Wohl die amüsanteste Pause in der Geschichte des Stadttheaters

Die Satirekünstler Mike Müller und Viktor Giacobbo legten sich am Donnerstag im Stadttheater auf die Therapiecouch. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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(Foto: Selwyn Hoffmann. Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Ihr seid kein Publikum, ihr seid bloss Gaffer!“ Mit markigen Worten ging Mike Müller in der zweiten Halbzeit auf die Gäste im Stadttheater los. Und Viktor Giacobbo ergänzte: „Ihr seid schuld daran, dass wir uns nicht mehr vertragen.“ Die Köpfe waren rot, die Stimmen laut und die Therapie der zwei Schauspieler schien kurz vor dem Scheitern. Doch was hatte zu diesem Eklat geführt? Am besten gehen wir der Reihe nach. Von 2008 bis 2016 flimmerte acht Jahre lang am Sonntagabend die Satiresendung Giacobbo/Müller auf SRF in die Wohnzimmer. Plötzlich war Schluss. Die zwei Künstler waren befreit und hatten nun Zeit für neue Projekte. Doch auf ihrer „Therapy Tour“ erzählen die zwei eine ganz andere Geschichte. Mit Dominique Müller von der fiktiven „Darsteller und Mimengesellschaft“ arbeiten die Satire-Rentner an ihrem Comeback auf der Theaterbühne. Damit ihnen der Verband diese Neuorientierung gestattet, sind sie zu Therapiesitzungen mit Dominque Müller verpflichtet. „Mike hat derzeit nur eine provisorische Betriebsbewilligung, und Viktor mussten wir mit der Spitex herbringen lassen“, scherzte der Therapeut über seine Patienten. Völlig ratlos standen die zwei vor dem Publikum, weil ihnen ihre Bürostühle von ihrer alten Sendung nach dem Betreten der Bühne nicht zur Verfügung standen. Als Mike sodann auch seine geliebte Kaffeemaschine nirgends finden konnte, verlor er die Fassung. Müller und Giacobbo nörgelten solange herum, bis ihnen der Therapeut nicht nur die Originalstühle aus der Sendung, sondern auch die Kaffeemaschine vor die Nase stellte. 1:0 für die Schauspieler. Doch es sollte nicht der letzte Streich des selbsternannten Mediziners gewesen sein. Dani Ziegler, der musikalische Sidekick aus der Sendung, brachte seine zwei ehemaligen Chefs aus der Ruhe. „Nur wegen deiner ewigen negativen Einstellung habe ich zugenommen“, warf ihm Mike Müller vor. Doch der Bassist war in Höchstform. Ziegler schwärmte von seinem Soloprogramm und liess sich ausgiebig über die Marotten seiner Ex-Bosse aus. In kleinen Portionen schlüpften Giacobbo und Müller in ihre Kultrollen Fredy Hinz, Toni Brunner und Hanspeter Burri. Sie stritten, debattierten und sorgten für viele Lacher im Verlaufe des Abends. Die zwei stärksten Momente der Show waren sicherlich, als sich die zwei Schauspieler schlagfertig den Fragen der Zuschauer stellten und als sie die ganze Pause durchspielten. Kaum einer im Publikum wagte aufzustehen. Denn jeder, der ein Getränk holen oder aus WC gehen wollte, wurde gnadenlos und scharfzüngig ins Visier genommen. Das war wahrscheinlich die amüsanteste Pause, die es jemals im Stadttheater Schaffhausen gegeben hat. Ob die zwei ihre Bühnenlizenz schlussendlich erhalten haben und ob die Therapie geglückt ist, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 28. April 2018.

 

Keine braven Fischstäbli, sondern bissige Piranhas

Am Samstag fuhr die Band Hecht mit ihrer Kawasaki durch die Ohren der Besucher in der ausverkauften Kammgarn. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Voll, voller, ausverkauft! Auf ihrer aktuellen Tour spielt die Mundartpop Band in elf Städten und bei jedem Konzert gehen die Tickets weg wie frisch gebackene Schoggigipfeli. Es gab fast kein Durchkommen mehr im Saal, als die Vorband „Landro“ am Samstagabend die Bühne betrat. Der 20-jährige Frontmann und sein DJ rappten sich in die Herzen der Zuschauer und krönten den Auftritt mit dem Song „Holunderblüetesirup“, der derzeit die Charts rauf und runtergespielt wird. Dann wurde es sehr, sehr dunkel. Mit Blitzlicht, unter lautem Gekreische und Applaus stürmten die fünf Hecht-Musiker auf die Bühne. „Alles, was ich mir wünsche, ist auf der Bühne der Kammgarn zu sterben. Wir sind sehr glücklich hier!“, sang Stefan Buck und heizte damit gleich von Beginn an ein. Es war unglaublich, welche Energie und Power die Formation verströmte. Wie auf Knopfdruck herrschte eine begeisterte Stimmung im Saal. Schon beim 2. Song „Oh Boy“ fragte Stefan Buck rhetorisch: „Wie lange braucht es, bis man in Schaffhausen Stagediving machen kann?“ Die Antwort wartete er gar nicht erst ab. Er sprang in die Menge und wurde auf den Händen von der Bühne bis in die Mitte des Saales und wieder zurück getragen. Während seiner Surfaktion auf den Partytatzen sang er indes unvermindert weiter. Die Band hat eine harmonische Kombination von sanfter Stimme, eingängigem Keyboard, knackigem Schlagzeug und fetzenden Gitarrenriffs, kombiniert mit sonoren Bassschwingungen, die in die Hüfte gehen. In Schaffhausen sind die Musiker zudem keine Unbekannten. 2013 spielten sie noch in familiärer Vertrautheit am Openair Grüschfang in Hallau. Dann kam 2015 ihr Riesenhit „Adam + Eva“ und sie wurden nach ihrem nationalen Durchbruch 2016 ans „Stars in Town“ gebucht. 2018 werden sie erneut am Openair auf dem Herrenacker auftreten. Der Mundartpop von Hecht trifft offenbar den Nerv der Zeit. Er ist weder patriotisch noch ländlich angehaucht, sondern erzählt in einer frischen Art und blumigen Sprache über Liebe, Beziehungen, das Reisen und den Alltag. Die Texte sind eingängig und reissen jeden locker vom Hocker. Hecht sind keine braven Fischstäbli, sondern eher bissige Piranhas. Auf der Bühne in der Kammgarn gaben sie nonstop Vollgas. Sie animierten die Gäste zum Mitklatschen, zum Tanzen im Takt von links nach rechts, zum Kauern auf dem Boden und zum energetischen Aufspringen und Ausflippen. Mehrfach verliessen die Musiker die Bühne und spielten inmitten des Publikums. Ihre Hits Seespringen, Radio Beromünster und Gymnastique erklangen. Nach einem Sololauf von Keyboarder Daniel Gisler näherte sich der Abend dem Siedepunkt. Bei der Zugabe brodelte der Saal, als der Hit Kawasaki erklang und die Band tauchte für einen Song auf einer Minibühne beim Lichtpult auf. „Kammgarn, den letzten Refrain singen wir alle zusammen, bis die Hütte vibriert“, forderte Stefan Buck von der begeisterten Menge. Es regnete Konfetti von der Decke und unter euphorischem Applaus bedankten sich die Besucher für den bombastischen Abend.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 9. April 2018.