Talentshow: Plötzlich flog die Perücke durch die Luft

An der sechsten Ausgabe der „Open-Stage“-Show im Orient begeisterten am Freitagabend einmal mehr die Künstler das Publikum.

„Ich bin total nervös“, scherzt ein Gast, als Moderator und Zauberkünstler Lorios ihn fragte, ob er sich auf den Abend freue. Der Besucher namens „Gigi“ wusste noch nicht, dass er später selber auf der Bühne stehen würde. Doch der Reihe nach. Als erster betrat Yves Keller alias „Chäller“ das Podest. Der Comedian und ehemalige Radio Munot – Chefredaktor witzelte über die seitenlangen «WhatsApp»-Nachrichten seiner Mutter, über seine Zivildiensterlebnisse mit dem Rentner und Flirtkönig Herr Moser und vieles mehr. Danach war es Zeit für den Singer/Songwriter Marco Clerc. Dieser hatte eine Handfeste Überraschung im Gepäck. Nach seinem Evergreen „Just another Folk Song“ verriet er dem Publikum, dass er sich sein ganzes Leben schon verstelle: Nun sei es Zeit, sein wahres Ich zu zeigen und den Rockstar herauszulassen. Er griff in den Gitarrenkoffer und setzt sich eine blonde Kurt Cobain – Perücke auf. Im Truckerfahrer-T-Shirt und voller Haarpracht sorgte er sodann mit dem Cover von «Wicked Game» von Chris Isaak für Schmunzeln und viele Lacher. Marco Clerc gab alles und rockte auf der Bühne so enthusiastisch, bis ihm die Perücke vom Kopf flog. Das nennt man dann wohl, vollen Körpereinsatz zeigen. Nach diesem fulminanten Auftritt kündigte sich der Moderator Lorios gleich selber an und präsentierte einen verblüffenden Zaubertrick mit einem imaginären Kartenspiel und drei mysteriösen Briefumschlägen. Nach der Pause kam sodann der Knüller: Kabarettist Jan Rutishauser begann harmlos mit ein paar Scherzchen, bis am Schluss zu seinen Songs aus der Reihe „defekte Liebeslieder“ alle mitklatschten und applaudierten. Das war schon fast das Ende. Doch da war doch noch was…Ach ja: Der Gast vom Anfang: Der Moderator erklärte, dass er im Publikum zwei Talente für die Show suche und fand diese in «Rock-Ruth» und «Gigi». Sie durften ihm bei einem Zaubertrick assistieren, einen Witz erzählen und zu guter Letzt war eine Playbackshow angesagt. Gigi, der bei einer Rockband singt, liess sich das nicht zweimal sagen und machte aus der Playback-Show gleich eine Karaoke-Nummer. Den Schluss des Abends gestaltete Alex Nauva, der eine Indietronic-Musikshow zeigte, die sich gewaschen hatte. Dies bot einen schönen Kontrast zum bisher eher wortlastigen Abendprogramm. «Das war einmal mehr ein genialer Abend», freute sich Moderator Lorios nach dem Ende der gelungenen Veranstaltung.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 25.11.2017.

Theaterkritik: Rasante Jagd nach dem Piratenschatz

Das 2. Stück des Szenario-Ensembles namens „Die Schatzinsel“ sorgte im Fasskeller für Begeisterung. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Die Crew auf dem Schiff der Schatzsucher gerät durch Piraten in Bedrängnis (Foto: Phillip Schmanau, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Wow, das haut mich einfach um“, freute sich ein Gast nach der Vorstellung von „Die Schatzinsel“ am Samstagabend im Fasskeller. „Das Bühnenbild, die Requisiten und der viele Text, den sich die Schauspieler merken müssen – da bin ich baff.“ In der heutigen Zeit, in welcher viele Menschen gerade einmal ihren Handy-Pin-Code“ auswendig können, beeindruckt ein Theaterbesuch aus verschiedenen Gründen. Doch das wichtigste ist nach wie vor, dass die Gäste von einer spannenden Geschichte, einer packenden Dramaturgie und einem mitreissenden Spiel der Protagonisten gefesselt werden. Sie sollen die Emotionen des Stücks mitfühlen können. Ganz anders als im Kino springt der Funke im Theater viel leichter von der Bühne auf die Zuschauerränge. Und genau das ist den fünf Schauspielern unter der Regie von Manuela De Ventura und Xenia Ritzmann vorzüglich gelungen. Die Jagd nach dem Schatz des verstorbenen Piraten Käpt’n Flint sorgte für gute Unterhaltung. Als in einer Gaststätte ein Matrose starb, tauchte plötzlich die legendäre Schatzkarte auf. Der Sohn der Restaurantbesitzerin, der Arzt und der Friedensrichter kauften ein Schiff, heuerten eine Crew an und machten sich auf die Reise. Dumm nur, dass ihr Plan aufgeflogen war und ihre Mannschaft aus ehemaligen Piraten von Käpt’n Flint bestand, die ihnen bei der erstbesten Gelegenheit an die Gurgel wollten. Die Ausgangslage war spannend und das Abenteuer konnte beginnen. Der Roman des schottischen Autors Robert Louis Stevenson wurde von Josha Schraff ins Schweizerdeutsche übersetzt und dem Team der Theatergruppe Szenario auf den Leib geschrieben. Vielleicht war man damit dem Original noch näher als mit anderen englischen Theaterversionen, denn schliesslich war Stevenson die Idee für die Story bei einem Kuraufenthalt in Davos 1880/1881 gekommen. Bei der Umsetzung des Stücks für Schaffhausen war spannend, dass in der Geschichte selber fast nur Männerrollen vorgesehen sind, bis auf Josha Schraff aber nur Frauen im Szenario-Ensemble mitmachen. Zudem mussten jeder mehrere Rollen spielen, was der Aufführung eine zusätzliche Dynamik gab. „Das war schon eine Herausforderung“, erklärte Fanny Nussbaumer, die in die Rolle des grimmigen Piraten Long John Silver und der Restaurantbesitzerin geschlüpft war. „Was mich zusätzlich forderte, waren die vielen Requisiten. Man musste im richtigen Moment ein Fass über die Bühne ziehen, ein Brett aufhängen oder den Revolver an der richtigen Stelle deponieren. Da musste man immer zu 200% bei der Sache sein.“ Intensiv war nicht nur, was auf der Bühne passierte, sondern auch, was im Vorfeld gelaufen war. „Wir haben ein halbes Jahr lang geprobt, in den letzten zwei Wochen vor der Hauptprobe täglich“, erklärte Regisseurin Manuela De Ventura. „Zwischendurch hatten wir vom Fasskeller schon ein wenig den Kellerkoller, aber wir sind sehr glücklich und zufrieden mit der Première und den bisherigen Aufführungen.“ Die Anzahl der Vorstellungen ist übrigens streng limitiert, damit nicht nur das Publikum, sondern auch die Schauspieler hungrig gehalten werden können. Eine frischgebackene, knusprige Pizza bleibt schliesslich auch viel besser in Erinnerung, wenn man sie nach zwei Stücken dem Tischnachbarn weitergeben muss. Die interessante und humorvolle Aufführung der Schatzinsel bereitete den Besuchern einen tollen Abend und man wartet bereits ungeduldig auf den nächsten Streich des Szenario-Ensembles.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 18.11.207.

Ein spannender Krimi aus der „Theaterchuchi“

„Sie werden in zwei Wochen sterben!“ Mit dieser niederschmetternden Diagnose verlässt Herr Strotz die Sprechstunde seines Arztes. Der Inhaber einer bedeutenden Pharmafirma befindet sich am Abgrund seines Lebens und weder Geld noch Einfluss kann ihm zu diesem Zeitpunkt helfen. Der Versuch, seinem Sohn die Diagnose mitzuteilen, scheitert kläglich. Das Gespräch endet im Streit, denn der Sohn verprasst das Firmenvermögen lieber für teure Luxusschlitten und Partys, anstatt mit seinem Vater das Unternehmen auf Kurs zu halten. Zudem plant er die Pharmafirma nach China zu verkaufen, damit er noch mehr Bargeld für sein vergnügliches Leben zur Verfügung hat. Die Ausgangslage für den Krimi namens „Matt“ war interessant und fesselte die Zuschauer in die Theatersessel.

Im „Kino Theater Central“ in Neuhausen startete an diesem Abend die Spielsaison der „Theaterchuchi“. Ziel dieser Institution ist es, Jugendlichen das Theaterspielen zu ermöglichen. Sie sollen damit nicht nur eine unbeschwerte Zeit erleben, sondern auch ihr Selbstvertrauen durch das Arbeiten im Team und durch Auftritte vor Publikum stärken. Geleitet wird die „Theaterchuchi“ von Ruedi Widtmann. Er freute sich sehr, dass alles geklappt hat: „Heute Abend spielt die ältere „Theaterklasse“ ihren Krimi. Sie haben das Stück selber geschrieben und entwickelt. Ich habe lediglich einige Leitplanken gesetzt, damit es gut spielbar wird.“ Die fünf Schauspieler hatten den Krimi nicht nur mit Spannung und Humor umgesetzt, sondern auch dramaturgisch einen interessanten Kniff vorgenommen. Die drei goldenen Theaterregeln von Aristoteles von Raum, Zeit und Ort wurden bewusst aufgebrochen. In 22 Szenen bzw. Bildern spielten die Jugendlichen im Büro, im Elternhaus, im Sprechstundenzimmer, in einer Bar und sogar kurz im Publikum. Sie machten Zeitsprünge, setzten stellenweise auf Gleichzeitigkeit und vollführten dynamische Personenwechsel. Das alles gab dem Stück Tempo und Energie. Der Pressesprecher der Firma war zugleich auch Erzähler des Theaters. Zwischendurch wandte er sich ans Publikum, in anderen Szenen spielte er mit einem Mitarbeiter der Firma Schach. Genauso wie auf dem Brett Figur um Figur fiel, so eskalierten die Ereignisse mit Erpressung, einem Selbstmordversuch und einem Autounfall auch im Theaterstück. Das Schachspiel war quasi eine Parabel für die Geschehnisse auf der Bühne. Und wie im Spiel mit Turm, Reiter und Bauer der Gegner irgendwann Schachmatt geht, so wurden auch der Firmenboss und sein flegelhafter Sohn „Matt“ gesetzt. Als kleine Kritik sei gesagt, dass das Ende der Handlung vielleicht ein wenig zu geradlinig verlief. Insgesamt war das Theater mit dem philosophischen Abschluss durch den Erzähler aber sehr stimmig und eine wirklich beeindruckende Leistung der jungen Schauspieltalente.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 5. September 2017.