Funk und Soul bis die Decke bebte

Der Soulmusiker „Seven“ rockte am Freitag vor 400 Gästen zum 3. Mal in der „Kammgarn“ Schaffhausen. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

«Als wir das erste Mal in der Region spielten, waren wir extrem überrascht, wie gut unsere Musik ankam. Deshalb freuen wir uns sehr auf den Auftritt», sagte Sänger Seven vor dem Konzert beim Interview. Jan Dettwyler, wie der Künstler mit bürgerlichem Namen heisst, kam am Freitagabend mit fünf Musikern in die Kammgarn. Gleich beim ersten Stück hatte der 37-Jährige die Herzen der Zuhörer gewonnen. Die Mischung aus Funk, Soul und R & B begeisterte die gut 400 Besucher. Würde man Michael Jackson, Prince, Jamiroquai und James Brown in einen Mixer werfen, dann käme genau die Mischung heraus, welche Seven den Gästen servierte. Darauf angesprochen, musste Seven schmunzeln. «Als ich als siebenjähriger Knirps von meinem grossen Bruder eine Michael-Jackson-Kassette hörte, fing ich sofort Feuer. Ich wollte einen Hut, Handschuhe und weisse Socken wie Michael und imitierte seine Tanzbewegungen wie den Moonwalk vor dem TV zu Hause. Das war der Zeitpunkt, als der Zauber der Black Music mich erfasst hatte und bis heute nie mehr losliess.» Seven erklärt, dass ihn bei Funk und Soul die Kombination von Verträumtheit und powervollen Beats fasziniere. Er bediene sich auch sehr gerne in anderen Genres, doch der Grundtenor bleibe stets der gleiche. So spielte Seven am Freitagabend nicht nur eine gute Auswahl aus seinen 162 Songs, die er in den letzten 14 Jahren geschrieben hat. Nein, das wäre ihm zu einfach gewesen. Er hat einige Lieder auch speziell verändert, so beispielsweise «Walking with you» oder den Hit «Lisa», welchen seine Band in einer Reggaeversion spielte.

Nicht nur begeistert – euphorisch

Die Gäste waren nicht nur begeistert, sondern geradezu euphorisch. Dies zeigte sich beispielsweise darin, dass ein schlichtes «Guten Abend Schaffhausen» zur Begrüssung genügte, um laute Jubelschreie und grossen Applaus auszulösen. Es wurde getanzt und mitgesungen. Spätestens beim Song «Cool Guy» bebte die Kammgarn. Der Musiker wirkte sehr sympathisch und zeigte  alles andere als eine One-Man-Show. Auch seine Band rückte er immer wieder ins Zentrum. So sang der Perkussionist bei einem Lied plötzlich lautstark und gekonnt den Refrain, die Keyboarderin setzte zu einem Synthesizersolo an, und den Drummer Massimo Buonanno lobte Seven so lange, bis das Publikum lautstark «Massimo, Massimo» zu rufen begann. Seven besiegte den «Röschtigraben» vor der Bühne, schaffte es, dass alle Sitzenden auf der Kammgarntreppe zum Tanzen aufstanden, und begeisterte die Zuhörer. «Das war wahrscheinlich schon jetzt das beste Konzert des Jahres», bilanzierte Besucher Loris Brütsch enthusiastisch.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 11. April 2016.

Power-Opa mit viel Rock’n’Roll im Gepäck

Der Bluesrock-Star Mungo Jerry nahm das Kulturlokal Kammgarn in Schaffhausen am Freitagabend auf einen fetzigen Ausflug in die Seventies mit. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Mungo Jerry mit einer seiner vier Gitarren. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Wow, diese Frisur! Doch am Freitagabend beeindruckte nicht nur der riesige Afro auf dem Kopf des Bandleaders Mungo Jerry. Der Musiker rockte von der ersten Sekunde an. Die 350 Gäste in der Kammgarn feierten ihn, als wäre man in die Zeitmaschine gehüpft und in die Seventies zurückgereist. Ray Dorset, wie der Engländer mit bürgerlichem Namen heisst, spielte zeitweise vier Instrumente und hatte neben Mundharmonika, Rassel und Pfeife vier Gitarren dabei. Sein Keyboarder griff beherzt in die Tasten, sein Bassist liess die Bauchtöne schwingen und der Schlagzeuger knackte, knallte und rumpelte, dass kein Fuss der Zuschauer stillstehen konnte. „Rock’n’Roll all night long“, schrie er den begeisterten Zuhörern entgegen. Mit seinem aufgestellten Kragen, dem offenen Hemd und seiner Bühnenshow würde man dem Künstler nicht geben, dass er bereits 70 Jahre alt ist. Nach der Pause musste der Bluesrocker sogar das Outfit wechseln, so verausgabt hatte er sich. Mit seinen Hits „Lady Rose“, „Baby Jump“, „Alright, Alright, Alright“ oder „Mighty Man“ feuerte er dem Publikum ein. Der Sound der Band war so authentisch, dass den Besuchern spontan Koteletten wuchsen und sich die Jeans zu Schlaghosen dehnten. Man hatte fast vergessen, dass sein grösster Chartstürmer „In the Summertime“ noch gar nicht gespielt worden war. Die saftigen und kernigen Songs begeisterten und führten dazu, dass jedes Lied mit grossem Applaus quittiert wurde. „Den nächsten Song kennt ihr von den Platten eurer Oma“, scherzte Mungo Jerry zwischendurch selbstironisch. Und überhaupt: Der Star war bestens gelaunt. Die Minute, in welcher Mungo Jerry kein Lächeln mehr im Gesicht hat, wird wohl die Welt untergegen. Denn das scheint undenkbar. In den zweieinhalb Stunden spielte er so leidenschaftlich, dass ihm sogar sein Armbändchen aufplatzte und zu Boden fiel. „Ich bin echt gerne hier. Ihr seid grossartig“, freute sich der Künstler. Und selbstverständlich flogen ihm alle Herzen entgegen, als er endlich seinen Hit „In the Summertime“ spielte. Den Refrain sang jeder mit und vergass, dass man sich in der Kammgarn und nicht am Woodstock-Open-Air oder in einem Bluesrock-Keller in London befand. Nach dem Konzert gab Mungo Jerry Autogramme, posierte für Fotos und unterhielt sich mit den Gästen. Unter anderem mit Tom Albatros Luley, mit welchem er über seinen Auftritt vor neun Jahren im Dolder2 sprach. „Er ist nicht nur ein grossartiger Musiker, sondern auch ein super Entertainer“, schwärmte Luley. „ Das war ein toller und grandioser Abend, ich komme gerne wieder“, bilanzierte Mungo Jerry später im Gespräch. Schaffhausen würde sich freuen.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 4. April 2016.

 

Lachmuskeltraining bei Goethes „Faust“

Von Hermann-Luc Hardmeier. Im Stadttheater Schaffhausen inszenierten zwei Schauspieler „Faust“ werktreu und dennoch zum Brüllen komisch.

„Egal wie dicht du bist, Goethe war Dichter.“ Dies ist einer der wenigen Witze, die man über den Jahrhundertschriftsteller kennt. Der Spruch ist weder von ihm selber noch aus seiner Zeit, sondern geistert als Witz auf Facebook und anderen sozialen Plattformen durchs Internet. Das einzig Wahre daran ist die Anspielung auf Goethes Alkoholkonsum. Ansonsten alles falsch, denn Goethe war nicht lustig. Bis jetzt nicht. Am Mittwochabend änderte dies schlagartig. Michael Quast und Philipp Mosetter lasen das Stück „Faust“ im Stadttheater und schafften den Spagat zwischen Humor und Werktreue par excellence. Zwei Männer, zwei Schreibtische – ein Buch. Der Vorleser Michael Quast kam vergnügt, pfeifend und Donald Duck imitierend auf die Bühne, gefolgt vom Intellektuellen Philipp Mosetter mit Anzug, Krawatte und ernstem Gesicht. Voller Energie, voller Melodramatik und Hingebung begann Quast mit der Lesung, und wurde sofort von Mosetter gebremst. „Faust ist ein Klassiker. Der Klassiker schlechthin“, sagte er und insistierte, dass der Vorleser das Werk auch dementsprechend vortragen müsse. Allein die ersten drei Worte von Faust musste er etwa fünf Mal wiederholen, bis er den berühmten Seufzer „ach“ richtig auszusprechen vermochte. Damit er in Stimmung kam, musste er sich vorstellen, den Text als alter zittriger Mann ohne Zähne zu rezitieren. Das Publikum hatte Tränen in den Augen vor Lachen. In der Schülerszene oder in der Person des Mephistopheles sind zwar einige dezent witzige und augenzwinkernde Episoden im Faust angelegt. Doch was die beiden Schauspieler im Stadttheater aus dem historischen Stoff machten, war völlig unerwartet. „Genial“, kommentierte ein Zuschauer das Schauspiel in der Pause und ein anderer meinte: „Sie machen es humorvoll, ohne das Stück zur Sau zu machen. Es wird dem Werk gerecht.“ Philipp Mosetter gab den biederen Literaturkritiker. Immer wieder unterbrach er den Vorleser mit Hinweisen auf Vokabeln, Zusammenhänge und Hintergründe. Lustigerweise immer genau dann, wenn Michael Quast so richtig in Fahrt gekommen war. Im Studierzimmer sprach er mit einer Handpuppe, die dem Teufel eines Kasperli-Theaters verdächtig glich, in der Hexenküche imitierte er Affen und Katzen, er spielte eine Bluesband oder einen Geist, der überall gleichzeitig seine Stimme haben musste. Ein herrliches Talent, das nur einmal stockte: „Diese Stelle verstehe ich nicht.“ – „Das ist eine Sexualmetapher“, konterte der Herr der Fussnoten. Und gleich konnte man wieder das Feuer in den Augen des Vorlesers brennen sehen. Die zwei unterhielten köstlich und spielten die wichtigsten Szenen des Buches. Es war eine grossartige Erfahrung für die Zuschauer, dass nicht nur die intellektuelle, sondern auch die witzige Seite von Goethe zu begeistern vermochte.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 1. April 2016.