Exkursion ins Bundeshaus

Am Mittwoch reiste Geschichtslehrer Luc Hardmeier mit der BMS ins Bundeshaus. Im Rahmen des Politikunterrichts nahmen sie an einer Führung durch das Parlamentsgebäude teil, trafen einen Ständerat und durften ihm Fragen stellen. Die Veranstaltung diente der Vertiefung des Unterrichts und stiess auf grosses Interesse. Alles in allem ein spannender Tag in der Hauptstadt der Schweiz.

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Tanzstimmung bei der musikalischen Entdeckungsreise

Im Schaffhauser Club „TapTab“ fand am letzten Wochenende das Musikfestival „KW43“ statt. Von Hermann-Luc Hardmeier.

«Ja! Endlich wieder KW43», freute sich Mitveranstalter Pascal Bührer über das hauseigene Musikfestival im TapTab. In der Kalenderwoche 43 von Donnerstag bis Samstag lud der Kulturclub auch dieses Jahr zu einem bunten Mix aus Livemusik an die Baumgartenstrasse. «Das Grundprinzip lautet, die Besucherinnen und Besucher müssen und sollen sich überraschen lassen», erklärt Pascal Bührer. «Wir haben bewusst verschiedene Musikrichtungen mit bekannten und unbekannten Bands kombiniert, damit die Gäste die ganze Bandbreite des TapTabs erleben.» Zudem achtete man auf ein faires Geschlechterverhältnis auf der Bühne und moderate Eintrittspreise. Am Donnerstag startete die musikalische Entdeckungsreise mit Alternative Rock von «Disco Doom» und Garage Rock von «BatBait». Die zwei Formationen stimmten die Besucher bereits früh auf das Wochenende ein und manch einer erschien nach der wilden Feier am Freitagmorgen wohl mit Augenringen im Geschäft. Am Abend ging es sogleich weiter mit HipHop von «Quinze Quinze», EDM sowie Pop vom «Kalabrese & Rumpel-Orchester» und Elektro-Folk von «Taxi Kebab». Es herrschte Tanzstimmung, bis die Füsse glühten. Keine Kehle blieb trocken und wer nach den Bands immer noch nicht genug hatte, genoss die Afterparty bis um 5 Uhr morgens. Am Samstag eröffnete den Abend «Z the Freshmen + Hotel Samar» mit R’n’B und das Publikum freute sich extrem über «Baby’s Berserk», welche eigentlich schon am Saisonschluss des TabTabs hätten spielen sollen, damals aber den Flieger verpassten. Ihre Punkklänge wurde abgelöst von «KT Gorique» mit HipHop und Dancehall. Einziger Wehrmutstropfen von KW43 war, dass die Lokalmatadoren vom «Lo Fat Orchestra» absagen mussten. Der Bassist hatte sich den Arm gebrochen. Abgesehen davon war das Musikfestival ein voller Erfolg und besonders schön war es anzusehen, dass die Besucher die Idee der Veranstaltung schätzten und sich offen zeigten, ihren typischen Musikgeschmack hinter sich zu lassen, um Neues zu entdecken. Jammerschade, dass am Sonntagabend die KW43 bereits endete. Nach so viel Abwechslung und Livemusik hätten viele Gäste ohne Probleme auch in die KW44 hinein weitergefeiert.

Von Hermann-Luc Hardmeier, erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 7. November 2022.

«Unser Feuer brennt unermüdlich!»

Der radikal umgebaute «Jugendchäller» in Schaffhausen öffnet am Samstag unter dem Titel «klub 8». Das neue Team will den Raum nicht als Partymeile, sondern als neues Kulturzentrum betreiben. Von Hermann-Luc Hardmeier.

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Vor der Neueröffnung arbeiten Cyrill Wortmann, Dogukan Karatas, Maurice Corbach, Raoul Mökli und Yannick Vuga. (v.l.n.r.) vom klub 8 – Team bis zur letzten Minute fieberhaft, damit jedes Detail stimmt und perfekt zur Geltung kommt. (Foto: Hermann-Luc Hardmeier, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Die Leute sollen «wow» sagen, wenn sie den klub 8 betreten», freute sich Yannick Vuga auf die Neueröffnung. «Wir versuchten, möglichst viel vom neuen Innenleben geheim zu behalten und «posteten» auch nichts darüber auf Social Media.» Die Überraschung ist der neuen Mannschaft des ehemaligen Jugendchällers gründlich gelungen. Beim Eingang begrüsst einen das imposanteste Kassenhäuschen der Stadt, die Bar wurde versetzt, die Bühne herausgerissen, das Lichtpult schwebt in der Höhe und, und, und. Das neue klub 8 – Team besteht aus 10 Freunden, ein bunter Mix aus Studenten und Handwerkern im Alter von 20 bis 25 Jahren. Während 10 Monaten haben sie sich die Finger wund geschuftet, jedes Wochenende, jeden Feierabend und jede freie Minute verbrachten sie im Gewölbe der Safrangasse 8.

Die Strassennummer war sodann auch der Namensgeber des neu aufgefrischten Lokals. «Ich dachte ein paar Mal, jetzt ist dann Schluss. Wir stiessen an unsere Grenzen», erklärte Raoul Mökli. Als gelernter Zimmermann übernahm er die Bauführung und instruierte seine Mitstreiter. Mit einem Schreiner und einem Elektriker waren zwar einige erfahrene Arbeiter an Bord, mit einer «normalen» Baustelle war der klub 8 jedoch nicht zu vergleichen. «Das Konzept wurde laufend entwickelt. Planung und Umsetzung liefen parallel und wir haben überall ein bisschen angefangen», lachte Maurice Corbach. «Es ging nicht anders, denn wir haben immer wieder stundenlang diskutiert und Kompromisse gesucht, was wir wie umsetzen wollten.» Die neue Position der Bar im Raum und wie sie auszusehen habe, war dabei einer der Hauptknackpunkte. «Einig waren wir uns nur in einem: Wir wollten eine radikale Veränderung und einen Neustart», erklärte Yannick Vuga. So riss das Team die alte, teilweise verschimmelte Inneneinrichtung heraus. Bezahlt wurde das von Ersparnissen, vielen Spenden und 50 000.- aus dem Kulturfonds der Windler-Stiftung. «Im Nachhinein war es ein Glücksfall, dass wir vor dem klub 8 eine Baustelle hatten», erklärte Dogukan Karatas. «Wir bekamen grosszügig nicht gebrauchtes Baumaterial, durften Werkzeuge ausleihen und für den Transport des Maurermörtels half man uns sogar mit dem Kran aus.» Zu normalen Baustellenpreisen hätten sie sich den Umbau unmöglich leisten können.

Kulturlokal statt Partytempel
Die 10 Freunde haben früher zusammen Partys organisiert. «Schon damals waren wir mit HipHop, 2000er, Goa oder Techno» sehr breit aufgestellt und wollen das auch in den klub 8 einbringen», so Karatas weiter. «Der Raum wird nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich komplett verändert», erklärt Yannick Vuga. «Wir wollen wieder regelmässige Events wie Poetryslams, Konzerte, Kunstausstellungen und natürlich auch Partys veranstalten. Maurice Corbach ergänzt: «Der klub 8 wird mit einem vielfältigen Angebot ein Kulturzentrum für alle Altersgruppen werden und kein Partytempel.» Unter der Woche soll der klub 8 auch wieder zusammen mit der Jugendarbeit als Jugendtreff genutzt werden. Der Umbau war für das zehnköpfige eine enorme Belastungsprobe und nach der Eröffnung am Samstag geht die Arbeit erst richtig los. Zudem könnte der klub 8 auch als Konkurrenz wahrgenommen werden. «Uns ist es wichtig, dass wir ein Miteinander und kein Gegeneinander wollen», so Maurice Corbach. «Unser Angebot ist so breit, dass wir niemandem in die Quere kommen. Wahrscheinlich wäre es aber sinnvoll, sich da und dort abzusprechen.» Yannick Vuga bilanziert: «Wir sind durch den Umbau als Freunde extrem zusammengewachsen und bereit für den Start. Das Feuer in uns für neue Ideen und Pläne brennt unermüdlich. Wir können es kaum erwarten, loszulegen.»

Geschichte des Jugendkellers
1965: Eröffnungsfeier (26. November) nach zwei Jahren Bauzeit
1972: Zwischenzeitliche Schliessung des Jugendkellers wegen Gewalt- und Drogenproblemen
1975: Nochmalige Schliessung
1983-1988: Renovation und Wiedereröffnung
2001: Wegen Finanzproblemen gibt der Verein den Raum an die Stadt zurück
2001-2005: Nur noch Fremdveranstaltungen + Vermietung
2005: Umfassende Renovation mit neuer Bar, Bühne usw.
2006: Wiedereröffnung unter dem Namen «Chäller»
2022: Radikaler Umbau und Neueröffnung als «klub 8»

Eröffnungsdaten

  • 29. Oktober: Opening-Party (Soft-Opening, nur mit Voranmeldung)
  • 4. November: Offizielle Eröffnungsfeier: Ab 17 Uhr Tag der offenen Tür. Jeder ist willkommen, um sich den Umbau anzuschauen. Ab 19 Uhr Präsentation + formelle Eröffnung
  • 5. November: Erste Party und offizieller Start des klub 8

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichte“ am 24.10.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Ein musikalischer Vulkanausbruch

Die Berner Band „The Monsters“ brachten die Erde in der Kammgarn am Freitagabend zum Zittern. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Deftig, hart und powervoll waren die Klänge, die am Freitagabend in der Kammgarn zu hören waren. Den Anfang machte die Vorband Kabuki Joe aus Zürich, die gleich die Abrissbirne auspackten und mit voller Wucht auf die Trommelfelle der Zuhörer einhämmerten. Dort wo das Schlagzeug stehen sollte, wütete ein kleiner Tornado. Die teuflisch brennende Gitarre und der glühende Bass sorgten dafür, dass die Besucher gnadenlos in den Punkrock-Partykessel gezogen wurden. Der Sänger sprang wild auf der Bühne, hob die Bierflasche und rief: «Kommt nach vorne zum Tanzen. Ihr seid noch etwas scheu, aber wir werden euch schon einheizen.» Er sollte rechtbehalten. Das Publikum taute auf und liess sich von den vier Musikern mitreissen. «Ihr macht uns verdammt glücklich», freute sich der Frontmann zum Schluss und überliess die Bühne den «Monsters» aus Bern. Das Trio war sehr stylisch gekleidet. Weisses Hemd, Krawatte und ein roter Anzug erinnerten ein bisschen an den Rock’n’Roller und «Rock around the Clock»-Erfinder Bill Haley. Doch die Monsters beschritten mit Psychobilly eine ganz andere musikalische Schiene. Sie knüppelten gleich los und verwandelten die Kammgarn in eine Headbanging-Sauna der Extraklasse. Ihr Auftritt glich einem musikalischen Vulkanausbruch. Sie explodierten gleich mehrfach und die heisse Lava brannte auf ihrem Weg von der Bühne ins Publikum alles weg, was nicht tanzen konnte und keine Oropax trug. Texte waren bei den Monsters eher eine Seltenheit, es wurde geschrien, geröchelt und gefaucht. Emotionen standen im Mittelpunkt. So verwunderte es dann, dass für ein Melodienstück auf vorgedruckten Bierdeckeln ein Songtext verteilt wurde. Die Songzeilen zum «Yellow Snow Drink» wurden von den Gästen enthusiastisch mitgesungen. Frontmann «Beat-Man» war begeistert vom Einsatz der Besucher und rief heiser ins Mikrophon: «Mit euch ist es unglaublich angenehm zum Feiern.» Keine Frage, dieser Abend war nichts für Freunde von Kuschelrock. Gnadenloses Schwermetall, ekstatischer Punkrock und sprudelnder Gerstensaft standen auf dem Programm. Ein Gast brachte es gut auf den Punkt, indem er am Schluss meinte: «Die Lawine hat mich mitgerissen, es war wirklich Klasse.»

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 24. Oktober 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Mit Emil ist sogar die Steuererklärung ein Gaudi

Comedy-Urgestein Emil Steinberger zeigte am Montagabend in Dachsen, dass er auch noch mit 89 Jahren das Publikum zum Lachen bringen kann. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Alle wollten ihn sehen. Die Mehrzweckhalle in Dachsen war am Montagabend restlos ausverkauft. 270 Gäste waren für den Auftritt des Urgesteins der Schweizer Comedyszene gekommen. Steinberger ist nicht nur bekannt durch seine zahlreichen, jahrzehntelange Bühnenshows, sondern auch durch seine Rolle im Film «Schweizermacher» oder sein einjähriges Gastspiel im Zirkus Knie. Mit seinem Programm «Emil schnädered», tourt er derzeit durchs Land und gibt nochmals einen vielfältigen Einblick in sein Können. «Sie werden mir nicht glauben, was mir heute in Dachsen passiert ist», begann Emil seine Erzählungen. Als er im hiesigen Café bei einer Zeitungslektüre und einem koffeinhaltigen Getränk entspannen wollte, setzte sich eine Frau zu ihm und prellte zum Schluss die Zeche. Als er sie vor der Tür zur Rede stellen wollte, wurde er prompt verhaftet, da ihn die Dame angezeigt hatte. Die unglaubliche Geschichte war humorvoll erzählt und Emil löste zum Schluss auf: «Ich habe Ihnen einen Bären aufgebunden.» Der Mix aus echten Begebenheiten und erfundenen Geschichten, die durchsetzt mit lustig nachgespielten Alltagsbeobachtungen waren, sind eine Stärke von Emil. Egal ob er ein neuzeitliches Märchen erzählt, in welchem Aschenbrödel zusammen mit Schneewittchen ein Nailstudio eröffnet und zum Schluss der Schweizer Post der Nobelpreis verliehen wird, oder ob er sich über das Wort Kohlensäure aufregt. Emil ist auch mit 89 Jahren eine Wucht. Immer wieder lässt er durchblicken, dass er trotz weissen Haaren im Herzen ein schelmischer Lausbube geblieben ist. Er zieht den Abbau des Service Public durch den Kakao oder macht sich über Weinkenner lustig, die mit Ausdrücken wie «Der Wein schmeckt nach Karamell, Schokolade, aber auch Liebstöckel und Essigstich», wichtig und mondän auftreten. «Wer will schon einen Wein mit Essigstich?», mokierte er sich. Einer der stärksten Momente der Show war, als Emil einen genervten Ehemann spielte, der eine Hochzeitskarte für ein befreundetes Paar verfassen sollte. Er dachte sich die lustigsten Kombinationen aus, welche sich reimen könnten. Zwischendurch stritt er sich mit der imaginären Ehefrau, welches Hochzeitsgeschenk gekaufte werden soll und warum sie um Himmels Willen dieses Paar überhaupt kenne. «Wegen diesem Seich geht mein ganzer Samstag flöten», fluchte er. Danach setzte Emil an zu einer Mathematiklektion, bei welcher er anschaulich die Mengenlehre erklärte: «Ein Kreis sind Zürcher, ein Kreis ist Kalbfleisch. Was ist die Schnittmenge?» – «Züri Geschnetzeltes», rief das Publikum im Chor. Im zweiten Teil des Abends hatten einige Programmpunkte ein wenig an Schwung und Biss verloren. Vielleicht war die Aufführung mit zwei Stunden ohne Pause ein wenig zu lange geraten. Mit einem sehr amüsanten Rollenspiel, bei welchem ein Paar eine Steuererklärung ausfüllte, und mit einer Vielzahl von Zugaben schickte der Comedy-Meister jedoch alle Zuschauer beschwingt und vergnügt nach Hause.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 12.10.2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Raketen und Rock’n’Roll zum Abschluss

An der Dernière der «Summer Music Nights» in Schaffhausen rockten die Bands den Cuba-Club nochmals kräftig. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Luciano Di Fabrizio und Ronny Bien im Cuba-Club. (Foto: Roberta Fele, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

«Es war einfach super», bilanziert Ronny Bien von der Bandunion den Verlauf der «Summer Music Nights». Zusammen mit Luciano di Fabrizio hat er im Salzstadel die diesjährige Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. An 18 Abenden gab es 36 Konzerte zu sehen und zu geniessen. «Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht», erklärt Ronny Bien. Da wegen den Umbauarbeiten beim Stadtgeviert der jährliche Konzertmarathon namens «Streetmusic Nights» an der Safrangasse nicht stattfinden konnten, wich man an den Salzstadel aus und taufte die Veranstaltung «Summer Music Nights». Das Gässli-Fest mit dem Charme von einem kleinen Locarno zog auf die Ferieninsel Salzstadel am Rhein um. «Wir mussten innovativ sein, sind aber mit der Lösung sehr glücklich», so Ronny Bien. «Die Kombination von Musik, Rheinblick und Verpflegung kam sehr gut an. Einige Stammkunden buchten im Voraus einen Tisch gleich für alle 18 Abende.» Die Bands konnten sich über ein Wetterglück und über grosses Zuschauerinteresse freuen. Nur zweimal mussten die «Summer Music Nights» wegen Regen in den Cuba-Club umziehen. «Schade, dass es gerade am Dernière-Abend sein muss, aber wir beklagen uns nicht», so Ronny Bien. Während im Cuba-Club am Donnerstag die Shadoogies mit Rock’n’Roll die Zuschauer einheizten, blickte der Veranstalter auf die Highlights und Erlebnisse zurück. «Einmal hatten wir 350 Besucher, das war schon heftig. Die Band «DenManTau» hat uns alle total überrascht, und genau am Hardrockabend regnete es so heftig, dass wir das Konzert nicht ganz fertig spielen konnten.» Nicht zuletzt war er auch mit seinem eigenen Auftritt als Mr. Mojo zufrieden. Sein Blues-Rock setzte die Tanzfläche damals in Brand. Keinen unwesentlichen Anteil hatte dabei das Team der Frisbee-Weltmeisterschaft, die zufällig am Salzstadel waren und mächtig gute Stimmung verbreiteten. «Die Konzertreihe war nicht nur super für die Gäste, sondern auch für die Gastgeber», freute sich Luciano Di Fabrizio. «Ich geniesse es, neue Bands und neue Musik kennenzulernen. Die wenigsten Besucher gehen gezielt wegen einer Formation, sondern eher wegen dem Ambiente und dem Gesamtpaket.» Neben der Musik gab es nämlich auch leckeres Essen an den Foodständen und ganz gratis einen nahezu perfekten Sonnenuntergang über der Eisenbahnbrücke zu bestaunen. Keine Frage, die «Summer Music Nights» haben das Schaffhauser Kulturleben bereichert und einen deftigen Farbtupfer in die Stadt gebracht. Das genossen die Gäste nochmals ausgiebig am Donnerstagabend im Cuba-Club, wo die Rockets als zweite Band mit irischen Partyklängen bis tief in die Nacht die sechste Ausgabe der Konzertreihe ausklingen liessen. «Und eines ist klar», sagte Luciano Di Fabrizo zum Schluss: «Die Streetmusic Nights» kommen nächstes Jahr wieder.»

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Samstag, 1. Oktober 2022. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Der Balkan-Schnellzug ohne Bremsen

Die bekannte Balkanband „Dubioza Kolektiv“ spielt am Freitag in der Kammgarn. Für sie ist Musik mehr als nur Dekoration. Eine Konzertvorschau von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: „Dubioza Kolektiv“ macht Texte, in denen sowohl Politik als auch Humor eine wichtige Rolle spielen. (Foto: zvg, Bericht: Hermann-Luc Hardmeier)

„Am Freitag könnt ihr Tanzstimmung, Schweiss, Rakija, laute Trompeten, schwere Gitarren, verdrehte Trompeten und ganz viel Energie erleben.“ Brano Jakubovic von der Band „Dubioza Kolektiv“ verspricht vollmundig, dass die Party des Jahres bevorsteht. Doch wer ist die Combo, die jeweils mit acht Musikern die Bühnen Europas rockt? Das Licht der Welt erblickte das Kollektiv im Jahr 2003 in Bosnien-Herzegowina. Ihr musikalischer Cocktail beinhaltet eine deftige Portion Balkan-Partysound, aber auch einen Schuss Ska, eine Prise Punk, ein Löffelchen Reggae und einen Spritzer Hiphop. Abgerundet wird das Getränk mit einem Strohhalm und Schirmchen, welche in elektronischer Musik gebadet wurden. In eine musikalische Schublade möchte die acht Künstler auf keinen Fall gesteckt werden. Das wäre laut ihrer Aussage nicht nur eine Einschränkung des kreativen Potentials, sondern auch ziemlich langweilig.

Interessant ist auch der Bandname, der sich aus dem serbokratischen Slangwort „dubioza“ und der Musikrichtung „Dub“ zusammensetzt. Es heisst soviel wie seltsam, aber auf eine mysteriöse Art auch interessant. Egal, wo die Combo auftaucht, bricht kollektive Euphorie aus. Warum das so ist, kann sich die Band auch selbst nicht so richtig erklären. „Wir haben keine Musiktheorie studiert und sind keine Berufsmusiker. Wir sind eine Mischung aus Punks und Gastarbeiter. Wir haben keine Ahnung, warum man uns so feiert. Aber wir arbeiten wirklich hart dafür“, erklärt Brano Jakubovic.

Songs sollen politisch sein

Wenn man die Texte der Band anhört, dann zeigt sich sofort der Tiefgang. Sie wollen nicht nur berieseln und unterhalten. Sie äussern sich beispielsweise lautstark und kritisch gegen Nationalismus auf dem Balkan. Für sie ist es unverständlich, dass man nicht endlich zu Nachbarn, Brüdern und Schwestern zusammenwächst und die Vergangenheit hinter sich lässt. Jeder Song der Band hat eine ganz spezifische Botschaft. „Neuste medizinische Untersuchungen haben ergeben, dass der Mensch gleichzeitig tanzen und sein Gehirn benutzen kann“, scherzt Brano Jakubovic. „Wenn Musik nur Dekoration ist, dann ist es eine langweilige Zeitverschwendung.“ Ergänzen möchte er zudem, dass politisches Engagement nicht immer ernst sein muss. Humor spielt sowohl in den Texten also auch an den Shows von „Dubioza Kolektiv“ eine wichtige Rolle. Deshalb kommt es auch immer wieder vor, dass es während den Auftritten kleine Pausen gibt, in welchen die Musiker eine amüsante Geschichte erzählen oder sich in kurzen Stand-Up-Comedy-Nummern versuchen. Die Spontanität hat jedoch auch ihre Tücken. Einmal brach Brano Jakubovic mitten auf der Bühne am „Arsenal Festival“ in Serbien in Tränen aus. „Es war die erste Show nach eineinhalb Jahren Corona-Zwangspause. Ich habe den Zuschauern erzählt, wie wichtig Livemusik sei und dass ich glaube, das Internet könne niemals Live-Events ersetzen. Da hat es mich mit voller Wucht gepackt. Vor 10 000 Leuten. Es war extrem befreiend.“

FC Schaffhausen-Shirts?

Auf den Werbeplakaten tragen „Dubioza Kolektiv“ Fussballshirts in den Farben des FC Schaffhausens. Kann es sein, dass man in Bosnien-Herzegowina unseren Club verehrt? Brano Jakubovic muss lachen. „Nein, nein. Die Farben sind Zufall. Gelb und Schwarz sind einfach gute Kontrastfarben, die uns auf der Bühne sichtbar machen.“ In Deutschland habe man sie bereits gefragt, ob sie wegen der Farbkombination Dortmund-Fans seien. Auch dies konnte er guten Gewissens verneinen. Den Mannschaftsgedanken tragen sie aber dennoch im Herzen. Auf der Tour gebe es kaum Streit und man löse Differenzen stets sachlich und effizient. „Voraussetzung dafür ist, dass wir jedem Bandmitglied einen Teilbereich zugewiesen haben, wo er der Chef und Alleinherrscher ist“, so Brano Jakubovic. „Somit haben wir klare Zuständigkeiten und müssen nicht abstimmen.“ Und dann sagt der Musiker einen Satz, der auch aus seinen Songs stammen könnte: „Democracy can be a bitch sometimes.“

Vollgas am Freitag

Der Balkan-Schnellzug wird am Freitag ohne Bremse auskommen müssen. Die Band verspricht, alles zu geben. Zum Tanzinferno wird sicherlich auch die Vorband „Palko Muski“ aus Schaffhausen sorgen. „Wir erwarten Partystimmung, laut Musik und Besucher, die ausflippen“, so Brano Jakubovic. „Wir sind erst zufrieden, wenn wir unseren österreichischen Freund und Terminator zitieren dürfen: „Ich komme wieder!“ Die Band wird zwar keine Kugeln wie Arnold Schwarzenegger benutzen, aber ihre Texte, ihre Musik und ihre Show werden dennoch treffsicher die Kammgarn in Brand setzen.

Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 19. September 2022.

Latino-Astronaut mit deftigem Hüftschwung

Der Sänger Loco Escrito brachte am Samstagabend das ausverkaufte „Stars in Town“ auf dem Herrenacker mit seinem Mix aus Reggaeton und Latino-Pop zum Tanzen. Ein Konzertbericht von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Er rockt, er animiert und feiert auf der Bühne: Loco Escrito. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier, Bild: Melanie Duchene)

„Er bringt den Sommer nach Schaffhausen“, freute sich Nora Fuchs, Pressesprecherin von Stars in Town. Cool und lässig mit Sonnenbrille, transparentem Flanellhemd und weissen Hosen betrat Loco Escrito die Bühne. 6500 Besucher auf dem ausverkauften Herrenacker wollten den Latino-Sänger mit kolumbianischen Wurzeln sehen. Mit seinen Songs wie „Adios“, „Sin Ti“ oder „Arriba“ öffnete er schnell die Herzen der Zuhörer. Nicolas Herzig, wie Loco Escrito mit bürgerlichem Namen heisst, hat kolumbianische Wurzeln. Spätestens seit 2020 sollte man seinen Mix aus Reggaeton und Latino-Pop kennen, da er in jenem Jahr mit seinem dritten Album „Estoy bien“ die Nummer eins der Schweizer Albumcharts erobert hatte. Am Stars in Town wurde zu seiner Musik getanzt und mitgesungen. Der Protagonist machte es auf der Bühne vor und legte einen Hüftschwung an den Tag, der Shakira vor Neid erblassen liesse. „Spanisch wird die fünfte Landesprache“, forderte der Sänger und ein begeistertes Echo schallte ihm entgegen. Loco Escrito war sichtlich glücklich mit der guten Stimmung im Publikum und sagte: „Schaffhausen, geht ab bis zum Mond rauf.“ Der Latino-Astronaut steuerte bei dieser rasanten Fahrt ins All das Raumschiff gleich persönlich. Mit an Bord war seine sechsköpfige Band. Auch sie waren bei der musikalischen Reise durch die Galaxie ganz in weiss gekleidet. Loco Escrito hatte sein Set so aufgebaut, dass er eher ruhig startete und danach kräftig aufdrehte. Ein erstes Ausrufezeichen setzte er mit dem Song „Mamacita“. Der Zuruf, den man in Südamerika an eine hübsche Frau richtet, war kollektiv im Refrain zu hören. Die Hände schnellten in die Luft und der Herrenacker hatte sich in einen Partyacker mit euphorischer Tanzstimmung verwandelt. „Bis jetzt habe ich euch verziehen, wenn ihr eure Energie gespart habt. Aber nun müsst ihr wirklich Vollgas geben“, rief der Sänger in die Menge und stimmte seinen Song „Contigo“ an. „Er rockt, er animiert, er feiert“, sagte Besucher Simon Thoma. „Er macht das extrem gut.“ Gleich vor der Bühne stand Alya Limacher, die ebenfalls begeistert war: „Es erinnert mich an mein Austauschsemester in Chile. Das Feuer der südamerikanischen Musik bringt er perfekt rüber.“ Songs wie „Punto“, „Tu mirada“ und „El Ayer“ folgten. Das Finale setzte Loco Escrito mit dem Lied „Amame“. Der Künstler hatte damit die Besucher wundervoll auf die kommenden Bands des Abends eingestimmt und mit seinem musikalischen Flammenwerfer das Eis zum Schmelzen gebracht.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am 8. August 2022.

Ein sehr leckerer Reggae-Cupcake

An der „Down by the River” feierten die Besucher einen Sommertag mit schwimmen, tanzen und einem Reggaekonzert am Samstag in der „Rhybadi“ Schaffhausen. Von Hermann-Luc Hardmeier.

Bildlegende: Die Rhybadi bot am Samstagabend ein schönes Ambiente für ein sommerliches Reggaekonzert. (Bericht: Hermann-Luc Hardmeier, Foto: Mike Kessler)

«Richtig erfrischend!», freute sich ein Gast, der soeben aus dem Wasser in der Rhybadi kletterte. Während am Samstagnachmittag die Sonne brannte und die Leute badeten, feuerte das Realrock-Soundsystem die ersten gemütlichen Reggaehits aus den Boxen. Die Veranstaltung «Down by the River» sorgte nicht für eine Revolution im beliebten Rheinbad, sondern transportierte die Besucher auf sanften Klangwolken Richtung Jamaika. «Die Rhybadi eignet sich super für eine solche Veranstaltung», sagte Claudio Burri vom Realrock-Soundsystem. Er erklärte, dass der Tag eigentlich aus drei Teilen bestehe. Das gemütliche Geniessen am Nachmittag, welches viele Familien anlocke, das Konzert für die Kulturfreunde und als dritten Teil die Afterparty mit DJs und Barbetrieb für die Tanzfreudigen. Die Veranstaltung findet nun zum 5. Mal statt und begeisterte die Besucher bereits mit den Bands Skarra Mucci (JAM), Basement Roots (CH), Jr. Tshaka (CH) und Samora (NED). «Für mich ein Highlight: Samora, die letztes Jahr bei uns in der Rhybadi gespielt hat und dieses Jahr auf den grossen Bühnen der Festivals, z.B. Afro-Pfingsten sowie Lakesplash auftritt», schwärmte Claudio Burri. Auch Stefano Domeniconi vom Rhybadi-Team ist zufrieden: «Down by the River zieht viele Besucher an, ohne dass wir dafür gross Werbung machen müssen. Viele Leute kommen schon Wochen zuvor und sagen, dass sie sich sehr darauf freuen. Die familiäre Stimmung und die good Vibes in der Luft sorgen jeweils für einen grossartigen Tag.»

Vom Snowboard auf die Bühne

Während sich um 21 Uhr die Band für ihren Auftritt bereit machte, dunkelte es langsam ein. Die fünfköpfige Combo Mighty Roots versorgten Sängerin Jo Elle mit powervollen Reggaeklängen. Jo Elle jagte früher als Proi-Snowboarderin über die weissen Pisten, bevor sie ihre Leidenschaft für die sanften Töne der Karibikinsel entdeckte. Von Laax und St. Moritz hat sie nun nach Montego Bay und Kingston Town gewechselt. «Ich freue mich auf den Reggae-Tag in der wunderschönen Rhybadi», sagte sie vor ihrem Aufritt.» Während sie loslegte, sassen die Besucher eher ein bisschen scheu am Beckenrand oder auf den Holzbrettern am Boden. Einige Kinder tanzten und spielten mit einem Ball. Doch die Offbeat-Klänge massierten intensiv die Kniekehlen und die rauchig, soulige Stimme von Jo Elle sorgte für das passende Topping auf diesem äussert leckeren Reggae-Cupcake. Die Zuschauer waren nun aufgewacht und sammelten sich vor der Bühne. Einige tanzten oder wippten mit im Takt. Die Musik nistete sich in ihren Ohren ein und liess sie nicht mehr los. «Mein Herz brennt nun schon seit 20 Jahren für Reggae und die Musikrichtung hat in Schaffhausen noch immer viele Zuhörer», freute sich Claudio Burri über den Sound und den Event. Auch die Besucher waren begeistert. «Einfach die perfekte Atmosphäre hier», lobte eine Besucherin die «Down by the River», während eine andere wünschte: «Müsste es öfters geben. Von mir aus auch sehr gerne mit ein bisschen mehr Schub in den Boxen.» Als das Konzert endete, waren die Besucher noch längst nicht müde und feierten eine gemütliche und tanzfreudige Afterparty zu weiteren Klängen aus Bob Marleys vielfältiger Plattensammlung.

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Schaffhauser Nachrichten“ am Montag, 11. Juli 2022.

1. April 1944: In letzter Sekunde dem Bombenhagel entkommen

Im neuen Buch des Historikers Dr. Matthias Wipf kommen 35 Zeitzeugen zur Bombardierung von Schaffhausen im Zweiten Weltkrieg zu Wort. Einer davon ist Gerhard Wüst aus dem Zürcher Weinland. Er verlor an diesem Tag beinahe sein Leben. Von Hermann-Luc Hardmeier

Fotos: Screenshots: Landbote, Bilder Staatsarchiv Schaffhausen, Privatarchiv Gerhard Wüst und Hermann-Luc Hardmeier.

Rauch steigt über der Munotstadt auf. Es wüten Brände, 40 Menschen sterben und 270 bleiben verletzt zurück. Am 1. April 1944 griffen 15 amerikanische B24-Bomber des Typs Liberator die Grenzstadt an. Sie verwechselten das Ziel mit Ludwigshafen in Deutschland. Die fürchterliche Katastrophe hat sich bei vielen Schweizern eingebrannt wie bei den Amerikanern 9/11. Der Historiker Dr. Matthias Wipf hat zum prägenden Ereignis schon mehrfach publiziert und am Dienstag nun sein Buch «Als wäre es gestern gewesen» vorgelegt. Es schliesst die letzte Forschungslücke zum Thema und gibt 35 bisher meist unbekannten Zeitzeugen eine Stimme. Es sind erschütternde Schicksale, welche neben der Faktenlage nun dem Krieg ein Gesicht geben. Da viele Zeitzeugen hochbetagt sind, war es eine der letzten Gelegenheiten, um sie zu befragen. Darunter befindet sich beispielsweise Ex-Ständerat Bernhard Seiler, dessen Vater zu nahe am Fenster stand und vom Sog einer Explosion auf die Strasse geworfen wurde und verstarb. Hans Bader, dessen Eltern beim Volltreffer am Bahnhof starben, und er somit zum Vollwaisen wurde. Hans Langhart, der sein Bein verlor, weil man im Spital zu lange gewartet hatte, um schlimmere Verwundete zu versorgen. Ursula Oertli-Huber, die als Baby von ihrer Schwester aus den Flammen gerettet wurde. Henri Eberlin, der seine fünf Brüder aus einem brennenden Haus rettete und auch Margaretha Tanner, die einzige Miss Schweiz aus Schaffhausen, welche für Verwundete ihr Spitalbett räumen musste. Auch Bestseller-Autor Erich von Däniken war damals als Bub in Schaffhausen. Er war an jenem Morgen in der Schule und eine Bombe verfehlte nur knapp das Gebäude. «Scheiss Krieg», entfährt es ihm auch heute noch, als er über die Ereignisse spricht.

Weinland in der Anflugschneise

Die Opfer waren jedoch nicht nur in Schaffhausen, sondern auch auf der anderen Seite des Rheins zu beklagen. Das Zürcher Weinland ist über eine Brücke direkt verbunden. Genau in der Anflugschneise der Bomber spielte an jenem 1. April Gerard Wüst mit seinem Holz-Lastauto vor dem Haus. Es befindet sich gleich neben der reformierten Kirche in Feuerthalen. Die amerikanischen Maschinen hatten an jenem Tag eine Tochterfirma der IG-Farben in Ludwigshafen im Visier. Dort wurde unter anderem das Giftgas Zyklon-B hergestellt, welches die Nazis für ihre Verbrechen in den KZs verwendeten. Die Angreifer kamen durch starke Winde, Navigationsfehler und ihre Unerfahrenheit stark vom Kurs ab und suchten ein «Target of Opportunity», also ein Gelegenheitsziel, um nicht mit ihren Bomben zurückkehren zu müssen. Der Nebel an diesem Tag erschwerte die Operation zusätzlich. Just über Schaffhausen war die Wolkendecke aufgerissen und weil die Stadt auf der «falschen Seite» des Rheins lag, glaubte man, eine deutsche Stadt vor sich zu haben. Eine Staffel bemerkte noch rechtzeitig den Irrtum und warf die Bomben über dem Kohlfirstwald ab. Die Mutter von Gerhard Wüst hörte die Einschläge und sprang aus dem Haus. Sie schnappte sich den Fünfjährigen und rannte mit ihm in den Keller. Sekunden später fiel eine Brandbombe in das Nachbarhaus, eine weitere landete im Garten und eine dritte traf das Haus von Gerhard Wüsts Familie. Sie fiel durch das Dach und den Estrichboden und explodierte im oberen Stockwerk. Sofort brach ein Brand aus. Mit Hilfe der Nachbarn konnte das Feuer eingedämmt werden und der Schaden einigermassen in Grenzen gehalten werden. Noch heute zeugen verschiedenfarbige Ziegel am reparierten Dachstock vom Einschlag. Gerhard Wüst lebt heute wieder im Elternhaus und erinnert sich am 1. April daran, dass sein Leben beinahe geendet hätte.
Zwischentitel: Unbürokratische Hilfe
Schaffhausen und das Zürcher Weinland waren damals eng verknüpft. «Man half sich nach der Katastrophe gegenseitig mit Handwerkern aus und unterstützte sich sehr unbürokratisch», erklärt Matthias Wipf. «Die Feuerwehr aus Feuerthalen war beispielsweise eine der ersten, welche beim Schaffhauser Museum Allerheiligen eintraf und mit den Löscharbeiten begann.» Im Buch erfährt man nicht nur spannende und tragische Schicksale, sondern sieht auch viele bisher ungezeigte Fotos. Beispielsweise vom beschädigten Haus der Familie Wüst, Pfadi- und Schulfotos der Zeitzeugen oder von einem Blindgänger unter den Bahngleisen. Matthias Wipf stellt fest, dass das Interesse an Lokalgeschichte stark zugenommen habe. «Mein Buch ist eine Art Generationenporträt und soll dafür sorgen, dass die Erzählungen der Betroffenen nicht vergessen gehen. Am meisten freuen würde es mich deshalb, wenn es auch an Schulen gelesen würde.»

Von Hermann-Luc Hardmeier. Erschienen in der Zeitung „Der Landbote“ am Dienstag, 1. März 2022.