Wenn SMS, Facebook und Twitter stören

Von Hermann-Luc Hardmeier. Immer mehr Schweizer Firmen stellen Regeln für den Handygebrauch am Arbeitsplatz auf. In Schaffhausen sieht es anders aus, wie eine Nachfrage von Hermann-Luc Hardmeier für die Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ zeigt.

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Bild: Allgemeine Regeln für den Handygebrauch am Arbeitsplatz gibt es nur in wenigen Schaffhauser Firmen. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Schaffhausen. Am Arbeitsplatz private SMS verschicken, während der Sitzung einen Tweet absetzen oder kurz überprüfen, wie die aktuelle Auktion bei Ricardo
verläuft – immer mehr Firmen klagen schweizweit über das Problem des privaten Handygebrauchs am Arbeitsplatz. Diese Beobachtung macht auch Produktivitätstrainer Willy Knüsel bei seinen Kunden. Zu ihm kommen grosse und kleine Firmen, um ihre Sitzungen effizienter zu gestalten. «Das Handy am Arbeitsplatz ist ein Problem», bestätigt er. Um konzentriert und störungsfrei arbeiten zu können, entwickelt er darum mit seinen Kunden Benimmregeln für den Umgang mit Smartphones und privaten Laptops. Damit ist er nicht allein: So hat etwa der Milchverarbeiter Emmi Empfehlungen
zum Umgang mit Mobiltelefonen an Sitzungen erlassen.

Regeln unnötig 

In Schaffhausen sieht man das Problem offenbar wesentlich entspannter, wie eine kleine Umfrage bei hiesigen Unternehmen und Institutionen zeigt. «Allgemeine Regeln für den Gebrauch des Mobiltelefons in Sitzungen gibt es nicht. Doch steht es dem Sitzungsleiter frei, den Gebrauch der Handys einzuschränken», erklärt Heidi Elsenhuber, Leiterin Medien und Publishing bei Georg Fischer. Auch bei den Finanzdienstleistern scheint es keinen Handlungsbedarf zu geben. «Wir haben
keine Regeln», erklärt Daniel Brüschweiler von der Raiffeisenbank Schaffhausen.
«Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand. In Anwesenheit von Kunden beispielsweise ist der Gebrauch des privaten Handys nicht angezeigt.»

Bei Jungen wie bei Erwachsenen

Daniel Brüschweiler erlebt den Umgang seiner Mitarbeiter mit dem Smartphone im Allgemeinen als diszipliniert. «Was mich gelegentlich schon gestört hat, ist der Eingangston von Mails, für jedermann hör- oder spürbar, wenn der ganze Tisch vibriert. Und mir fällt auf, dass vor allem junge Leute in der Pause lieber am Handy etwas machen, als mit den Kollegen zu kommunizieren.» Diese Beobachtung führt zur Frage, ob der private Mobiltelefongebrauch vor allem bei jungen Mitarbeitern problematisch
ist. Dem widerspricht René Schmidt vom KV Schaffhausen. «Sieht man einen jungen Menschen am Handy, glaubt man, er sei am Gamen oder schreibe SMS. Aber ist es etwa bei Erwachsenen anders?» Deshalb ist für René Schmidt auch klar, dass der
Handygebrauch am KV nicht speziell geschult werden muss. «Wir bringen den Lernenden vernünftige Verhaltensregeln bei.» Die Devise gilt: Wer den Knigge beherrscht, der merkt auch, in welchen Situationen der Gebrauch des Smartphones unanständig ist. René Schmidt räumt zudem ein, dass ein Verbot während des Unterrichts die Konzentration zwar verbessere, ein generelles Verbot aber sinnlos sei: «Im Betrieb, an Sitzungen und sogar im Parlament werden Mobiltelefone toleriert.
Eine Auseinandersetzung mit den Risiken ist also viel sinnvoller als ein Verbot.»

Schwierig bei Geschäftshandys

In einigen Firmen erhalten Mitarbeitende ab einer gewissen Funktionsstufe Geschäftshandys. «Dort ist es schwierig zu unterscheiden, was privat und was geschäftlich ist», erklärt Daniel Brüschweiler. Und deshalb werden bei Geschäftstelefonen auch Regeln aufgestellt: «Private Gespräche mit Geschäftshandys sind grundsätzlich auf ein Minimum zu beschränken», so Heidi Elsenhuber. Doch da die Mehrheit der Mitarbeiter keine solchen Smartphones besitzt, kann man noch nicht von einem Trend zu mehr Regeln sprechen. Aufgrund der Rückmeldungen der Schaffhauser Firmen kann man ein

zitat

Fazit ziehen: In der Munotstadt scheint derzeit noch nicht die Zeit für allgemeine
Handybenimmregeln oder sogar ein Verbot angebrochen zu sein. Treffend fasst Daniel Brüschweiler die aktuelle Situation zusammen: «Ich hoffe, dass wir dieses Thema noch möglichst lange auf einer Vertrauensbasis bewältigen können.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ a 26.3.2015 im Ressort „Regionale Wirtschaft“.

Ein Abenteuer mit viel Curry und noch mehr Wurst

Von Hermann-Luc Hardmeier: Ein Erzähltheater rund um die Entdeckung der Currywurst begeisterte die Zuschauer im Kulturlokal „Alti Fabrik“ in Flaach. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Jaap Achterberg führt gekonnt, faszinierend und spannend als One-Man-Show durch den Abend. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier).

Sie ist Kult. Sie ist legendär. Und sie ist lecker. Die Currywurst. Doch wer hat sie eigentlich erfunden? Um diese Frage streiten sich seit langem die deutschen Städte Berlin und Hamburg. Die Frage mag auf den ersten Blick banal erscheinen, doch für Liebhaber der Kultwurst ist sie mindestens so grundlegend wie das Rätsel darüber, ob zuerst das Huhn oder das Ei die Welt besiedelte.

Um diese historische Streitigkeit ein für alle Mal zu klären, hat der Autor Uwe Timm 1993 eine Novelle darüber verfasst. Sie wurde für die Bühne bearbeitet und der Schauspieler Jaap Achterberg führte das Stück am Freitagabend in Flaach im Lokal „Alti Fabrik“ im Soloprogramm vor. Ein Stuhl ein Tisch, ein Glas Wasser und 80 Minuten Spielzeit reichten ihm völlig aus, um den Mythos Berlin zu zerstören und die Entstehung der Mahlzeit in Hamburg zu „beweisen“.

Hitler und die Currywurst

Alles begann mit dem Selbstmord von Hitler. Was? Wie bitte?, möchte man sich fragen. Warum der Tod des Diktators und bekennenden Vegetariers bei der Entdeckung der harmlosen Currywurst mitverantwortlich sein sollte, dazu musste Jaap Achterberg weit ausholen. Der Ich-Erzähler traf die ehemalige Imbissbudenbesitzerin Lena Brücker im Altersheim. Dort erzählte sie ihm die Geschichte der Currywurst, die eigentlich eine Liebesgeschichte ist. Kurz vor Kriegsende traf Lena Brücker 1945 in Hamburg den Soldaten Hermann Bremer. Nach einer erotischen Nacht beschliesst er, bei ihr zu bleiben und sich bis Kriegsende bei ihr zu verstecken. Eine Liebesbeziehung beginnt. Als sich Hitler wenig später das Leben nimmt und die Kapitulation bevorsteht, fürchtet Lena Brücker um die Beziehung. Und sie macht eine Folgenschwere Entscheidung.

Parallelen zu Lenin und Schlink

Fast drei Wochen lang verheimlicht sie ihrem Geliebten das Kriegsende. Ähnlich wie im Film „Good Bye Lenin“, bei welchem der Sohn der Mutter vorspielt, dass die DDR noch nicht untergegangen sei, beginnt nun auch Lena Brücker ein falsches Spiel. Mit fiktiven Meldungen vom Frontverlauf gaukelt sie Bremer vor, der Krieg dauere an und die Deutschen kämpfen nun gemeinsam mit Engländern und Amerikanern gegen die Russen. Und hier zeigt sich eine zweite Parallele zu einem bekannten Buch: Wie beim Werk „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink geht das falsche Spiel kombiniert mit der sexuellen Abhängigkeit eine Weile lang gut, doch irgendwann muss es zwangsläufig scheitern. Als Bremer vom Betrug erfährt, packt er seine Sachen und verschwindet.

Currywurst war ein Unfall

„Und was hat das ganze bitte mit der Currywurst zu tun?“, stellt sich Jaap Achterberg selber die rhetorische Frage. Eigentlich nichts. Und doch ein wenig. Lena Brücker eröffnet nach dem Krieg einen Imbissstand und muss in einem komplizierten Tauschgeschäft Würste und Ketchup organisieren. Durch den Handel gerät sie in den Besitz einer grossen Dose Currypulver. Beim Transport stolpert sie auf der Treppe. Sie fällt und das Curry mischt sich mit dem Ketchup. Weil Bremer ihr erzählte, Curry helfe gegen Depressionen, probiert sie tränenüberströmt von der Unfallmischung: Et voilà! Ob man die Geschichte glauben mag, ist jedem selber überlassen. Jaap Achterberg hatte wunderbar gespielt, erhielt viel Applaus – und das Publikum ging mit grossem Hunger nach Hause.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 23.3.2015 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

Theaterkritik: Hommage an eine beeindruckende Frau

Von Hermann-Luc Hardmeier: Im Kulturlokal „Kammgarn“ in Schaffhausen zeigte die Schauspielerin Graziella Rossi am Freitagabend ein spannendes Verwirrspiel mit zwei prominenten Nebenfiguren. Eine Theaterkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

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Bild: Graziella Rossi zeigte als Sabina Spielrein alle Facetten ihres schauspielerischen Könnens. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier, Foto: Selwyn Hoffmann)

Wer den Namen Sigmund Freud und C.G. Jung hört, denkt an vieles, aber nicht an eine heimliche Liebesaffäre mit einer Patientin. Doch genau in solch ein heikles Thema waren die zwei Psychoanalytiker im Stück „Sabina Spielrein“ verstrickt. Sabina Spielrein ist eine Jüdin, die 1885 in Russland geboren ist. Als sie sechs Jahre alt ist, stirbt ihre Schwester und Sabina kommt in die Nervenheilanstalt „Burghölzli“ nach Zürich. Behandelt wird sie dort von Carl Gustav Jung, in welchen sie sich später verliebt. Es beginnt eine heimliche Affäre mit dem Verheirateten, in welche Sigmund Freud via Briefkontakt später als Streitschlichter einzugreifen versucht. Als wäre dieser Sachverhalt noch nicht anspruchsvoll genug, kommen nun zwei erschwerende Faktoren dazu: Man stelle sich das Leben von Sabina Spielrein und die Affäre mit C.G. Jung als Zeitstrahl vor, der zerschnitten und wild durcheinander gewürfelt wird. Das ganze vorgetragen auf Englisch. Dies waren die Zutaten, mit welchen die Schauspielerin Graziella Rossi jonglierte und während 90 Minuten die Gäste am Freitagabend in der Kammgarn unterhielt. Unterstützt wurde sie dabei von einem Saxophonisten und einem grossen braunen Koffer, der die einzige Requisite war. Das Stück war vom Schauwerk organisiert worden und basierte auf den Briefen von Sabina Spielrein. Diese wurden in einem grossen braunen Koffer gefunden, welcher die Schrecken der Verfolgung und Ermordung von Sabina Spielrein durch die Nazis 1942 überdauert hatte. Daraus wurde ein Monolog von der norwegischen Autorin Liv Hege Nylund geschrieben. Dieser bildet die Basis des Theaterstücks. Die Briefe waren sodann auch das dramaturgische Element, welche jeweils einen Zeitsprung ankündigte. Die Zuschauer mussten sich stark konzentrieren, um die parallel verlaufenden Handlungen in ungeordneter Reihenfolge miterleben zu können. Was zu Beginn sehr anstrengend war, machte aber – je länger das Stück dauerte – den Reiz aus.

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Bild: Es war verblüffend, wie wandelbar Schauspielerin und das Stück sich präsentierten. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Graziella Rossi spielte sehr gut und schaffte es, jeden der Handlungsstränge spannend zu inszenieren. Sie sprach zudem ein klares und deutliches Englisch, dem man gut folgen konnte. Langsam bewegten sich die verschiedenen Lebensabschnitte von Sabina Spielrein aufeinander zu und es war sehr interessant zu sehen, welche Wendungen sie dabei nahmen. Graziella Rossi hüpfte nicht nur in der Zeit, sondern auch in verschieden Rollen. Mal war sie ein russischer Kommissar, der die berufliche Existenz von Sabina Spielrein in Moskau zerstört, dann Freud, Jung oder die Hauptperson. Insgesamt war das anspruchsvolle Stück sehr spannend und gefiel den Gästen gut. Auch die Organisatoren waren zufrieden: „Es war grossartig“, freute sich Katharina Furrer vom „Schauwerk“.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen am 16. März 2015 in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“.

 

 

Konzertkritik: Der Gitarrengott auf dem Stuhl

Von Hermann-Luc Hardmeier. Beim Auftritt des Bluesrockes Popa Chubby im Club „Kammgarn“ in Schaffhausen wurde Hochkarätiges geboten. Eine Konzertkritik von Hermann-Luc Hardmeier.

Auf der Bühne gemütlich auf dem Stuhl sitzen und Gitarre spielen, während die Menge kocht und im Takt applaudiert. Das war am Freitagabend die Lieblingspose von Popa Chubby in der Kammgarn. Der begnadete Bluesrock-Gitarrist spielt das Saiteninstrument wie kein Zweiter. Es war also kein Wunder, dass der New Yorker die Aktionshalle der Kammgarn problemlos füllen konnte. Er liess sich stimmgewaltig ankündigen: Er nannte sich „The Master of Desaster“, „The Beast from the East“ oder der „The Chubbfather“ in Anlehnung an den Film „The Godfather“. Doch die angekündigte Bestie war eigentlich ganz handzahm und angenehm. Vor dem Konzert stand er am Merchandising-Stand, verteilte Autogramme, posierte bereitwillig für Fotos und war auch für ein Schwätzchen zu haben. Auf der Bühne imponierte er zwar mit seiner Körpermasse, seinen Tattoos und dem Charly-Chaplin-Zylinder, doch seine Stimme war sanft, als sei sie mit Honig geölt. Ein bisschen provokativ war sicherlich sein Gitarrengurt, auf welchem eine Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger zu sehen war. Doch war das vielleicht auch ein Symbol dafür, dass er sich keinen Deut um Regeln und Konventionen scherte.

Die Gäste waren begeistert

Wenn er Lust hatte, dann sass er auf dem Stuhl und gab von dort aus sein Konzert, wenn er ein Solo spielte, dann konnte das auch einmal zehn Minuten dauern. Einige fanden das viel zu lange, andere bejubelten genau dieses virtuose und kreative Spiel ihres Gitarrengottes. Er bediente sich neben Bluesrock auch bei Hardrock-, Reggae- und HipHop-Elementen, coverte in seinem eigenen Stil auch ab und an ein Jimy- Hendrix – Stück. Die Gäste waren begeistert. Alle klatschten den Takt, als wäre im Saal ein riesiges Metronom am Purzelbäume schlagen. „It’s good to be here“, rief Popa Chubby in die Menge. Als ihm ein Gast ein Bier anbot, lehnte er dankend ab und trank einen Schluck Wasser. Keine Frage, Popa Chubby hat seine Droge in der Musik gefunden und eine ganze Kammgarn damit angesteckt.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 2. März 2015.