auf der Bühne stehen.

Musikalische Trickkiste

«Ich freue mich, heute für euch zu spielen», begrüsste er nach dem 2. Song die Gäste und wurde mit grossem Applaus empfangen. Die Klänge waren kreativ und harmonisch. Doch der Goldfisch verwandelte sich zwischendurch auch zum bissigen Hai. Als beim Song «Homework» der Gitarrist zu einem Solo ansetzte, begleitete James Gruntz ihn enthusiastisch mit dem Schellenring. Er tanzte, sang und fuhr sich immer wieder durch das krause Haar, damit er nicht zu brav aussah. Vor ihm auf der Bühne stand ein Keyboard, mit welchem er bei längeren musikalischen Passagen mitspielte oder in die Trickkiste der Effekte griff. In der Kammgarn spielte er vor allem die Songs seines neusten Albums «Waves». Mit dem gleichnamigen Titelsong seines sechsten Albums stieg er ein und ein erster Höhepunkt des Abends war erreicht, als er mit «Speechless» den Saal zum Kochen brachte.

Mit dem Velo am Rheinfall

Typisch für James Gruntz war auch, dass er immer wieder kleinere Geschichten vor einigen Songs erzählte. So berichtete er beispielsweise, dass er vor zwei Jahren im Rahmen seines Auftritts am «Stars in Town» mit seinem Klappvelo den Rheinfall besuchte. Dies leitete das Lied «Song to the Sea» ein, welchen er mit der Ukulele begleitete. Die LED-Leuchten schwangen nun im Takt, als wäre die Bühne auf einer leicht stürmischen Schifffahrt. In den vorderen Reihen schienen die weiblichen Besucherinnen jede Textzeile zu kennen und sangen begeistert mit.

Drei Schritte zum Song

«Für mich gibt es drei Stufen, bis ein Song fertig ist», erklärte James Gruntz dem Publikum. In der ersten Phase sei es so, dass sich eine zündende Idee im Kopf verankere und ihn tagelang beschäftige. In der zweiten Phase schreibe er das Lied und feile an den Details. Am meisten freue er sich aber dann auf den dritten Schritt, wenn das Lied zum ersten Mal auf einer Bühne gespielt werde und er zusammen mit dem Publikum dem Track endgültig das Leben einhauchen dürfe. «Das ist wie eine Befreiung», schwärmte Gruntz. «Und genau so ein Lied spiele ich jetzt für euch. Ein Song aus meiner Playlist, der raus musste, damit er mich nachher wieder in Ruhe lässt.» Damit war das Stück «You» gemeint, das derzeit in der Hitparade rauf und runter gespielt wird. Viele Besucher staunten nicht schlecht, dass «live» die Melodie noch viel wuchtiger und eingängiger war als aus dem Radio. Mit einem Drumsolo wurde es aufgepeppt und zum Schluss gab es noch eine Soulversion des Stückes; ganz ohne Synthesizer. Die harmonischen Klänge und die hypnotische Stimme von James Gruntz hatten mittlerweile die ganze Kammgarn in die Fantasy-Welt des musikalischen Aquariums gezogen. Die Herzen der Gäste schmolzen wie Butter in der Sonne dahin und für alle war klar: Das war ein wirklich gelungener Abend.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 6.11.17.