Nach 15 Minuten schloss sich der Vorhang gnadenlos

Am“8×15“-Event von SRF Virus zeigten acht Newcomer ihr musikalisches Können. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Am Samstagabend machte die Konzertreihe „8×15“ zum 3. Mal Halt in der Kammgarn. Das Konzept der Veranstaltung ist einfach und faszinierend: „Acht Newcomer Bands, die Aufmerksamkeit verdient haben, können sich während 15 Minuten dem Publikum zeigen“, erklärt Simona Vallicotti, redaktionelle Projektleiterin von SRF Virus. „15 Minuten reichen, um ein Publikum zu fesseln und um abzuschätzen, ob man mehr von ihnen haben möchte. Zudem ist 15 Minuten eine erträgliche Zeit, falls einem eine Band nicht gefällt und man lieber an der Bar ein Bier trinken will.“ Um die Spannung ein bisschen zu erhöhen, war ein Bildschirm mit einem Countdown installiert und ein Vorhang schloss sich exakt nach Ablauf der Frist.

 Von Techno bis HipHop

Die erste Band hiess „Alois“. Die vier Musiker aus Luzern waren wie ein musikalischer Heissluftballon. Sie stiegen in die Höhe und schwebten gemütlich über den Besuchern. Mit Daydream-Indie-Pop eröffneten sie den Abend gekonnt und sympathisch. Die nächste Aufführung riss alle aus den Socken. Die Ein-Frau-Band „Jessiquoi“ aus Bern lieferte einen frischen Auftritt, der an Kreativität gar nicht zu überbieten war. Ein fahrbares „Leiterwägeli“, auf welchem ein DJ-Pult befestigt war, diente ihr als Kulisse. Es war zu einer Mischung aus Marktstand und Hindutempel umgebaut. Es blinkte und blitzte bunt. Laute Technobeats dröhnten aus den Boxen. Jessiquoi sang, tanzte, schwang ihre Haare durch die Luft und spielte verschiedene Instrumente. Knallig, bunte Leggins, auffällige Schminke und freakige Accessoires rundeten das Ganze ab. Das Publikum kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Und schon war es auch wieder vorbei. Die dritte Viertelstunde gehörte einer Band aus der französischen Schweiz. Dicke Hiphopbeats und Rap auf Englisch standen nun auf dem Programm. „Rootwords“ war eine Combo, die innert kürzester Zeit das Publikum zum Tanzen und Mitfeiern brachte. Die Hände schnellten in die Höhe und wippten im Takt. „Der Abend ist extrem abwechslungsreich“, freute sich eine Besucherin. „Man weiss nie, was als nächstes Hinter dem Vorhang herausspringt.“ Kaum gesagt, was es auch schon Zeit für die nächste Wundertüte. „Make Plain“ war ein Tessiner Duo, das fünf Instrumente gleichzeitig spielte, sang und dabei noch lässig Countryhemden und Cowboyhüte trug. Beim Auftritt der Punkrockband „The Hydden“ gab es sodann eine ungeplante Überraschung. Der Vorhang streikte und musste von zwei Helfern während dem halben Konzert zurückgehalten werden. „Das wird in die 8×15-Geschichte eingehen“, lachte Simona Vallicotti. Es folgten zwei weitere Konzerte von „Carvel‘“ und dem Bühnenkönig „Crimer“. Fazit: Es war ein grandioser Abend, der Abwechslung, frische Musik und eine Prise Humor für die Gäste bereithielt.

Von Herman-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 11.Dezember 2017.

Eine Mischung aus Party und Philosophievorlesung

Käptn Peng und die Tentakel von Delphi begeisterten die Kammgarn am Mittwoch mit ihren tiefsinnigen Texten. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Dieser Pirat ist etwas ganz Besonderes. Käptn Peng aus Berlin lud am Mittwochabend eine wilde Meute von 440 Besuchern auf eine stürmische Seefahrt ein. Kanonenschüsse, Blitz, Donner und viele musikalische Abenteuer hatte er in seiner Schatztruhe bereit. Und als wäre das noch nicht genug, waren auch viele Ungeheuer mit von der Partie. Eines war ihm wohlgesinnt: Die Tentakel von Delphi, so der Name seiner Band. Die vier Musiker unterstützten den kreativen Kapitän mit allem, was Omas Keller und Mamas Küche hergab. Töpfe, Bürsten, Fahrradklingen und fies gestimmte Gitarren gehörten zu den Objekten, welche als Instrumente dienten. „Wir sind am Anfang immer ganz schüchtern“, begrüsste Käptn Peng alias Robert Gwisdek die Besucher, „deshalb wollten wir fragen, ob ihr Lust habt, für die nächsten zwei Stunden unsere Freunde zu sein?“ Natürlich freute sich das Publikum und das Eis war gebrochen. Käptn Peng nannte die Gäste liebevoll „Hans-Maria“, weil er sie nicht mit dem unpersönlichen „Kammgarn, wie geht’s?“ oder „Schaffhausen, seid ihr noch da?“ ansprechen wollte. Hans-Maria hatte seine pure Freude daran und es war schnell klar: Dieser Käptn hat einiges im Köpfchen. Überhaupt könnte Robert Gwisdek nicht weiter vom Bild des typischen Rappers entfernt sein. Weder Goldkette, Ghettofaust noch dicke Kapuzenjacke. Ganz im Gegenteil: Unauffällige Kleidung, lange Haare und drahtig vom Körperbau. Er wirkte eher wie der nette Herr im Supermarkt, der Ungeduldige in der Schlange bei der Kasse vorlässt. Mit charmantem Lächeln und ein wenig Schalk im Mundwinkel. Der Käptn sang über griechische Mythologie, Wahnsinn, Erleuchtung, Fabelwesen, Monster, Socken und weitere mehr oder minder surreale Themen. Manchmal klang das nach Hiphop, dann nach Alternativ Rock, zwischendurch ein Drum’n’Bass oder Dancehallstück à la Seeed. Plötzlich ging das Licht an und er lieferte sich mit dem Perkussionisten ein Battle-Rap. Danach legte er einen gekonnten Freestyle hin und im nächsten Moment wurde er besinnlich. Hielt er gerade eine Philosophievorlesung? War das Ganze eine Dada-Vorstellung oder drehte er das Wörterbuch durch den Fleischwolf? An der Grenze dieser Kategorien tänzelte der Käpt’n gekonnt auf dem schmalen Grad. Hans-Maria feierte, als gäbe es kein Morgen mehr. Passend gewählt war übrigens auch die Vorband des Käptns und seinen Tentakeln. Das Trio „Dlé“ hatte sich als griechische Götter verkleidet und inszenierten eine Mixtur aus Theateraufführung und HipHop-Party. Sie sangen von König Tantalos, der die Götter erzürnte und über fünf Generationen hinweg verflucht wurde. Vom Hawaiihemd über den Ganzkörper-Lederanzug bis zur Tarnjacke reichten ihre Kostüme. Dieser Abend hatte einfach alles, was das Herz von Hans-Maria erfreute.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8. Dezember 2017. Von Hermann-Luc Hardmeier.