Weniger ist manchmal mehr – # Ist das Schweizer Wort des Jahres

Von Hermann-Luc Hardmeier: Warum die Jury das Twitter-Zeichen # zum Wort des Jahres gewählt hat.

wortdesjahres2

Foto: Hazel Brugger war in der Jury 2014. (Foto: srf.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Jedes Jahr erwartet die Schweiz mit Spannung die Wahl zum Wort des Jahres. Weit mehr als 1000 Vorschläge haben 2014 die Jury erreicht und nun sind die Würfel gefallen. # sprich „Hashtag“ ist der Sieger bzw. die Siegerin. Hmm, woher kommt einem das Symbol denn eigentlich bekannt vor? Jaja, natürlich von Twitter, doch da war doch noch was anderes. Ah ja, richtig. Diese gekreuzten Linien bilden doch die Grundlagen des Tic-Tac-Toe-Spiels. Genau, das mit den Kreisen und Kreuzen, das überlebenswichtig für so viele langweilige Schulstunden war. Und nun ist es also Schweizer Wort des Jahres: Bravo! 2015 kommt dann wahrscheinlich 4-Gewinnt als Wort des Jahres und 2016 Mikado. Oder Monopoly.

wortdesjahres

Foto: Der gute alte „Gartenhag“ wurde zum Wort des Jahres. (Foto: srf.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Hashtag wird von älteren Menschen noch als „Gartenhag“ bezeichnet und vom helvetischen Mundwerk als „Häsch-Täg“ ausgesprochen. Da kann man sich einen plumpen Kneipenwitz nicht ersparen: Bob Marley hatte manchmal auch seine Häsh Täg, hahahaha.

Wortwitz beiseite und weiter geht’s: Das Zeichen erlangte seine Berühmtheit in den sozialen Medien wie Twitter, Instagram und Facebook. Es gilt quasi als Postleitzahl für Gruppenmeldungen. In der Funktionsweise eine Weiterentwicklung des @-Zeichens, welche die E-Mails jeweils an den richtigen Adressaten weiterleitet. Kurz gesagt: # passt zu unserer heutigen Kommunikation und für den Wunsch des Verdichtens und Zeitsparens. Anstatt ein lustiges Foto mit dem Kommentar zu versehen: „Marc und Peter haben Spass in den Ferien“, wird das Ferienfoto kurzerhand mit #fun gekennzeichnet und jeder weiss Bescheid. Für die Jury bestehend aus dem Autoren Martin Suter, dem Schriftsteller Pedro Lenz, Ursula Schubiger vom Radio SRF, Daniel Quaderer, Bänz Friedli und Poetryslammerin Hazel Brugger steht der Begriff sinnbildlich für eine Gesellschaft und vor allem für eine Jugend, die rasch auf den Punkt kommt und für eine zunehmende Verdichtung der Sprache. Der Wunsch nach Schlagworten schlägt sich sozusagen in der Sprache nieder. Weniger ist manchmal mehr? Wenn man der Jury glaubt, dann auf jeden Fall.

jury2014

Foto: Die Jury 2014. (Foto: srf.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

Selfie ist zu banal

Es wurde eine Flut von Begriffen eingereicht und nach einigen Stunden wurden danach die Entscheidungen gefällt. Leicht gemacht hat man sich es dabei nicht, denn auch das Wort „Selfie“ hatte einen starken Anspruch auf das oberste Treppchen des Podests angemeldet.

„Das ist mir jetzt eine Spur zu banal“, sagt Bänz Friedli, der seit 12 Jahren der Jury angehört. Es wäre seiner Meinung nach „das Naheliegendste“ und man sollte es sich als Jury nie zu einfach machen. „Man muss sich in 20 Jahren daran zurückerinnern und wird sich hoffentlich nicht mehr an diesen Stadtpräsidenten erinnern, der sein Handy nicht im Griff hatte“, sagte er und verweist augenzwinkernd auf den Skandal um das Nack-Selfie von Politiker und Stadtammann Geri Müller.

Unwort des Jahres: Dichtestress

Was wäre die Wahl des Wort des Jahres ohne ein Unwort des Jahres? „Dichtestress“ wurde von bürgerlichen Politikern Ende 2013 aus der Versenkung gezaubert. Ursprünglich stammt es aus der Tierwelt, doch es wurde eingefangen, gezähmt und darf nun für Pro- und Contra-Argumente für politische Initiativen an der Leine geführt werden. Beispielsweise für die „Masseneinwanderung“ oder „Ecopop“. Dabei wären doch genau diese zwei Begriffe herrliche Anwärter für Unwörter des Jahres gewesen. Dicht gefolgt von „Food Porn“ und nach den grauenhaften Ausstrahlungen von gewissen Flirt-Sendungen auf „drei +“ würde ich auch gerne „Bachelor“ dazuzählen. Die Jury ist des öffentlichen Gebrauchs des Wortes „Dichtestress“ müde und kritisiert völlig zu Recht, dass man in an einem gemütlichen Ort wie der Schweiz noch nie wirklich einen echten „Dichtestress“ erlebt hat.

Satz des Jahres: Es bleibt unbeständig

Die Meteorologen bei SRF sprechen manchmal, als seien sie mit dem Mähdrescher über den Duden gefahren. Wortkreationen, bis zum Rand angefüllt mit heisser Luft sind keine Seltenheit. Denn was soll ein Satz wie „Es bleibt unbeständig.“ schon aussagen? Irgendwie ein Widerspruch, wenn etwas bleiben soll, gleichzeitig aber unbeständig ist. Oder nicht? Diese Ambivalenz gefiel auch der Jury und der Seiltanz zwischen Regen, Sonne, Hochs und Tiefs beschreibe und charakterisiere doch eigentlich ganz herrlich die Grosswetterlage in der Schweiz.
Doch nun genug der Gartenzäune, unbeständigen Wetterlagen und gestressten Dichtern. Ich sag jetzt nur noch #Feierabend.

Von Hermann-Luc Hardmeier

hardmeier_tabellewortdesjahres_hermann+luc

Foto: Die Übersicht über die bisherigen Preisträger. (Foto: srf.ch, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)