Dem Zorn eine Stimme gegeben

Die Band Knöppel trat am Freitag laut fluchend vor vollen Rängen in der Kammgarn Schaffhausen auf. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Jack Stoiker sieht zwar harmlos aus, doch seine Wortwahl haut den Zuhörer vom Hocker. Wenn seine Band Knöppel aus dem Autoradio beim Vorbeifahren dudelt, dann springen Rentner zur Seite, Zahnärzte schliessen die Fenster ihrer Praxen und Mamis halten ihren Kindern am Strassenrand verzweifelt die Ohren zu. In den Liedern wird derart deftig geflucht, dass Adolph Freiherr Knigge im Grab am liebsten gleich einen Salto gemacht hätte. Beleidigungen, Manipulationen am Unterleib, Fäkalien und unzüchtige Wörtchen aller Arten unterhielten die Kammgarnbesucher am Freitagabend knapp drei Stunden lang. Eigentlich erstaunlich, denn Jack Stoiker alias Daniel Mittag wirkt auf den ersten Blick nicht so, als sässe eine betrunkene Seeräuberbande auf seinen Stimmbändern. Er arbeitet als Wirtschaftsinformatiker, ist Politiker bei Grünen in Fribourg und Familienvater mit Jahrgang 1973. Wie passt dieses „gesittete“ Leben mit diesen vulgären Texten zusammen? Es muss eine Art Ventil sein. Auf der Bühne will er «die Sau rauslassen», wie er selber sagt. Zudem verweist er auf amerikanische Raptexte, bei welchen das F-Wort nonstop fallen würde. Im Vergleich dazu sind Jack Stoikers Texte eigentlich nur Durchschnitt. Den Kammgarnbesuchern gefiel es enorm. Der Duden wurde mit dem Mähdrescher überfahren, der verbale Anstand ausgepeitscht und der Sittenwächter schüttete sich Aromat in die Augen, damit er nicht hinsehen konnte. Aber: Jeder von uns flucht im Alltag. Sei es wegen der Steuerrechnung, dem Tritt in ein Hundehäufchen oder wegen der langsamen Supermarkt-Kassiererin. Knöppel gibt unserem Zorn eine Stimme. Vielleicht ist es genau das, was den Reiz dieser Band ausmacht: Knöppel ist ehrlich. Und das ist gut so.

Von Hermann-Luc Hardmeier, erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8. Oktober 2018.